Verhaltenstherapie zeigt gute Ergebnisse |
Eine kognitive Verhaltenstherapie zeigt bei Schlafstörungen gute Erfolge. / Foto: Adobe Stock/Lorenzo Antonucci
Die internationale Klassifikation der Schlafstörungen (International Classification of Sleep Disorders, ICSD) unterscheidet mehr als 80 verschiedene Arten. Nicht-organische Schlafstörungen lassen sich – aus neurologischer und psychopathologischer Sicht – in zwei Hauptgruppen unterteilen, nämlich in Dyssomnien (Ein- und Durchschlafstörungen) und Parasomnien wie etwa Schlafwandeln oder Albträume. Schätzungsweise leiden bis zu 30 Prozent der deutschen Bevölkerung unter einem dieser Subtypen von behandlungsbedürftigen Schlafstörungen. Frauen und ältere Menschen sind überdurchschnittlich häufig betroffen.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafapnoe, Morbus Parkinson, Polyneuropathie, Hypotonie und Erkrankungen, die mit Schmerzen oder Juckreiz einhergehen, können für einen nicht erholsamen Schlaf verantwortlich sein. Aber auch seelische Erkrankungen, beispielsweise Depressionen, Schizophrenie, Manien, Suchterkrankungen, Neurosen, Ängste und Demenzen, können behandlungsbedürftige Schlafstörungen auslösen.
Erkrankung | Ein- oder Durchschlafstörung | Tiefschlafreduktion | REM-Schlaf- Disinhibition (Verkürzung der REM-Schlaf-Latenz und Intensivierung des REM-Schlafs) |
---|---|---|---|
Depression | +++ | ++ | +++ |
Angststörungen | + | / | / |
Alkoholabhängigkeit | + | +++ | + |
Borderlinestörung | + | / | |
Demenzen | +++ | +++ | / |
Schizophrenie | ++++ | / | + |
Von den verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren liegen mit Abstand die meisten Daten zur kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) vor. Sie kann die besten Therapieerfolge vorweisen, die Ergebnisse von Psychoanalyse und tiefenpsychologischer Therapie sind demgegenüber weniger überzeugend. Die KVT ist deshalb auch von den gesetzlichen Krankenversicherungen anerkannt, die Kosten werden übernommen. Patienten mit Schlafproblemen müssen sich darauf einstellen, dass eine Psychotherapie bei ihnen zwar gute Erfolge zeigt, die ersehnte Wirkung jedoch erst nach einiger Zeit eintritt.
Die KVT in ihrer heutigen Form setzt sich aus verschiedenen einzelnen Therapieverfahren zusammen. Das aktuelle »Verhaltenstherapie-Manual« listet 68 verschiedene Methoden und Einzelverfahren auf. Die Kerndisziplinen der KVT lassen sich aus ihrem Namen ableiten, nämlich der Verhaltenstherapie (auch als behavoriale Therapie bezeichnet) und der kognitiven Therapie. Die beiden Ansätze wurden schließlich zu einer Methode verschmolzen - man spricht deshalb heute allgemein und verkürzt nur noch von der Verhaltenstherapie.
Eine Verhaltenstherapie verfolgt die nachstehenden Ziele:
Bei Erwachsenen besteht die Insomniebehandlung mittels KVT (abgekürzt: KVT-I) aus Entspannungsmethoden, Psychoedukation Methoden der Schlaf-Wach-Strukturierung wie Stimuluskontrolle und Bettzeitrestriktion sowie kognitiven Techniken zur Reduktion nächtlichen Grübelns und zur Veränderung dysfunktionaler Überzeugungen. Die Psychoedukation wird bei Schlafstörungen als besonders bedeutsam angesehen. Hierbei ist es von Nutzen, dem Patienten das Zwei-Prozess-Modell der Schlafregulation zu erklären. Nach diesem Modell ist das Schlaf-Wach-Verhalten sowohl von einem zirkadianen als auch von einem homöostatischen Prozess abhängig. Das Modell kann Patienten, die unter Schlaflosigkeit leiden, vermitteln, dass nach schlechten Nächten auch wieder gute Nächte erwartet werden dürfen. Das Modell erklärt zudem, warum verschiedene verhaltenstherapeutische Ansätze wie eine Schlafrestriktion oder die Stimuluskontrolle effektiv sind.
Die Grundidee der Stimuluskontrolle ist, dass bei Patienten mit chronischer Insomnie oft bereits eine Kopplung zwischen der Schlafumgebung und ihrem Wachbleiben im Sinne einer Konditionierung entstanden ist. Behandlungsziel ist es deshalb, diese Kopplung aufzuheben und ein geeignetes Schlafambiente wieder mit Entspannung und Schlaf zu koppeln.
Verhaltenstherapeutische Interventionen sind auf definierte Störungen zugeschnitten und setzen sich in der Regel aus mehreren Bausteinen zusammen. Einige der häufig eingesetzten Basisinterventionen und störungsspezifischen Therapiekonzepte sind:
Kognitive Interventionen zielen in der Behandlung von Insomnien auch auf das Durchbrechen nächtlicher Grübelschleifen sowie die Veränderung sogenannter maladaptiver (unangepasster) Überzeugungen über den Schlaf ab. Zur Linderung nächtlichen Grübelns hat sich beispielsweise die Technik des »Gedankenstuhls« als hilfreich erwiesen: Der Patient verlässt hierzu das Bett und nimmt auf einem eher unbequemen Stuhl Platz. Hierbei sollen sich die Patienten – am besten schon einige Stunden vor dem Zubettgehen – circa 15 bis 20 Minuten Zeit nehmen, um gezielt über Themen nachzudenken, die typischerweise beim Versuch (wieder) einzuschlafen in Form von Grübeln erneut auftreten. Es können auch Merksätze und Ideen zur Problemlösung notiert werden. Ziel ist es, das Auftreten dieser ständig zirkulierenden Gedanken (Gedankenkarussell) später in der Einschlafsituation zu reduzieren. Auch die Vorstellung kann helfen: Die Sorgen werden in einen Koffer gepackt und dieser Sorgenkoffer dann außerhalb des Schlafzimmers abgestellt.
Eine andere kognitive Intervention ist die Umstrukturierung dysfunktionaler Gedanken, zum Beispiel: »Wenn ich nicht genug Schlaf bekomme, bin ich nicht leistungsfähig genug.« Solche Gedanken können etwa im Rahmen von Verhaltensexperimenten gezielt hinterfragt und verändert werden. Achtung: Eine Schlafrestriktionstherapie ist nur dann uneingeschränkt zu empfehlen, wenn in der Anfangsphase keine potenziell unfallträchtigen Tätigkeiten wie Autofahren und Bedienen gefährlicher Maschinen ausgeübt werden. Ähnliche Effekte können auch bei der Stimuluskontrolle auftreten, da auch diesem Verfahren ein teilweiser Schlafentzug zugrunde liegt.
Ein Vorteil der KVT-I ist, dass sie auch bei Patienten effektiv ist, die neben der Insomnie unter zusätzlichen anderen Krankheiten leiden. Einige dieser Begleitkrankheiten können simultan ebenfalls günstig beeinflusst werden. Metaanalysen offenbarten zudem, dass allein schon eine Bettzeitrestriktion (Verkürzung der Schlafzeit des Patienten) eine positive Wirkung zeigt. Auch Insomnien im Zusammenhang mit posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), Krebserkrankungen und Schmerzen können effizient durch eine KVT-I gebessert werden.
Umfangreiche Metaanalysen belegen zusammenfassend, dass die KVT-I bei Patienten mit chronischer Insomnie wegen ihrer mittleren bis großen Effektstärke als sehr wirksam anzusehen ist. Dies gilt sowohl für Einzel- als auch für Gruppentherapien und auch für die Langzeitdaten.
Es gibt außerdem zwei Metanalysen zum Vergleich der KVT-I mit einer Pharmakotherapie. Darin stellte sich heraus, dass die Effektstärken miteinander vergleichbar sind und sie kurzfristig als alternative therapeutische Optionen zu bewerten sind. Die KVT und Hypnotika bringen also vergleichbare Effekte; allerdings fallen die Ergebnisse auf längere Sicht für eine KVT besser aus. Deshalb schlagen die Autoren der Metaanalysen vor, die KVT als Therapiemethode der ersten Wahl für eine chronische Insomnie klinisch einzusetzen.
Eine Kombination von KVT mit Temazepam beziehungsweise Zolpidem erbrachte in zwei klinischen Studien synergistische Effekte. Die Untersucher folgern daraus, dass in der Akutbehandlung möglicherweise ein synergistischer Effekt von KVT und Pharmakotherapie besteht, in der Phase nach der Akutbehandlung jedoch eine alleinige KVT überlegen ist.
Metaanalysen haben gezeigt, dass eine internetbasierte KVT-I, zum Beispiel die Programme SHUTi oder Sleepio, hohe Effektstärken besitzen. Diese waren allerdings geringer als die Ergebnisse von Face-to-Face-Therapien. Internetbasierte KVT bei Patienten mit gleichzeitiger subklinischer Depression neben einer ausgeprägten Insomnie zeigten ebenfalls günstige Therapieresultate. Die Behandlung insomnischer Symptome wirkt sogar präventiv hinsichtlich der Entstehung einer Depression.
Da es oft schwer ist, zeitnah psychotherapeutische Hilfe zu erhalten, rücken digitale Tools zunehmend in den Fokus. Selbst die Wartezeit für eine Akuttherapie kann in Deutschland mehr als drei Wochen betragen, auf einen regulären Therapieplatz in Städten warten Betroffene im Schnitt fünf Monate, auf dem Land sogar bis zu ein Jahr.
E-Mental-Health-Angebote können Wartezeiten überbrücken und auch solchen Patienten helfen, die mit einer klassischen Face-to-Face-Psychotherapie nur schwer zu erreichen sind. Auch für Menschen, die Angst vor einer Stigmatisierung dadurch haben, dass sie einen Psychotherapeuten aufsuchen und deshalb von einem Praxisbesuch Abstand halten, ist die Hürde, eine App zu installieren, niedriger. Jedoch werden Apps und sonstige digitale Angebote auch in Zukunft den Therapeuten aus Fleisch und Blut nicht ersetzen können.