Warum ältere Menschen anfälliger für Hitze sind |
Juliane Brüggen |
23.06.2025 12:30 Uhr |
Andauernde Hitze ist eine Herausforderung für den Körper, besonders bei älteren Menschen. / © Getty Images/FG Trade
Bei Hitzewellen denken viele Menschen zuerst an Länder wie Spanien oder Griechenland, aber das ist ein Fehlschluss. »Wenn Hitzeperioden durch Europa ziehen, ist Deutschland mittendrin«, betonte Professor Dr. Olaf Krause, der am Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin der MHH arbeitet und Chefarzt des Zentrums für Medizin im Alter der Henriettenstiftung Hannover ist. Von Hitzewelle spricht man, wenn die Temperatur mindestens drei Tage über 30 °C liegt. Besonders anstrengend wird es, wenn tropische Nächte hinzukommen, in denen die Temperatur nachts nicht unter 20 °C abfällt. Ist der Körper mit der Wärmebelastung überfordert, kann ein Hitzeödem, eine Hitzeerschöpfung oder gar ein lebensgefährlicher Hitzschlag die Folge sein. Auch kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall sowie Depression und Suizid treten laut Krause während Hitzeperioden häufiger auf.
Für ältere Menschen ist Hitze besonders gefährlich. Denn mit dem Alter verändert sich die Thermoregulation. Die Haut ist weniger gut durchblutet, und auch das Umverteilen von Blutvolumen in Richtung Hautkapillaren ist reduziert, wie Krause erklärte. Das beeinträchtigt die Wärmeabgabe über die Haut. »Ältere Menschen schwitzen später und weniger als junge Menschen.« Hinzu kommt ein vermindertes Durstgefühl und ein höherer Körperfettanteil: »Ältere Menschen haben deutlich weniger Körperwasser und sind deswegen besonders gefährdet, was eine Dehydratation angeht.« Bei älteren Menschen liege der Wassergehalt des Körpers etwa bei 50 Prozent – zum Vergleich: Bei Erwachsenen seien etwa 70 Prozent normal, bei Babys sogar bis zu 80 Prozent. »Hitze ist wirklich purer Stress für den älteren Menschen und Hitze ist tödlich«, warnte Krause. »Man muss ältere Menschen vor Hitze schützen.«
Ein Fokus sollte auf der Flüssigkeitszufuhr liegen. Für geriatrische Patienten – das heißt Personen über 70 Jahre mit Multimorbidität oder vulnerable Menschen über 80 Jahre – lautet die Empfehlung, täglich mindestens 20 ml pro Kilogramm Körpergewicht zu trinken, zusätzlich zum Essen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für ältere Menschen mindestens 1,3 bis 1,5 Liter pro Tag. »An heißen Tagen muss deutlich mehr getrunken werden«, ergänzte Krause – auch bei Herzinsuffizienz-Patienten könne man die Trinkmenge passager leicht erhöhen.
»So banal es auch ist, man muss bei älteren Menschen dafür sorgen, dass die Hürden, an Trinken zu kommen, nicht zu groß sind.« Das heißt zum Beispiel: Für ein vielfältiges Trinkangebot sorgen (nicht nur Leitungswasser, sondern auch Mineralwasser und Schorlen) sowie Gläser und (aufgedrehte) Flaschen in Reichweite stellen. Hilfreich sind außerdem Trinkprotokolle, Trink-Apps oder auch »Smartbottles«, die an das Trinken erinnern.
»Medikamente, die häufig bei älteren Menschen gegeben werden, verstärken das Problem Hitze noch«, erklärte Krause. Es gebe fünf zentrale Probleme:
Um zu verstehen, mit welchen Risiken bestimmte Arzneistoffe bei Hitze einhergehen, empfahl der Experte die »Heidelberger Hitzetabelle« unter www.dosing.de zurate zu ziehen. Hier werden auch mögliche ärztliche Maßnahmen genannt. Aktuell läuft außerdem das Projekt ADAPT-HEAT, aus dem ein Leitfaden zur hitzesensiblen Medikationsanpassung – die sogenannte Calor-Liste – entstehen soll, voraussichtlich wird diese ab 2026 verfügbar sein.
Krause nannte einige Beispiele für hitzekritische Arzneistoffe – »ACE-Hemmer und Sartane an vorderster Front«. Diese vermindern das Durstgefühl, was das Risiko für Hypovolämie und Exsikkose erhöht. »Auch die Kombination mit NSAR wie Ibuprofen oder Diclofenac und Diuretika kann als ›Triple whammy‹ für die Niere gefährlich sein, gerade im Sommer.«
Neben Parkinsonmitteln, die das Schwitzen beeinflussen, nannte der Experte Antipsychotika als besonders kritische Arzneimittelgruppe. Das Risiko für eine Hitzekrankheit sei aufgrund von Nebenwirkungen wie reduziertem Durstgefühl, vermindertem Schwitzen und einer Störung der Thermoregulation deutlich erhöht. Ebenfalls risikobehaftet seien transdermale therapeutische Systeme (TTS) mit potenten Wirkstoffen wie Opioiden oder Nikotin. Bei Hitze kann deutlich mehr Wirkstoff anfluten und potenziell Überdosierungen auslösen.
Was heißt das in der Konsequenz? Laut Krause sollten Ärzte in Hitzeperioden bei risikobehafteten Arzneistoffen oder -formen möglichst nicht die Dosis erhöhen und, sofern aus medizinischer Sicht legitim, die Dosis vorübergehend leicht reduzieren, zum Beispiel bei Diuretika oder ACE-Hemmern. Ein sinnvolles Instrument können auch sogenannte »Sick day rules« sein: Dabei bespricht der Arzt mit dem Patienten, bestimmte Medikamente kurzfristig auszusetzen, wenn eine Dehydratation droht, zum Beispiel bei starkem Durchfall oder Erbrechen. Das betrifft etwa ACE-Hemmer, Sartane, Diuretika, NSAR oder auch Metformin und SGLT2-Hemmer. Letztere können bei Flüssigkeitsmangel eine Ketoazidose auslösen, Metformin eine Lactatazidose. Ein wichtiger Aspekt dürfe auch nicht vergessen werden, betonte Krause: das Monitoring. Denn nach dem Ende der Hitzewelle muss die Dosis wieder auf das therapeutisch erforderliche Niveau angehoben werden.
»Im Bereich der alten Menschen gibt es eine Bevölkerungsgruppe, die besonders gefährdet ist: das sind ältere Heimbewohner«, betonte Krause. In Deutschland betreffe dies etwa 850.000 Menschen, Tendenz steigend. Dem Thema hat sich das MHH-Expertenteam angenommen und einen Leitfaden mit Tipps für Pflegeheime, Arztpraxen und Angehörige erstellt (»Hilfe bei Hitze in Heimen«, 2022, www.mhh.de). Von ärztlicher Seite werden zum Beispiel folgende Maßnahmen empfohlen: