Wann Ohrenschmerzen gefährlich werden |
Häufigste Ursache für eine Gehörgangentzündung ist der Schwimmbadbesuch. / Foto: Getty Images/Imgorthand
Wenn mit den Ohren etwas nicht in Ordnung ist, quälen meist gleich starke Schmerzen. Zahlreiche Nerven aus dem Gesicht durchziehen dort die feine Haut und machen die Ohren besonders schmerzempfindlich. Die Ursache kann in einem der verschiedenen Teile des Ohres wie äußerer Gehörgang, Trommelfell, Mittelohr oder Innenohr liegen. Aber auch eine Entzündung der Neben- und Stirnhöhlen kann sich bis in den Bereich des Ohres ausdehnen.
Tückisch ist, dass die Ohren bisweilen schmerzen, obwohl die Störung irgendwo anders zu suchen ist. Beispielsweise können Zahn- oder Kieferprobleme oder Störungen an der Halswirbelsäule für Ohrenschmerzen sorgen. Bereits gewöhnliche Halsschmerzen können bis zu den Ohren ausstrahlen. Die Bereiche sind eng über Nervenbahnen und Muskelstränge miteinander verbunden. Manchen Patienten mit Ohrenschmerzen kann daher der Hals-Nasen-Ohren-Arzt nicht weiterhelfen und sie müssen sich an einen Neurologen, Zahnarzt oder Orthopäden wenden.
Meistens ist der Grund für Ohrenschmerzen jedoch naheliegend. Ein Schwimmbadbesuch kann mit einer Gehörgangentzündung (Otitis externa) enden. Von einem Flug kann ein leichter Druck im Ohr zurückbleiben. Im Rahmen einer Erkältung kann sich eine Mittelohrentzündung (Otitis media) entwickeln. Oft verschwinden die Beschwerden innerhalb weniger Tage von selbst wieder. Halten die Ohrenschmerzen allerdings länger als zwei Tage an, läuft Sekret aus den Ohren (Otorrhoe) oder treten weitere Symptome wie Hörprobleme, Schwindel oder Fieber auf, sollten die Schmerzen abgeklärt werden. Das Gleiche gilt, wenn das Ohr mechanisch verletzt wurde.
Bei Kindern bis etwa zum sechsten Lebensjahr liegt bei Ohrenschmerzen in den meisten Fällen eine Otitis media vor. Voraus geht in der Regel eine Infektionskrankheit wie eine Erkältung, Grippe oder Nasennebenhöhlen-Entzündung. Kleine Kinder sind besonders anfällig, da bei ihnen das Höhlensystem des Nasenrachenraums noch enger ist als bei Erwachsenen. Wenn die Schleimhäute anschwellen oder eine Rachenmandel vergrößert ist, wird die mittlere Höhle des Hörorgans nicht mehr richtig belüftet. Es entsteht Unterdruck und Keime dringen über die Eustachische Röhre ins Mittelohr ein. Pulsierende, dumpfe oder drückende Schmerzen und ein unangenehmes Druckgefühl im Ohr beginnen meist plötzlich. Die Schmerzen können ein- oder beidseitig sein und quälen abends und nachts besonders.
In der Regel heilt die akute Otitis media von alleine innerhalb weniger Tage wieder ab. Trotzdem rät das Apothekenteam, einen erkrankten Säugling oder ein Kleinkind dem Arzt vorzustellen. Er betreut die Behandlung und kann bei Bedarf abschwellende Nasentropfen, schleimlösende Mittel oder Analgetika verschreiben. Antibiotika sind nur in Ausnahmefällen oder bei Kindern unter sechs Monaten erforderlich. Bisweilen kann bei einer Mittelohrentzündung das Trommelfell reißen. Ein Schutz der Natur, denn so kann der Eiter abfließen, die Schmerzen lassen dann meist schlagartig nach. Die verletzten Stellen schließen sich innerhalb von ein bis zwei Wochen wieder.
Wenn die Entzündung zu lange andauert, steigt das Risiko für Komplikationen wie eine Mastoiditis. Dabei handelte es sich um eine akute Entzündung des Warzenfortsatzes des Schläfenbeins, die sich durch Rötung, Schwellung und Berührungsschmerz dieses Knochens hinter dem Ohr äußert. Die Entzündung kann auf benachbarte Hohlräume übergehen, bis hin zu en Hirnhäuten. Um das zu verhindern, muss eine Mastoiditis rechtzeitig behandelt werden. Mitunter kann eine Antibiose, die oral zu Hause oder intravenös im Krankenhaus erfolgt, ausreichen. In den meisten Fällen muss jedoch bei einer akuten Mastoiditis operativ der Warzenfortsatz ganz oder teilweise entfernt werden.
Wenn eine Mittelohrentzündung immer wiederkehrt, könnten sich die kindlichen Polypen, die sogenannten Adenoiden, vergrößert haben. Sie können in einer Operation entfernt werden. Eine chronische Otitis media kann zu einem Cholesteatom führen. Dabei wachsen Hautzellen des Gehörgangs durch das Trommelfell in das Mittelohr hinein und breiten sich dort aus. Gehörknöchelchen können beschädigt oder ganz zerstört werden. Unbehandelt kann eine bleibende Hörstörung resultieren, die Erkrankung kann schlimmstenfalls auch tödlich enden.
Charakteristisch für ein Cholesteatom ist auch ein immer wiederkehrender, stark riechender Ausfluss aus dem betroffenen Ohr. Ein Cholesteatom muss von einem Spezialisten operativ entfernt werden. Weil das Krankheitsbild selten ist, wird es nicht von jedem HNO-Arzt als solches erkannt. Eltern sollten bei einem Verdacht auf jeden Fall einen Spezialisten in einer HNO-Klinik aufsuchen.
Bei einer Gehörgangentzündung ist der Bereich von der Ohrmuschel zum Trommelfell entzündet. Sie ist oft die Ursache von Ohrenschmerzen bei Erwachsenen und Jugendlichen. Außer den starken Schmerzen deutet eine gerötete und berührungsempfindliche, manchmal auch schuppige Haut im Gehörgang auf eine Otitis externa hin, zudem kann sich Flüssigkeit absondern. Die Schmerzen nehmen zu, wenn man am Ohrläppchen zieht. Betroffen sind vor allem Menschen, die viel tauchen, in nicht gechlorten Gewässern schwimmen oder ihre Ohren falsch reinigen. Wenn das schützende Milieu im Gehörgang gestört ist, können Keime leichter eindringen und das Gewebe infizieren.
In der Regel ist eine Otitis externa harmlos. Suchen Patienten einen Arzt auf, wird dieser erst einmal den Gehörgang reinigen. Danach kann der Arzt örtlich wirksame antiseptische und antimikrobielle Substanzen in den Gehörgang einbringen. Dazu tränkt er einen Mullstreifen mit den Medikamenten. Gefährlich wird die Otitis externa, wenn sich die Entzündung über den Gehörgang hinaus ausbreitet.
Für Menschen mit Diabetes oder einem geschwächten Immunsystem kann die Otitis externa sogar lebensbedrohlich sein. Sie haben ein erhöhtes Risiko für die Sonderform nekrotisierende Gehörgangentzündung (Otitis externa necroticans). Hier weitet sich die Entzündung auf den Schädelknochen und die Hirnnerven aus und zerstört tumorartig Gewebe. Es können sich Komplikationen wie eine Gesichtsnerv-Lähmung oder eine Osteomyelitis der Schädelbasis entwickeln. Patienten werden im Krankenhaus behandelt. Sie erhalten erregerspezifische parenterale oder orale Antibiotika für mindestens vier bis sechs Wochen.
Varizellen-Zoster-Viren können als Zweitmanifestation eine Gürtelrose im Bereich des Ohres verursachen (Herpes zoster oticus). Von der Krankheit, die mit starken, brennenden oder ziehenden Schmerzen und einem Ekzem auf der Ohrmuschel einhergeht, sind eher ältere Menschen betroffen. Da sich auch der Gesichtsnerv entzünden kann, leiden die Patienten mitunter nicht nur unter Ohren-, sondern auch unter Gesichtsschmerzen bis hin zu Lähmungserscheinungen. Es ist wichtig, die Infektion frühzeitig mit Virostatika zu behandeln, um Folgeschäden wie bleibende Lähmungen zu verhindern.
Bei einer Innenohrentzündung (Labyrinthitis, Otitis interna) handelt es sich um eine seltene, meist bakteriell bedingte Erkrankung. Schwerhörigkeit und Ohrgeräusche sowie Gleichgewichtsstörungen in Form eines Drehschwindels sind typische Symptome, Übelkeit und Erbrechen können ebenfalls auftreten. Ein weiteres Zeichen sind unkontrollierte Augenbewegungen zur kranken Seite (Reiz-Nystagmus). Es ist wichtig, die Innenohrentzündung frühzeitig zu behandeln, da sonst das Gehör und das Gleichgewichtsorgan dauerhaft geschädigt werden können und Komplikationen wie eine Hirnhautentzündung (Meningitis) auftreten können.
Zur Behandlung werden Patienten stationär aufgenommen und bekommen je nach Auslöser intravenöse Antibiotika oder Virostatika (Aciclovir). Die Symptome klingen nur langsam ab, sodass Geduld gefragt ist. Patienten halten in dieser Zeit Bettruhe und vermeiden schnelle Richtungsänderungen. Wenn das Mittelohr ebenfalls entzündet ist, kann der Arzt zur Entlastung das Trommelfell durchstechen. Damit sich die Öffnung nicht gleich wieder verschließt, bringt der Arzt ein sogenanntes Paukenröhrchen zur Drainage und Belüftung ein (Paukendrainage).
Bei Ohrenschmerzen gilt daher, dass diese nicht per se auf die leichte Schulter genommen werden sollten und sich Patienten besser zu früh als zu spät ärztliche Hilfe holen. Auf Hausmittel wie Infrarotlicht greifen sie nur zurück, wenn sicher ist, dass keine ernste Erkrankung vorliegt. Wenn rechtzeitig eine effektive Therapie eingeleitet wird, sinkt das Risiko, dass Komplikationen auftreten und Schäden irreversibel sind.