Wann Stress hilft und wann er schadet |
Heute jedoch ist diese »Fight-or-Flight«-Strategie überholt, und Industrialisierung und Transformation haben die Rolle des Säbelzahntigers übernommen. Mit allen Problemen: »Der globalisierte Turbokapitalismus führt zu einer ständigen Überlastung von denjenigen, die abhängig beschäftigt sind«, sagt der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.
Was das für Folgen hat, sieht Käfer an seinen Patienten. Denn im schlimmsten Fall macht permanenter Stress richtig krank – physisch und psychisch. Sichtbare Zeichen sind innere Unruhe, erhöhter Puls, Herzrasen, vermehrtes Schwitzen und muskuläre Verspannungen bis zu Ein- und Durchschlafstörungen. Auch akute Schübe bei Hauterkrankungen, Zähneknirschen oder Migräneanfälle können laut Peifer »stressgetriggert« sein. Langfristige Folgen reichen bis zu einem Burn-out, Depressionen oder chronischen Schmerzen.
Wie aber kann ich vorbeugen oder rechtzeitig die Reißleine ziehen? Woher weiß ich, wann Stress nicht mehr gut und förderlich ist, sondern zu einer Belastung wird? »Es kommt auf die Art der Stressoren, ihre Intensität und die Dauer an«, sagt Corinna Peifer. »Wenn es sich gut anfühlt, wenn ich das Gefühl habe, ich komme voran und habe danach etwas geschafft, dann ist der Stress positiv und motivierend.« Wenn er jedoch länger andauert – über mehrere Wochen oder Monate gar – kehrt sich die positive Wirkung ins Gegenteil um.
Damit es nicht so weit kommt, braucht es dringend Erholungspausen. Wobei nicht unbedingt wochenlange Auszeiten im Urlaub gemeint sind, sondern schon die kleinen Pausen am Wochenende, am Feierabend oder auch tagsüber. »Ich bin eine große Freundin von Bewegung und frischer Luft in der Mittagspause«, sagt die Stress-Forscherin.
Michael Käfer appelliert, sich sogenannte Coping-Strategien zuzulegen, also Verhaltensweisen und Techniken, die helfen, mit schwierigen Lebenssituationen umzugehen. Auch für ihn steht dabei viel Bewegung in der Natur an erster Stelle. »Das bringt uns dahin zurück, wo wir herkommen. Wir sind keine biologischen Maschinen, sondern beseelte Naturwesen.« Immer mehr Forschungen kämen zu dem Ergebnis, dass gerade Bewegung in der Natur extrem positive Effekte auf Kreislauf, Blutdruck und psychisches Wohlbefinden hätten.
Ebenso können neben Kreativität und Musik auch progressive Muskelrelaxation, Yoga, Meditation und Achtsamkeitstraining die eigene Resilienz, also Widerstandskraft gegen Belastungen, stärken. Vor allem dann, so Corinna Peifer, wenn man diese Dinge regelmäßig im Alltag macht und sich damit auch eine gewisse ausgeglichenere Grundhaltung aneignet. »Das unterstützt mich generell dabei, gelassener mit Stresssituationen umzugehen. «