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Umstritten

Vitamin D supplementieren oder nicht?

Das Sonnenhormon ist wichtig für den Knochenstoffwechsel. Seine Rolle bei der Prävention oder Linderung verschiedener chronischer Krankheiten ist hingegen umstritten.
Nicole Schuster
08.07.2024  12:00 Uhr

Vitamin D (auch Calciferol genannt) ist ein fettlösliches Vitamin, das in einigen Lebensmitteln natürlicherweise vorkommt, anderen zugesetzt wird und als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) erhältlich ist. Vitamin D ist kein echtes Vitamin, da der Körper es selbst produziert, wenn ultraviolette (UV) Strahlen des Sonnenlichts auf die Haut treffen. Sowohl über die Nahrung aufgenommen als auch durch die Haut synthetisiertes Vitamin D wird in der Leber zu 25-Hydroxyvitamin-D [25(OH)D] umgewandelt. Ein zweiter Hydroxylierungsschritt führt zur Bildung des aktiven Metaboliten 1,25-Dihydroxyvitamin D [1,25(OH)2D], auch bekannt als Calcitriol. 

Vitamin D beziehungsweise seine aktive Form 1,25(OH)2D wirkt als Ligand an nukleären Vitamin-D-Rezeptoren in Osteozyten und verschiedenen anderen Körperzellen. Da Immunzellen ebenfalls Vitamin-D-Rezeptoren besitzen, moduliert das Hormon auch das angeborene und erworbene Immunsystem. Insgesamt sind es bis zu 2000 Gene – also etwa 10 Prozent des menschlichen Genoms –, die durch Vitamin D reguliert werden.  Die Serumkonzentration von 25(OH)D ist der Hauptindikator für den Vitamin-D-Status. Die Angabe erfolgt sowohl in Nanomol pro Liter (nmol/L) als auch in Nanogramm pro Milliliter (ng/ml). 1 nmol/L entspricht 0,4 ng/ml und 1 ng/ml entspricht 2,5 nmol/L.

Die optimale Serumkonzentration von 25(OH)D ist individuell unterschiedlich. Allgemein gilt, dass bei einem Serumspiegel unter 30 nmol/L (12 ng/ml) das Risiko eines Vitamin-D-Mangels besteht. Für die meisten Menschen reichen Werte von über 50 nmol/L (20 ng/ml) aus. Serumkonzentrationen, die 125 nmol/L (50 ng/ml) übersteigen, können zu Nebenwirkungen führen. 

Nur wenige Lebensmittel wie fetter Fisch (wie Forelle, Lachs, Thunfisch und Makrele) und Fischleberöle, Rinderleber, Eigelb, Käse und Pilze enthalten von Natur aus Vitamin D. UVB-Strahlung mit einer Wellenlänge von etwa 290 bis 320 nm wandelt 7-Dehydrocholesterin in der Haut in eine Vorstufe um, aus der dann Vitamin D entsteht. Es ist unklar, wie viel UV-Strahlung zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Vitamin-D-Spiegels erforderlich ist. Generell wird empfohlen, Gesicht, Arme, Hände und Beine 5 bis 30 Minuten lang, entweder täglich oder mindestens zweimal pro Woche, ungeschützt der Sonne auszusetzen.  Sonnenschutzmittel blockieren die Vitamin-D-produzierenden UV-Strahlen. In der Praxis werden die Produkte aber oft nicht vollständig oder regelmäßig aufgetragen, sodass die Haut dennoch Vitamin D synthetisieren kann. 

Vitamin D gegen Krankheiten

Laut Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind 30,2 Prozent der Erwachsenen (29,7 Prozent der Frauen und 30,8 Prozent der Männer) basierend auf ihren Serumblutwerten unzureichend mit Vitamin D versorgt. Eine ausreichende Versorgung erreichen 38,4 Prozent der Erwachsenen (38,6 Prozent der Frauen und 38,3 Prozent der Männer). Bei Männern zeigen sich kaum Unterschiede im Altersverlauf, während bei Frauen der Anteil der unzureichend versorgten Personen mit steigendem Alter zunimmt und der Anteil der ausreichend Versorgten abnimmt.

Ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-D-Mangel haben ältere Menschen sowie jene, die sich selten oder nur mit bedeckter Haut im Freien aufhalten (zum Beispiel aufgrund von Pflegebedürftigkeit oder aus religiösen beziehungsweise kulturellen Gründen) oder eine dunkle Hautfarbe haben. Gestillte Säuglinge, Menschen mit Fettaufnahmeproblemen, Fettleibige und solche, die sich einer Magenbypass-Operation unterzogen haben, können ebenfalls unterversorgt sein, ebenso Personen mit chronischen Magen-Darm-, Leber- oder Nierenerkrankungen. Auch jenen, die Medikamente einnehmen, die den Vitamin-D-Stoffwechsel beeinträchtigen, wie Antiepileptika, Glucocorticoide oder Zytostatika, kann es an dem Vitamin mangeln.

Ein solcher Mangel wirkt sich in erster Linie auf die Knochengesundheit aus. Ohne ausreichend Vitamin D können die Knochen brüchig werden. Vitamin D fördert die Calciumaufnahme im Darm und ist wichtig für das Knochenwachstum und den Knochenumbau durch Osteoblasten und Osteoklasten. Ein schwerer und anhaltender Vitamin-D-Mangel kann die Knochen demineralisieren und erweichen. Bei Säuglingen und Kindern entsteht eine Rachitis und bei Erwachsenen die Osteomalazie. Im höheren Alter kann ein Vitamin D-Mangel Osteoporose fördern. Bei postmenopausalen Frauen und älteren Männern kann eine Ergänzung mit Vitamin D und Calcium die Knochenmineraldichte geringfügig erhöhen. 

Wenig bewiesen

Epidemiologische Studien zeigen Zusammenhänge zwischen einem niedrigen Vitamin-D-Status und einem erhöhten Risiko für verschiedene Erkrankungen, einschließlich Stoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Depressionen, Autoimmunerkrankungen und Infektionskrankheiten. Beobachtungsstudien sind jedoch anfällig für Verzerrungen, und ein kausaler Zusammenhang zwischen niedrigem Vitamin-D-Status und diesen Erkrankungen ist nicht eindeutig belegt. 

Dennoch ist der Gedanke verbreitet, dass die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten vor verschiedenen Erkrankungen schützen oder deren Verlauf positiv beeinflussen könnte. Wenn Effekte als bewiesen gelten, dann sind diese jedoch oft eher marginal und gelten nur für bestimmte Personengruppen. So kann zum Beispiel die tägliche, niedrig dosierte Gabe von Vitamin D (400 bis 1000 I.E./Tag) bei Kleinkindern und Jugendlichen einen leichten Schutzeffekt vor akuten Atemwegsinfektionen bieten. Höhere Dosierungen zeigten keinen zusätzlichen Nutzen, und andere Altersgruppen profitieren nicht davon.

Beratung zu Vitamin D

Auch für Vitamin D gilt: mehr hilft nicht automatisch mehr. Sehr hohe Konzentrationen sind für den Körper sogar giftig. Eine übermäßig hohe Einnahme von Vitamin D über einen längeren Zeitraum führt zu einer übermäßigen Calciumaufnahme im Darm und Calciumfreisetzung aus den Knochen, was in einer Hypercalcämie und Hypercalciurie münden kann. Die Nieren werden durch Calciumablagerungen geschädigt, Dehydrierung, Polyurie, übermäßiger Durst und Nierensteine können die Folge sein. Langfristig kann sich Calcium in Weichgeweben wie Blutgefäßen, Herz, Lunge, Muskeln und Sehnen einlagern. Die Knochen wiederum werden brüchig. Weitere mögliche Symptome einer chronischen Überdosierung sind Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Erbrechen, Verstopfung, Bauchkrämpfe, Bluthochdruck, Psychosen, Muskel-,  Sehnen- und Kopfschmerzen. Schwere Überdosierungen können sogar tödlich enden.

Eine Vergiftungsgefahr besteht nicht, wenn Menschen viel Zeit in der Sonne verbringen. Intoxikationen traten hingegen bereits auf, wenn durch Herstellungsfehler zu große Mengen Vitamin D in Nahrungsergänzungsmittel (NEM) gelangten oder Anwender die Supplemente in übermäßigen Mengen konsumieren. Für das Apothekenteam wichtig: Vitamin D-Präparate können mit verschiedenen Medikamenten interagieren. So verringern zum Beispiel Thiaziddiuretika die Calciumausscheidung im Urin. Die Kombination dieser Diuretika mit Vitamin D-Ergänzungsmitteln, die die intestinale Calciumabsorption erhöhen, könnte zu einer Hypercalcämie führen. 

In einer aktuellen Guideline der Endocrine Society für die klinische Praxis empfiehlt das Gremium eine allgemeine Vitamin-D-Ergänzung nur für Kinder und Jugendliche im Alter von 1 bis 18 Jahren und für Erwachsene über 75 Jahre, Schwangere und Menschen mit hohem Prädiabetesrisiko. Zur Prävention eines manifesten Diabetes ergänzt die Vitamin-D-Supplementierung eine Änderung des Lebensstils. Die Wirkung gilt als belegt. Erst 2023 zeigte eine Übersicht von drei klinischen Studien, dass bei Erwachsenen mit Prädiabetes Vitamin D das Diabetesrisiko wirksam senken kann.

Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt die Supplementierung nur für Säuglinge ab der ersten Lebenswoche bis zum Ende des ersten Lebensjahres und für Personen, bei denen eine unzureichende Versorgung nachgewiesen wurde, die mit Ernährung oder Sonnenbestrahlung nicht zu beheben ist. Wer ohne ärztliche Anweisung Vitamin D ergänzen möchte, sollte NEM mit bis zu maximal 800 I.E. pro Tag wählen. Diese Dosis ist auch bei langfristiger Einnahme und unter Berücksichtigung zusätzlicher Vitamin-D-Quellen wie angereicherte Lebensmittel sicher und nicht mit gesundheitlich bedenklichen Effekten verbunden.

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