PTA-Forum online
Unter 30-Jährige

Viele junge Menschen von Einsamkeit betroffen

Jeder fünfte Jugendliche und junge Erwachsene fühlt sich einsam. Viele kennen wirksame Strategien gegen das Gefühl, aber nicht alle. Sie brauchen Unterstützung, damit sich die Einsamkeit im Erwachsenenalter nicht weiter fortsetzt.
Carina Steyer
08.05.2024  08:00 Uhr

Warum Menschen einsam sind, kann individuell ganz unterschiedlich sein. Grundsätzlich wird Einsamkeit als Zustand definiert, in dem die eigenen sozialen Beziehungen nicht den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Wie viele soziale Beziehungen eine Person jedoch benötigt und wie sie die Qualität dieser Kontakte bewertet, ist von Mensch zu Mensch verschieden.

Zudem kann Einsamkeit in unterschiedlichen Facetten auftreten. Fehlt zum Beispiel eine enge, vertrauensvolle Beziehung zu einem anderen Menschen, sprechen Experten von emotionaler Einsamkeit. Besteht kein größeres soziales Netz aus Freunden und Bekannten, wird das als soziale Einsamkeit bezeichnet. Bei der kollektiven Einsamkeit mangelt es Betroffenen am Zugehörigkeitsgefühl zu einer größeren gesellschaftlichen Gruppe oder der Gesellschaft insgesamt.

Einsamkeit ist ein negatives und unangenehmes Gefühl, das vielfach schambehaftet ist. Sie wird abgegrenzt von sozialer Isolation, die über die Anzahl der bestehenden Kontakte messbar und objektivierbar ist, sowie vom Zustand des Alleinseins. Anders als Einsamkeit kann Alleinsein als angenehm und erholsam empfunden werden.

Keine Trendwende

In der öffentlichen Wahrnehmung wird Einsamkeit vor allem als Problem älterer und insbesondere hochaltriger Menschen ab 80 Jahren gesehen. Aus Studien ist jedoch bekannt, dass die Gruppe der 17- bis 30-Jährigen ebenso zu den Altersgruppen mit der höchsten Prävalenz für Einsamkeit zählt. Im Sozio-ökonomischen Panel von 2013 beziehungsweise 2017 lag der Anteil der unter 30-Jährigen, die sich zumindest manchmal einsam fühlen, bei etwa 14 Prozent. In der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS Welle 2 von 2014 bis 2017) gaben 4 Prozent der Teenager zwischen 11 und 17 Jahren an, sich oft oder immer einsam zu fühlen, weitere 28 Prozent fühlten sich manchmal oder selten einsam.

Einen enormen Anstieg verzeichneten Wissenschaftler während der Covid-19-Pandemie. Das sozioökonomische Panel ermittelte einen Anstieg auf 48 Prozent, Jugendliche und junge Erwachsene stellten damit die einsamste Altersgruppe dar. Gleichzeitig stieg die Zahl der jungen Menschen mit psychischen Belastungen und Erkrankungen deutlich an.

Aktuell sind Forscher damit beschäftigt, Daten zur Lage nach der Pandemie zu erheben. Bisher deutet vieles darauf hin, dass die Zahlen weiterhin hoch sind. Für die Studie »Einsamkeit unter Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen nach der Pandemie« wurden 958 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 20 Jahren per Online-Fragebogen befragt. Zusätzlich wurden die Angaben von 1243 Schülern der achten Schulstufe ausgewertet, die an der GLÜCK-Studie teilgenommen hatten. Dabei zeigte sich, fast jeder fünfte ältere Jugendliche und junge Erwachsene fühlt sich stark einsam. Acht von zehn der älteren Jugendlichen fühlen sich moderat einsam. Bei den jüngeren Jugendlichen sind es sieben von zehn.

In der Studie »Health Behaviour in School-Aged Children« gaben 43 Prozent der Brandenburger Schüler an, sich manchmal oder häufiger einsam zu fühlen, 16 Prozent fühlten sich meistens oder immer einsam. In der Studie »Extrem einsam?« für die das Progressive Zentrum, eine Nicht-Regierungsorganisation in Berlin, Tiefeninterviews, Fokusgruppen und eine repräsentative Umfrage mit rund 1000 Jugendlichen zwischen 16 und 23 Jahren ausgewertet hat, fehlte 55 Prozent der Befragten manchmal oder immer Gesellschaft. 26 Prozent gaben an, nicht das Gefühl zu haben, anderen Menschen nah zu sein.

Risiko Veränderung

Warum sind gerade junge Menschen so häufig von Einsamkeit betroffen? Die Forschung ist hier recht eindeutig. Jede grundlegende Veränderung im Leben ist immer auch ein Risikofaktor für Einsamkeit. In der Zeit des Erwachsenwerdens und im jungen Erwachsenenalter stehen davon besonders viele an. Die Schule wird beendet, eine Ausbildung oder ein Studium begonnen. Junge Menschen ziehen von zu Hause aus und steigen in den Beruf ein. Dazu kommen tiefgreifende psychische Veränderungen und die Identitätsfindung.

Neben den Risikofaktoren, die diese Lebensphase mit sich bringt, können junge Menschen durch individuelle Faktoren zusätzlich belastet sein. So haben Jugendliche aus Haushalten mit finanziellen Einschränkungen, mit nur einem oder keinem Elternteil, arbeitslose Jugendliche und jene mit psychischen Erkrankungen, Diskriminierungserfahrungen oder besonderen Belastungen ein zusätzlich erhöhtes Einsamkeitsrisiko.

Dennoch stehen Freundschaften bei jungen Menschen hoch im Kurs. Aus Studien ist bekannt: Je höher in diesem Alter die Anzahl der Freunde und besonders der engen Freundschaften ist, umso geringer ist die Ausprägung von Einsamkeit. Gleichzeitig ist in dieser Lebensphase aber auch das Ende einer Freundschaft eines der häufigsten Lebensereignisse. Viele können damit umgehen und stehen dem aufkommenden Gefühl der Einsamkeit nicht hilflos gegenüber. In der Studie »Einsamkeit unter Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen nach der Pandemie« wurden 50 verschiedene Strategien zur Bewältigung von Einsamkeit genannt. Am häufigsten suchen Jugendliche den Kontakt zu anderen Menschen.

Nicht verdrängen

Kritisch betrachten die Studienautoren, dass emotionsorientierte Strategien, die helfen, negative Gefühle der Einsamkeit zu dämpfen, ebenfalls häufig genannt wurden. Ein emotionsorientierter Umgang sei nicht per se schlecht, denn nicht immer könnten problemorientierte Strategien in die Tat umgesetzt werden. In diesem Fall zu lernen, Einsamkeitserfahrungen als normalen Teil des Lebens zu akzeptieren, sei langfristig sogar hilfreich, um Einsamkeitsgefühle zu verhindern.

Viele der von den Teilnehmern genannten emotionsorientierten Strategien dienten jedoch einer kurzfristigen Symptomreduktion. Würden diese als einzige Strategien angewendet, könne das langfristig zu Problemen führen, wenn es Betroffene davon abhält, aktiv den Kontakt mit anderen Menschen zu suchen.

Dass einige Strategien gegen Einsamkeit weniger wirksam sind, erkennen junge Menschen auch selbst. So gaben in der Studie »Extrem einsam?« 75 Prozent der Jugendlichen an, das Gefühl der Einsamkeit zu ignorieren, aber nur ein Viertel von ihnen empfindet dieses Vorgehen als hilfreich. Ebenfalls 75 Prozent verbringen mehr Zeit online, auf Social Media oder in Onlinespielen. Für knapp die Hälfte ein hilfreiches Vorgehen.

Bei 67 Prozent der Betroffenen führt die Einsamkeit dazu, dass sie mehr über sich selbst nachdenken. Der Anteil jener, die das hilfreich finden, liegt mit 43 Prozent relativ hoch. Allerdings vermuten die Studienautoren, dass sich diese Gedanken vor allem um Schuld und Selbstoptimierung drehen, was langfristig zusätzlichen Druck erzeugen könne. Weniger als die Hälfte der jungen Betroffenen versucht der Einsamkeit durch professionelle Hilfe zu entkommen. Mit mäßigem Erfolg: Nur ein Drittel derjenigen, die sich Unterstützung gesucht haben, bezeichnet das als hilfreich.

Gesellschaftliche Aufgabe

Sind junge Menschen nicht in der Lage, wirksame Strategien gegen ihre Einsamkeit zu finden, kann sie zu einem Dauerzustand werden und gravierende Folgen haben. Von Einsamkeit betroffene Jugendliche und junge Erwachsenen leiden unter einer allgemein erhöhten Stressbelastung, schlechteren Schlafqualität und haben häufiger Probleme in der Schule als nicht einsame Gleichaltrige. Einsamkeit führt dazu, dass junge Menschen weniger Sport treiben und mehr ungesundes Essen konsumieren. Ihre körperliche Gesundheit fällt schlechter aus und es gibt einen engen Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen und sozialen Ängsten.

Einsame Jugendliche berichten häufiger über eine psychotherapeutische Behandlung und haben Diskriminierung erfahren. Besonders gravierend: Ohne kompetente Gegenstrategie bleibt die Einsamkeit bei vielen Teenagern und jungen Erwachsenen mit starken Einsamkeitserfahrungen im Erwachsenenalter weiter bestehen. Zudem kann Einsamkeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch gesamtgesellschaftliche Folgen haben. So konnte die Studie »Extrem einsam?« zeigen, dass junge Menschen, die sich häufiger einsam fühlen, mit höherer Wahrscheinlichkeit an Verschwörungstheorien glauben, politische Gewalt billigen und autoritäre Haltungen unterstützen.

Einsamkeit zu begegnen ist somit auch bei jungen Menschen wichtig. Das Team um die Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum hat aus der Studie »Einsamkeit unter Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen nach der Pandemie« konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet, die auch auf politischer Ebene umgesetzt werden sollen. Dazu zählt zum Beispiel eine gezielte Kampagne, die über Einsamkeit aufklärt und über Bewältigungsstrategien informiert. Wichtig sei nach Einschätzung der Experten dabei, dass die Jugendlichen dort angesprochen werden, wo sie sich am häufigsten aufhalten. Das seien die Schule und das Internet.

Besonderes Augenmerk sollte zudem auf junge Menschen gelegt werden, die aufgrund ihrer Lebensumstände ein zusätzlich erhöhtes Einsamkeitsrisiko tragen. Ergänzend plädieren die Wissenschaftler für Maßnahmen, die die soziale und emotionale Intelligenz stärken, einen angemessenen Umgang mit digitalen Medien vermitteln, gegen Diskriminierung und Vorurteile vorgehen und sich für Toleranz und Integration einsetzen.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.
TEILEN
Datenschutz

Mehr von Avoxa