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Zähneknirschen und Kieferpressen

Ventil für psychische Überlastung

Wer gestresst ist, beißt die Zähne zusammen. Passiert das häufig, können die Schäden an Zähnen und Kiefer enorm sein. Experten raten, frühzeitig gegenzusteuern, und warnen vor einer Zunahme der Betroffenen im Zuge der Coronavirus-Pandemie.
Carina Steyer
17.12.2020  12:00 Uhr

»Auf einem Problem herumkauen« oder »Auf die Zähne beißen« sind gut bekannte Redewendungen, die ein weitverbreitetes, aber häufig unbemerktes Verhalten beschreiben. Nach Schätzungen der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) knirscht jeder Zweite zumindest zeitweise mit den Zähnen, presst sie übermäßig stark zusammen, klappert mit ihnen oder spannt den Kiefer stark an, ohne zuzubeißen. Bei jedem fünften Erwachsenen tritt dieses Verhalten regelmäßig auf.

Zahnärzte sprechen dann von Bruxismus und unterscheiden zwischen einer Tages- und einer Nachtform. Während das Zähneknirschen und -pressen sowohl tagsüber als auch nachts auftreten, findet das Zähneklappern ausschließlich im Schlaf statt. Welches Bruxismus-Verhalten der Einzelne zeigt, muss nicht immer gleichbleiben und kann sich im Verlauf der Erkrankung ändern. Variationen von Tag zu Tag und Nacht zu Nacht sowie zwischen Tag und Nacht sind möglich.

Hauptauslöser Stress

Als wesentliche Ursache des Bruxismus gelten Stressfaktoren besonders emotionaler Art sowie Angststörungen und Alltagsprobleme. Da Stress und Sorgen seit Beginn der Coronavirus-Pandemie bei vielen Menschen deutlich zunehmen, befürchten Zahnärzte in den kommenden Monaten einen weiteren Anstieg der Betroffenen.

Warum wir unter Stress die Zähne zusammenbeißen, ist bisher nicht eindeutig geklärt. Wissenschaftler vermuten, dass die Arbeit mit Zähnen und Kiefer eine stressabbauende Funktion hat. So haben Studien, in denen der Bruxismus durch Kauen auf Paraffinwürfeln simuliert wurde, gezeigt, dass durch die Mahlbewegung die Konzentration des Stresshormons Cortisol im Blut abnimmt. Neben Stress können außerdem Zahnfehlstellungen und Bisslageanomalien, die den Zusammenbiss der Kiefer stören, oder nicht passende Kronen und Füllungen, welche die Kauebene verändern, verantwortlich sein.

Beim Nachtbruxismus kommen mitunter auch nächtliche Atemstörungen oder ein Reflux als Auslöser in Frage. Bei Betroffenen mit Schlafapnoe hat der Bruxismus eine schützende Funktion, da die Muskelanspannung die Atemwege freihält. Bei Sodbrennen sorgt der Bruxismus für eine vermehrte Speichelbildung und damit für eine Reduktion der Säurewirkung. Zudem können Substanzen, die erregend auf das zentrale Nervensystem wirken, wie Nikotin, Alkohol oder Koffein, einen Bruxismus auslösen und verstärken.

Kein Grund zur Sorge ist das Zähneknirschen bei Babys und Kleinkindern zwischen dem achten Lebensmonat und dritten Lebensjahr. Hierbei handelt es sich um ein völlig normales Entwicklungsphänomen, mit dem die neu rausgewachsenen Zähne der unteren Zahnreihe an die Zahnlänge der oberen Zahnreihe angepasst werden. Zudem testen und erkunden Babys die neuen Zähne natürlich und finden das Knirschgeräusch häufig interessant oder lustig. In der Regel ist diese Phase nach ein paar Tagen wieder vorbei.

Keine Krankheit, aber Folgeschäden

Auch bei Erwachsenen wird der Bruxismus nicht als Krankheit angesehen, dennoch kann er gravierende Folgen für die Zähne, die Kaumuskulatur und die Kiefergelenke haben. Der Druck, der beim Bruxismus auf sie ausgeübt wird, ist enorm. Über 480 kg/cm2 können es sein, was mehr als dem 10-fachen des normalen Kaudrucks entspricht. Schon ein leicht ausgeprägter, aber regelmäßig auftretender Bruxismus wird deshalb auf den Zahnoberflächen in Form von Schliffflächen sichtbar. Die Wangen können Bissspuren aufweisen und am Zungenrand Zahnabdrücke zurückbleiben. Ist das Bruxismus-Verhalten ausgeprägter, kann es zu Schmelzrissen, Frakturen und Zahnschmelzaussprüngen am Zahn und zu keilförmigen Defekten am Zahnhals kommen. Füllungen, Kronen, Prothesen oder Implantate können ebenfalls beschädigt werden. Durch die Überlastung der Zähne und den Abrieb von Zahnsubstanz können die Zähne überempfindlich auf heiß, kalt, süß oder sauer reagieren. Zudem kann es zu einer deutlich sichtbaren Verkürzung der Zähne kommen.

Kiefer unter Spannung

Das wiederholte, starke Anspannen der Kaumuskulatur kommt einem regelmäßigen Training gleich und fördert damit den Muskelaufbau. Bruxismus-Betroffene erkennt man deshalb mitunter an einer stark ausgeprägten Kaumuskulatur, die deutlich aus dem Gesicht heraussteht. Viele Betroffene bemerken das ungewollte Training in Form von Muskelverspannungen, wundern sich am Morgen über deutliche Muskelbeschwerden in den Wangen und Schläfen oder über eine Muskelsteifigkeit. Auch Schmerzen in der Kaumuskulatur, im Bereich vor den Ohren, in den Kiefergelenken sowie Kopfschmerzen sind keine Seltenheit. Menschen mit Bruxismus haben im Vergleich zu Nicht-Betroffenen ein 3-fach höheres Kopfschmerzrisiko. Oft werden die Beschwerden durch Kauen oder andere Kieferbewegungen verschlimmert.

Besteht ein Bruxismus über einen langen Zeitraum, können zusätzlich Funktionseinschränkungen in der Kieferbewegung auftreten. Zahnärzte sprechen nun von einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD), die als Folgeerkrankung des unbehandelten Bruxismus gilt. Neben Schmerzen bemerken CMD-Patienten eine deutliche Einschränkung beim Öffnen ihres Mundes und der Bewegung des Kiefers in den Seitenbereich. Harte Speisen können mitunter gar nicht mehr gekaut werden. In den Kiefergelenken sind Geräusche wie ein Reiben oder Knacken hörbar. Auch ein Tinnitus wird im Zusammenhang mit der CMD beschrieben. Hier fehlt jedoch der wissenschaftliche Nachweis, dass es sich um einen tatsächlichen Zusammenhang handelt.

Grundsätzlich gilt die CMD als Folgeerkrankung des Bruxismus, sie kann aber auch durch andere Faktoren ausgelöst werden, die die Kaumuskulatur stark beanspruchen. Dazu gehören zum Beispiel das regelmäßige Kauen auf Fingernägeln, Lippen und Wangen oder ein übermäßiger Kaugummikonsum. Gefördert wird die CMD zusätzlich durch eine falsche Körperhaltung besonders im Bereich der Halswirbelsäule, da diese Verspannungen verstärken kann.

Frühzeitig gegensteuern

Um Schäden an den Zähnen und eine CMD zu vermeiden, ist es wichtig, einen Bruxismus rechtzeitig zu erkennen. Doch das ist gar nicht so einfach. 80 Prozent der Betroffenen mit einem Nachtbruxismus knirschen lautlos mit den Zähnen. Dass der Partner oder andere Familienmitglieder nächtliche Knirschgeräusche oder Zähneklappern wahrnehmen, passiert nur in wenigen Fällen. Auch tagsüber ist einem Großteil der Betroffenen ihr Bruxismus-Verhalten nicht bewusst. So kommt es, dass sich die meisten Betroffenen erst mit konkreten Beschwerden an ihren Zahnarzt wenden. Dieser untersucht den Patienten auf Schäden an der Zahnhartsubstanz, bewertet den Zahnabnutzungsgrad und beurteilt die Kaumuskulatur.

Um die Zähne vor weiteren Schäden zu schützen, erhalten Betroffene sogenannte Aufbissschienen. Sie werden vom Zahntechniker individuell für den Patienten im Dentallabor hergestellt und auf die Zähne aufgesetzt. Die Tragezeit variiert zwischen einigen Monaten und mehreren Jahren. In der Regel werden die Schienen aber nur nachts getragen und das nicht täglich. Erfahrungen zeigen, dass ein Wechsel zwischen Tragen und Nichttragen das Bruxismus-Verhalten stärker reduziert als dauerhaftes Tragen.

Sollen zusätzlich Muskulatur und Kiefergelenke entlastet und entspannt werden, können spezielle Schienen wie die sogenannte Michigan-Schiene angepasst werden. Im Fall der CMD ist diese unersetzlich. Zusätzlich erhalten CMD-Betroffene eine Physiotherapie. Bei starken Beschwerden können Medikamente zur Schmerzreduktion und Muskelentspannung eingesetzt werden.

Gute Erfahrungen haben Zahnärzte beim Schlafbruxismus mit Methoden des Biofeedbacks gemacht. So gibt es zum Beispiel Schienen mit integriertem Sensorchip, die vibrieren, wenn zugebissen wird. Allerdings werden sie zurzeit nicht von der Krankenkasse bezahlt. Auch kleine Sensoren, die nachts auf der Schläfe platziert werden, sollen durch elektrische Stimulation das Zähneknirschen unterbrechen.

Beim Wachbruxismus stehen verhaltenstherapeutische Maßnahmen im Vordergrund, die darauf abzielen, sich den Bruxismus bewusst zu machen und aktiv zu vermeiden (siehe Kasten). Sobald Betroffene eine Anspannung bemerken, gilt es, aktiv gegenzusteuern und den Kiefer zu entspannen. Hilfreich sind zudem alle Stressbewältigungsmaßnahmen, die in Eigenregie durchgeführt werden. Dazu gehören Entspannungsverfahren wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, aber auch Meditationsübungen, Spazierengehen oder Joggen. Eine gute Schlafhygiene und der Verzicht auf Koffein, Alkohol und Nikotin sind ebenfalls förderlich.

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