Unnötigen Einsatz von Antibiotika verhindern |
Eltern verlangen manchmal, dass der Arzt ihrem kranken Kind ein Medikament verordnet. Bei viral bedingten Atemwegsinfekten sind Antibiotika aber nicht wirksam. / Foto: Adobe Stock/photophonie
Die ambulanten Antibiotikaverordnungen bei Kindern und Jugendlichen sind in den letzten zehn Jahren in Folge verschiedener Antibiotic Stewardship (ABS)-Initiativen deutlich zurückgegangen. Dennoch besteht weiterhin Handlungsbedarf. »Antibiotika wirken nur gegen Bakterien und nicht gegen Viren. Dennoch werden sie in der Pädiatrie nach wie vor viel zu häufig bei banalen Atemwegsinfekten verordnet, die durch Viren verursacht werden«, erklärte Professor Johannes Hübner, München, auf einer Veranstaltung am Rande des 15. Kongresses für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) in Assoziation mit der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI).
Nicht nur das: In der Kindermedizin werden viel zu oft Wirkstoffe wie Cephalosporine verschrieben, die praktisch bei allen Indikationen im ambulanten Bereich lediglich als Mittel der zweiten Wahl gelten, kritisierte Hübner weiter. Dahinter steckten Gründe wie Bequemlichkeit oder Verträglichkeit.
Als Argument für den Griff nach wenig zielgerichteten Breitbandantibiotika geben Ärzte häufig die bestehenden diagnostischen Unsicherheiten an. Hier müssten im Vorfeld – mehr als bislang – neue Point of-Care (PoC)-Diagnostika für den schnellen Erregernachweis zum Einsatz kommen.
Fortbildung sei ein weiterer Baustein, um die Kenntnisse zur adäquaten Antibiotikatherapie weiter zu stärken. Dabei müssten den Ärzten insbesondere Kommunikationsstrategien in der Interaktion mit den Eltern vermittelt werden. Viele Mütter und Väter, so Hübner, zeigen sich verärgert, wenn der Arzt bei einer Erkältung des Kindes kein Antibiotikum verschreibt.
Zu erklären, warum im speziellen Fall kein Antibiotikum notwendig ist, beziehungsweise zu erläutern, dass der überbordende und falsche Einsatz von Antibiotika bei viralen Infektionen fatale Konsequenzen wie Resistenzbildung hat, koste Zeit, die – wie auch die dringend im ambulanten Bereich auszubauende PoC-Diagnostik – seitens der Krankenkassen refinanziert werden müsse.
Die Ärzte hätten nicht zuletzt die Möglichkeit, auf eine verzögerte Verordnung zurückzugreifen. Der zumeist unnötige Einsatz von Antibiotika könne gemindert werden, wenn Eltern ein Rezept mit der Maßgabe erhalten, es erst nach ein bis zwei Tagen einzulösen, sollte sich die Symptomatik verschlechtert haben oder keine Besserung eingetreten sein. Hier nehmen PTA und Apotheker eine wichtige Rolle ein, um die Eltern zu beraten und aufzuklären.
Bakterielle Infektionskrankheiten galten bereits als besiegt. Heute gehören sie weltweit wieder zu den häufigsten Todesursachen. Ob Ärzte oder Patienten, in diesem Fall Eltern erkrankter Kinder: Um die Wirksamkeit und Verfügbarkeit von Antibiotika auch in Zukunft sicherzustellen, sind alle in der Verantwortung. »Daran müssen wir gemeinsam weiter arbeiten«, unterstrich Hübner und verwies darauf, dass die Gesundheitspolitik und die pharmazeutische Industrie handeln und die Antibiotika-Forschung vorantreiben müssten.
Antibiotika-resistente Keine drohen zur erdumfassenden Todesursache Nr. 1 zu werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass 2050 mehr Menschen durch resistente Infektionserreger als durch Krebserkrankungen sterben werden. Mit den sich ausweitenden Antibiotikaresistenzen, so heißt es, kommen Gesundheitsrisiken bislang unbekannter Größe auf die Menschheit zu.
Unter Antibiotic Stewardship (ABS) versteht man den rationalen und verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika. Dazu gehört, die bakterielle Infektion nachzuweisen und ein Antibiotikum auszuwählen, dass speziell gegen den Erreger gerichtet ist. Auch Therapiedauer und Dosierung spielen eine Rolle. Ziel ist es, die Patienten bestmöglich zu behandeln und gleichzeitig zu verhindern, dass Selektionsprozesse und Resistenzen bei den Bakterien auftreten.