Vaxzevria nicht mehr zugelassen |
Der Hersteller Astrazeneca möchte den Corona-Impfstoff nicht weiter vermarkten. / Foto: Shutterstock/ Tada Images
Für den Corona-Impfstoff Vaxzevria® gibt es auf Wunsch des schwedisch-britischen Pharmaunternehmens Astrazeneca keine Zulassung in der EU mehr. Der Konzern gibt »kommerzielle Gründe« an. In sozialen Medien wird seither über mögliche andere Ursachen spekuliert – auch wenn es von der EU-Kommission längst hieß, »dass die Entscheidung nicht auf Zweifeln an Sicherheit oder Wirksamkeit des Impfstoffes beruht«. Womöglich ist vielen nicht klar, dass ein solcher Schritt keineswegs mysteriös ist, wie ein Fachverband erläutert.
Nein. Das zeigen allein schon die Werte für Deutschland: »Jährlich wird typischerweise bei 5 bis 10 Originalmedikamenten die Zulassung zurückgenommen, fast immer aus kommerziellen Gründen«, teilte Rolf Hömke, Forschungssprecher beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), in Berlin mit. »Zum Vergleich: Im Schnitt werden pro Jahr in Deutschland rund 36 Medikamente mit neuem Wirkstoff neu eingeführt.«
Hintergrund sei oft, dass es mittlerweile zur Behandlung der betreffenden Krankheit noch bessere Medikamente gibt und die alten deshalb kaum noch zum Einsatz kommen und entbehrlich sind. Zu Vaxzevria hatte Astrazeneca erklärt, dass es inzwischen einen Überschuss an verfügbaren aktualisierten, also an neue Varianten angepassten Impfstoffen gebe. »Dies hat zu einem Rückgang der Nachfrage nach Vaxzervria geführt, das nicht mehr hergestellt oder geliefert wird.«
Ja. Erst im März wurde von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) auf Antrag des Herstellers Sanofi Pasteur die Zulassung für den Corona-Impfstoff VidPrevtyn Beta® beendet, im Oktober die für den Corona-Impfstoff Valneva® des Unternehmens Valneva Austria. In beiden Fällen wurden ebenfalls kommerzielle Gründe angegeben.
Für Auffrischimpfungen zum Schutz vor schweren Covid-19-Verläufen sind inzwischen vorwiegend an neu aufgekommene Corona-Varianten angepasste mRNA-Impfstoffe im Einsatz. Auch bei Impfstoffen gegen andere Krankheiten gebe es Beispiele für eine Rücknahme der Zulassung, sagte Hömke. So sei etwa die Zulassung für den Impfstoff Fluenz® gegen saisonale Grippe (2011–2014) zurückgenommen worden, als das Nachfolgeprodukt Fluenz4® eingeführt wurde, das vor mehr Grippevirenstämmen schützen könne.
»Wir können nicht sagen, wie Unternehmen im Einzelfall zwischen einem Antrag auf Zulassungsrücknahme oder einem ›außer Vertrieb‹-Stellen abwägen«, erklärte Hömke. Ein Erwägungsgrund sei aber sicherlich, dass Unternehmen eine Jahresgebühr für das Aufrechterhalten einer Zulassung bei der Arzneimittelbehörde EMA bezahlen müssen. »Ein weiterer ist, dass ein Hersteller für alle seine zugelassenen Produkte immer wieder ›Periodic Safety Update Reports‹ erstellen und bei der EMA anliefern muss – selbst dann, wenn er ein Produkt gar nicht vermarktet.« Das binde Zeit und Ressourcen.
Vaxzevria ist ein sogenannter Vektorimpfstoff auf Basis eines Virus, in den das Gen zum Aufbau des Spike-Proteins des neuartigen Coronavirus eingebracht wurde. Dadurch bildeten Geimpfte Spike-Proteine, die eine Immunantwort auslösten. Eine erste Notfallzulassung hatte der Impfstoff Ende Dezember 2020 in Großbritannien erhalten. Ende Januar 2021 wurde eine – zunächst bedingte – Zulassung in der Europäischen Union erteilt.
Die Zulassungsstudien zeigten für Impfungen mit Vaxzevria normale Reaktionen wie Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit und allgemeines Unwohlsein sowie Kopfschmerzen und in seltenen Fällen weitere mögliche Komplikationen. Als sehr seltene schwerwiegende Nebenwirkung wurde im Zuge der massenhaften Impfungen das Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) beobachtet, meist zwei bis drei Wochen nach der Impfung. Dabei treten Blutgerinnsel in Kombination mit einer Thrombozytopenie – einem Mangel an Blutplättchen – auf. In einem Teil der Fälle kam es zu Hirnvenenthrombosen.
Im Frühjahr 2021 wurden Vaxzevria-Impfungen nach Berichten über Hirnvenenthrombosen in einigen europäischen Ländern, darunter Deutschland, zeitweise ausgesetzt. Dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zufolge wurden bei rund 8,5 Millionen verabreichten Impfdosen bis 25. Mai 2021 insgesamt 94 Fälle von TTS in Deutschland gemeldet, 17 Menschen starben. Zwei Drittel der Betroffenen waren jünger als 60.
Unter anderem die Arzneimittelbehörde EMA nahm die Fälle unter die Lupe. Ergebnis: Der Nutzen der Impfung überwiege eindeutig das Risiko extrem seltener potenzieller Nebenwirkungen. Bis zum Widerrufen der Zulassung mit Beschluss vom 27. März 2024 gab es eine uneingeschränkte Empfehlung der EMA.
In Deutschland empfahl die Ständige Impfkommission (STIKO) ab Ende März 2021 eine Verimpfung nur noch an Menschen über 60 Jahre. Schon seit längerem wird der Impfstoff anders als an Varianten angepasste mRNA-Impfstoffe hierzulande gar nicht mehr eingesetzt.
Ja. Im April zum Beispiel erzielte eine Frau aus Oberfranken im Prozess um einen mutmaßlichen Corona-Impfschaden einen Teilerfolg gegen den Hersteller. Astrazeneca wurde zu einer umfassenden Auskunft über Nebenwirkungen von Vaxzevria verurteilt. Bisher sei diese Auskunft nicht eingegangen, teilte der Anwalt der Klägerin, Volker Loeschner, am 8. Mai der Nachrichtenagentur dpa mit. Das Schadensersatz- und Schmerzensgeldverfahren der Klägerin läuft weiter. Ähnliche Klagen wurden auch andernorts eingereicht.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.