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Digital Detox
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Warum bildschirmfreie Zeit so wichtig ist

Mit den digitalen Konsumgewohnheiten ist es ähnlich wie mit dem Essen: Die meisten Menschen wissen, was gut und was schädlich ist und in welchen Mengen. Danach zu handeln, fällt dennoch vielen schwer. Fachleute raten zu Selbstreflexion im Alltag und kleinen, realistischen Schritten.
AutorKontaktBarbara Erbe
Datum 09.12.2025  08:00 Uhr

Drei von vier Menschen entfernten sich heute niemals weiter von ihrem Handy als 1,5 Meter, berichtet der Wissenschaftler und Autor Professor Dr. Volker Busch. »Wir berühren unser Smartphone mehr als 2600-mal pro Tag; jeder Zehnte sogar über 5400-mal.« Kein Wunder, dass die Deutschen laut der Krankenkasse AOK täglich durchschnittlich 3,7 Stunden allein mit ihren Smartphones beschäftigt sind – zum Chatten, Shoppen, Spielen oder Online-Banking. Dazu kommen Tablet, PC und Co., sodass die Bildschirmzeit seit Jahren steigt – und damit auch Reizüberflutung und Stress.

Das betrifft gar nicht mal vorrangig die Arbeit, sondern besonders häufig die Freizeit. Denn auch wer meint, sich beim Browsen durch witzige Videos oder die neuesten Posts auf Instagram zu entspannen, tut dabei eher das Gegenteil, wie eine Studie der Universität Augsburg zur Nutzung digitaler Medien zeigt. Ihr zufolge lösen ungelesene Nachrichten und entgangene Anrufe ebenso Stress aus wie die gefühlte Verpflichtung, Neuigkeiten in den sozialen Netzwerken zu checken, eigene Erlebnisse online zu teilen oder bei der Lieblingsserie up to date zu sein. »Nicht zu schweigen von dem Stress, der durch technische Störungen, defekte Mediengeräte oder langsames Internet ausgelöst wird«, sagt Busch im Gespräch mit PTA-Forum.

Erste Ergebnisse der noch nicht vollständig ausgewerteten Studie zeigen, dass der Anteil der Medien am eigenen Stresslevel häufig nicht wahrgenommen wird. Das bestätigt auch die Diplom-Psychologin Sandra Jankowski, Mitglied im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. »Viele meiner Klienten sehen zunächst nur die Vorteile digitaler Medien und realisieren erst im Laufe des Gesprächs, wie sehr die ständige Erreichbarkeit, die Angst etwas zu verpassen, die Flut von Informationen und der immerwährende Vergleich mit anderen in den sozialen Medien ihr Gehirn im Alltag strapaziert.« Und dabei Symptome verursacht, die sie erst nach einigem Nachdenken mit ihrem Medienverhalten zusammenbringen: ein Gefühl von Hektik, Gereiztheit, fehlende Konzentrationsfähigkeit sowie Erschöpfung bei gleichzeitigen (Ein-)Schlafschwierigkeiten.

»Nixen statt Chillen«

Wer sich dagegen regelmäßig immer mal wieder von der digitalen Außenwelt entkoppelt, verschafft seinem Gehirn schöpferische Pausen, die der Erholung und der Wiederherstellung der geistigen Leistungsfähigkeit dienen, allen voran der Konzentration. Das erschöpfte Gehirn verhalte sich »wie eine Art Akku«, erläutert Busch, es sei wiederaufladbar: »Während einer geistigen Pause fließt Energie zurück.« Oft reichten schon wenige Minuten, um anschließend wieder ein bis zwei Stunden konzentriert arbeiten zu können. Entscheidend sei aber, dass die Akkus während dieser Pause nicht anderweitig beansprucht würden. »Wenn wir bei einer Zigarettenpause am Vormittag auf dem Handy eine Flugreise buchen oder beim Mittagessen in der Kantine nebenher am Laptop arbeiten, zieht das Energie.« Solche Aktivitäten seien daher auch keine echten Pausen, sondern eine Weiterführung der geistigen Anspannung.

Sein Rat: »Nixen Sie für 10 bis 15 Minuten!« Denn nur beim Nichtstun – also beim Nixen – fließe sämtliche Energie während der Aufladung in unsere Konzentrations-Akkus und stehe anschließend am Schreibtisch oder wo auch immer wieder zur Verfügung. So bekomme das Gehirn eine gute Chance, zuvor aufgenommene Informationen zu sortieren, zu ordnen und zu verknüpfen. »Salopp gesagt, unser Oberstübchen räumt in den Pausen auf.« Wesentlich dabei ist, dass es Bezüge herstellt zwischen den verschiedenen Informationen, es »assoziiert«. Von solch einer Offline-Pause profitiere auch das Gedächtnis enorm. »Wir speichern deutlich besser, was wir an Informationen aufgenommen oder gelernt haben, wenn wir uns für eine kurze Zeit mal von allem zurückziehen und entkoppeln.« Wie wichtig Pausen für den Prozess des Lernens und für das Gedächtnis sind, bestätigen auch Forschungsergebnisse des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie. Ihnen zufolge sind Pausen zwischen einzelnen Lernphasen entscheidend dafür, ob und wie nachhaltig erworbenes Wissen behalten wird.

Busch wiederum berichtet von einer US-amerikanischen Studie, bei der die Probanden lernen sollten, bestimmte Zahlenreihen mit dem Finger auf einer Tastatur zu tippen. Im Laufe der Übungen wurden sie dabei immer schneller. »Interessant war, dass sie sich nicht während der Fingerübung verbesserten, sondern immer, nachdem sie eine kurze Pause gemacht hatten.« Mittels Magnetenzephalografie fanden die Forschenden heraus, dass das Gehirn der Testpersonen die Fingerbewegungen in den anschließenden Pausen deutlich häufiger und schneller durchspielte als beim tatsächlichen Üben. »Pausen ersetzen natürlich nicht das Lernen in der Zeit davor. Aber sie ermöglichen eine anschließende optimale Verarbeitung im Gehirn danach.« Ein Effekt, der verloren geht, wenn das Gehirn infolge digitaler Ablenkung gar keine richtige Pause macht. »Wenn ich über den Wert und die Kraft der Gehirnpause spreche, geht es mir nicht darum, fortan digital enthaltsam zu leben, sondern lediglich darum, in einer immer lauter und voller werdenden Welt Kopffreiräume zu bewahren, in denen Sie sich geistig erholen und wieder Kraft tanken.«

Planen und Priorisieren

So wichtig bildschirmfreie Zeiten für Geist und Körper sind, so schwer falle es vielen Menschen, sie tatsächlich einzuhalten, berichtet Psychologin Jankowski – nicht zuletzt, weil digitale Aktivitäten auch die Ausschüttung von Hormonen wie Dopamin und Adrenalin auslösen, was zu einem Gefühl von Glück und Belohnung führt und süchtiges Verhalten fördern kann. Für einen gesünderen Umgang mit digitalen Medien empfiehlt sie kleine, realistische Schritte. So seien beispielsweise Push-Nachrichten häufige Konzentrationskiller. »Sie lassen sich aber leicht ausschalten, um das Gefühl zu reduzieren, ständig auf äußere Reize antworten zu müssen.« Bei der Arbeit, aber auch bei anderen Tätigkeiten, die Konzentration erfordern, hilft es, das Handy außer Sichtweite zu legen – oft zieht ja allein schon dessen Anwesenheit Aufmerksamkeit. Um dabei die Zeit im Blick zu behalten, sind die gute alte Armbanduhr oder der Wecker verlässlicher als das Handy, denn sie zeigen ganz ohne Ablenkung wirklich nur die Uhrzeit.

Feste Zeitfenster ohne digitale Geräte helfen ebenfalls, die Nutzung zu kontrollieren. Dazu zählen zum Beispiel gemeinsames Essen mit Familie oder Freunden, die Stunde vor dem Schlafengehen oder beim Sport. Digitalfreie Zonen in Haus oder Wohnung, etwa im Schlafzimmer oder am Esstisch, können dazu motivieren, wahre Pausenmomente zu genießen. Ganz zu schweigen von Alternativen wie Spaziergängen, dem Lesen eines Buches oder einem persönlichen Gespräch. Wichtig ist auch, bewusst Automatismen zu durchbrechen, wie beispielsweise an der Bushaltestelle grundsätzlich das Handy herauszuholen. »Warum nicht einfach mal den Blick schweifen lassen und sich eine kleine gedankliche Auszeit nehmen? Oder, wenn man länger warten muss, ein Buch lesen?« Auf alle Fälle sei es mehr als lohnenswert, regelmäßig die eigenen digitalen Gewohnheiten und Zeiten zu reflektieren und sich bewusst zu machen, wie sie sich auf den persönlichen Alltag auswirken – »allein das gibt schon mehr Überblick und auch Motivation.«

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