Ungesunde Belastung führt zum Tennisarm |
Typisch für den Tennisarm sind Schmerzen an der Außenseite des Ellenbogens, die in den ganzen Arm ausstrahlen können. / Foto: Getty Images/PeopleImages
Die Physiotherapeutin Ute Merz hat schon etliche Patienten mit einem Tennisarm behandelt. »Aber Tennisspieler sind eher selten darunter.« Was die Sprecherin des Deutschen Verbandes für Physiotherapie berichtet, belegt, worin sich Experten einig sind: Prinzipiell ist der Schmerz Folge einseitiger oder ungewohnter Belastungen. Das kann durch Sportarten wie Tennis, aber ebenso etwa durch handwerkliche Tätigkeiten bedingt sein.
Typisch für einen Tennisarm (Epicondylitis humeri radialis) sind Schmerzen an der Außenseite des Ellenbogens, die in den ganzen Arm ausstrahlen und im Akutfall schon bei einfachen Belastungen entstehen können, zum Beispiel beim Aufschrauben einer Flasche oder beim Heben einer Kaffeetasse. In Ruheposition lassen die Beschwerden meist nach. Sie können aber auch nachts auftreten und so die Betroffenen um den Schlaf bringen.
Beim Tennisarm schmerzt vor allem die Stelle, an der die Muskelsehnen zur Streckung der Hand- und der Fingergelenke am äußeren Ellenbogen ansetzen. Eben diese Sehnen werden beansprucht, wenn die Hand oder der Arm etwa gestreckt oder gedreht wird beziehungsweise wenn die Hand etwas greift oder hebt. Ist die Innenseite des Ellenbogens, also die Sehnen der Beugemuskeln der Hand- und der Fingergelenke, betroffen, spricht man übrigens von einem Golferellenbogen (Epicondylitis humeri ulnaris).
»Oft trifft es Menschen, die ihre Unterarmmuskulatur normalerweise wenig fordern und sie dann plötzlich stark belasten«, berichtet Merz. »Beispielsweise, wenn jemand auf einmal ein ganzes Wochenende lang Möbel zusammenschraubt.« Ebenso können aber auch regelmäßige einseitige Belastungen zu einem Tennisarm führen, zum Beispiel bei Sportarten wie Rudern oder Krafttraining, bei regelmäßigen Handwerksarbeiten wie Malern oder Schreinern, schwerem Heben, Spielen von Musikinstrumenten oder bei der Arbeit an einer Supermarktkasse.
Früher nahm man an, dass eine Entzündung in der Muskulatur die Schmerzen verursacht. Inzwischen weiß man, dass die Ursache winzige Verletzungen der Muskelzellen sind, die durch die stereotype Dauerbelastung entstehen. Mediziner nennen das Phänomen Repetitive-Strain-Injury-Syndrom (RSI), zu Deutsch: Verletzung durch wiederholte Belastung. Hierunter werden verschiedene Schädigungen des Hand-, Arm-, Schulter- und Nackenbereichs infolge langanhaltender, monotoner Bewegungen zusammengefasst, etwa auch der sogenannte Mausarm.
Nach Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) leiden etwa 2 Prozent der Bevölkerung unter einem Tennisarm. Am häufigsten treten die Beschwerden zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf – wahrscheinlich, weil die Muskulatur ab dem mittleren Lebensalter anfälliger für Überlastungen wird. Manchmal verschwinden die Beschwerden schon nach wenigen Wochen, oft dauern sie aber einige Monate. Etwa 80 Prozent der Betroffenen sind innerhalb eines Jahres schmerzfrei.
Um einen Tennisarm zu diagnostizieren, reicht meist eine körperliche Untersuchung. Dabei wird beispielsweise der Arm mit der Handfläche nach unten ausgestreckt und die Hand gegen Widerstand nach oben gedrückt. Schmerzt dabei der Ellenbogen, spricht dies für einen Tennisarm. Röntgenuntersuchungen, Ultraschall oder eine Magnetresonanztomografie (MRT) sind nach Informationen des IQWiG nur sinnvoll, wenn der Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht.
Nach der Diagnose geht es in der Behandlung darum, nicht nur kurzfristig die Schmerzen zu lindern, sondern mittel- und langfristig die Beweglichkeit und Belastbarkeit von Arm und Handgelenk zu verbessern, berichtet Physiotherapeutin Merz. Sie ist »kein Freund von Ruhigstellen«. Zwar könne es zunächst helfen, die Bewegungen, die die Schmerzen hervorrufen, zu vermeiden oder zu verringern. »Darauf müssen dann aber so schnell wie möglich Dehn- und Kräftigungsübungen für den Unterarm und das Handgelenk folgen.«
Ein weiteres Mittel, zu dem Schmerzgeplagte gerne greifen, sind Schienen und Bandagen. / Foto: Adobe Stock/mdbildes
Studien zeigen, dass Menschen, die konsequent solche Übungen machen, schneller schmerzfrei werden. Zudem verbessern die Übungen die Beweglichkeit. Gegen Tennisarm-Beschwerden ist die sogenannte exzentrische Trainingstherapie am besten untersucht. Dabei wird die Streckmuskulatur im Unterarm zugleich gedehnt und gestärkt. Merz ermittelt bei ihren Patienten zuerst, welche Bewegungsabläufe die Beschwerden hervorrufen und welche Muskeln lockerer oder auch kräftiger werden müssen, um weiteren Beschwerden vorzubeugen. »Das kann gerade für Sportler sehr motivierend sein, denn es geht ja auch darum, wie sie ihre Körperkraft effizienter einsetzen, ohne Muskeln und Gelenke zu überlasten.«
Auch Analgetika, insbesondere nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), hätten ihren Platz in der Therapie, allerdings nicht dauerhaft, so Merz. Die Medikamente kommen vor allem zu Beginn der Erkrankung zum Einsatz, wenn die Schmerzen am stärksten sind. Die Mittel können als Gel auf den Ellenbogen aufgetragen oder als Tablette eingenommen werden. NSAR eignen sich aber nicht zur Einnahme über längere Zeit, da sie unter anderem zu Magenproblemen führen können. Zudem gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass sie die Heilung beschleunigen können. Dass viele Menschen wochenlang den Schmerz aushalten oder mit Schmerzmitteln versuchen, die Beschwerden in den Griff zu bekommen, bevor sie in die Behandlung kämen, führe oft dazu, »dass sich der Zustand ihres Armes verschlechtert und die Schmerzen schlimmstenfalls chronisch werden«, betont Merz.
Glucocorticoid-Spritzen wirken ebenfalls schmerzlindernd, können den Heilungsprozess aber stören, da sie das körpereigene Immunsystem unterdrücken. Dass eine Ultraschalltherapie Tennisarmbeschwerden lindert, indem sie das Gewebe erwärmt und damit die Durchblutung verbessert, ist nach Einschätzung des IQWiG möglich, aber noch nicht eindeutig durch Studien belegt. Für andere Behandlungen sieht das Institut definitiv keinen Nutzen. Darunter fallen verschiedene Injektionstherapien (zum Beispiel mit Eigenblut oder Botox), Lasertherapie, Elektrotherapie, Stoßwellentherapie und Akupunktur. Dementsprechend werden diese Behandlungen von der gesetzlichen Krankenversicherung in der Regel nicht bezahlt.
Ein weiteres Mittel, zu dem Schmerzgeplagte gerne greifen, sind Schienen und Bandagen. Sie werden um den Ellenbogen oder am Unterarm getragen und sollen die Ansatzstellen der Muskeln an der Knochenvorwölbung des Oberarmknochens schonen und unterstützen. Merz erläutert das schmerzlindernde Funktionsprinzip: »Unter der Haut gibt es Fasern, die Schmerzen überlagern können. Darauf verlassen wir uns instinktiv, wenn wir eine Stelle, die uns wehtut, reiben.«
Mit diesem überlagernden Druck arbeitet auch die Bandage, die oft mittels eines oder mehrerer Druckpunkte bestimmte Stellen gezielt stimuliert. Jedoch gilt auch hier: Bandagen lindern nur, sie heilen nicht, und sie beheben auch nicht die Ursache der Schmerzen, die in ungesunden Bewegungsabläufen liegt. Ziel jeder Behandlung sollte es deshalb sein, die Muskulatur so zu dehnen und zu kräftigen, dass sie die gewünschten Bewegungen ohne Beschwerden ausführen kann – ohne Bandage, betont die Physiotherapeutin.