Warum lügen nicht immer schlecht ist |
Oft sind Aprilscherze politisch unkorrekt, derb und gehen auf Kosten einzelner. Doch hat der Scherz in den vergangenen Jahrhunderten auch Hierarchien durchbrochen, sagt Kulturwissenschaftler Hirschfelder. »Vor 100 Jahren war das Hausmädchen noch Opfer des Aprilscherzes. Gegenüber ihrem Hausherrn durfte sie allerdings noch lange keinen machen.« Heute sehe das anders aus.
Die moderne Gesellschaft habe den Humor quasi ausgelagert, sagt Hirschfelder. »Wir haben die Produktion von Witz und Scherz an eine professionelle Reflexionselite delegiert, und die heißt dann meinetwegen Mario Barth oder so.« Comedians seien heute dafür zuständig, Witze zu machen. »Das heißt, wir sind von einer Gesellschaft, die selber witzig ist, zu einer Gesellschaft geworden, die sich Witze einkauft.« Kaum jemand traue sich deshalb noch, selbst Witze zu machen.
Auch deshalb stecke der Aprilscherz in der Krise. »Ich habe den Eindruck, dass wir an einem der üblichen Wendepunkte in der Kultur sind, wo wir eine ganze Reihe von Kulturmustern verlieren und neue bekommen«, sagt Hirschfelder. Das gelte auch für Feiertage wie etwa Pfingsten oder den von manchem gefürchteten Freitag, den 13. Bis ins 21. Jahrhundert hinein hatte der Aprilscherz Konjunktur, auch in den Medien. In Zeiten digitaler Meetings und sozialer Medien sei er aber nur noch eingeschränkt zeitgemäß, betont Hirschfelder. »Der Aprilscherz wird sich entweder verändern oder verschwinden. Aber wie alles andere in der Kultur kann er nicht so bleiben, wie er ist.«
Schon bei der Tradition des Aprilscherzes scheiden sich die Geister. Eine klare Herkunftsgeschichte gibt es nicht. Allerdings ist eine Annahme laut Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder von der Universität Regensburg weit verbreitet: Eine Kalenderreform von Karl IX. in Frankreich soll der Auslöser für den alljährlichen Lügentag gewesen sein. Der Monarch verschob 1564 den Jahreswechsel vom 1. April auf den 1. Januar. Alle, die aus Unwissenheit oder Tradition weiter am 1. April Neujahr feierten, wurden als Narren verspottet.