Warum sich Blutspenden lohnt |
Barbara Döring |
05.05.2023 15:00 Uhr |
Viele Menschen sind hochmotiviert, durch eine Blutspende etwas für das Gemeinwohl zu tun. / Foto: Adobe Stock / Denira
Blut ist ein besonderer Saft und unser Lebenselixier. Diese Redensart kommt nicht von ungefähr. Denn Blut versorgt die Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen, ohne die sie nicht funktions- und lebensfähig wären. Dreieinhalb bis sechs Liter strömen durch jeden Menschen und halten das gesamte System am Laufen. Schon wenn dem Körper ein Liter Blut verloren ginge, würde es brenzlig. Verliert ein Mensch bei einem Unfall oder einer großen Operation größere Mengen, muss das Blut schnell ersetzt werden. Der Patient ist dann auf Blut angewiesen, das ein anderer Mensch zuvor gespendet hat. Denn die Mischung aus Wasser, Salzen und Milliarden von Zellen und Zellbestandteilen lässt sich nicht synthetisch herstellen.
»Blutprodukte, die aus Blutspenden gewonnen werden, sind für die Patienten unerlässlich«, sagt Professor Dr. Michael Müller-Steinhardt, Ärztlicher Institutsdirektor des DRK-Blutspendedienstes Baden-Württemberg-Hessen und Stellvertretender Institutsleiter des Instituts für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie in Mannheim, gegenüber PTA-Forum. Und das nicht nur, weil Blut verloren gehen kann. »Es gibt viele Krankheitsbilder und Behandlungsverfahren, bei denen Blut benötigt wird, zum Beispiel bei einer Chemotherapie oder weil die Grunderkrankung, wie eine Reihe bösartiger oder chronischer Erkrankungen, zu einer Blutarmut führt«, erläutert Müller-Steinhardt. Die Patienten haben nicht mehr genug Blutkomponenten wie rote Blutkörperchen (Erythrozyten) zum Transport von Sauerstoff oder Blutplättchen (Thrombozyten), die für die Blutgerinnung und Blutstillung zuständig sind. Auch Plasmaeiweiße müssen bei manchen Patienten ersetzt werden, zum Beispiel bei Gerinnungsstörungen. Statistisch ist jeder dritte Bundesbürger einmal im Leben darauf angewiesen, dass ein anderer Mensch ihm Blut spendet. Um für solche Fälle Blutprodukte zu gewinnen oder daraus spezielle Präparate herzustellen, sind Blutspenden erforderlich.
Die Medizin ist dabei auf regelmäßigen Nachschub angewiesen. Täglich werden in Deutschland 15.000 Blutspenden benötigt, doch die Haltbarkeit von Blutprodukten ist sehr begrenzt. Rote Blutkörperchen halten maximal 42 Tage, Thrombozyten in der Regel nur vier Tage. Die einzigen Blutprodukte, die relativ unkompliziert gelagert werden können, sind Frischplasmen, die bei minus 30 Grad Celsius bis zu zwei Jahre lang haltbar sind. »Durch die nur kurzfristige Lagerbarkeit der Erythrozyten und Thrombozyten sind wir permanent auf Blutspenden angewiesen, um die Versorgung der Krankenhäuser zu gewährleisten«, sagt Müller-Steinhardt. »Bei mehreren Feiertagen hintereinander, wie an Ostern oder Weihnachten, kommen wir manchmal schon an die Grenze dessen, was benötigt wird.« Dann sind mitunter zusätzliche Blutspendeaktionen über die Feiertage nötig, um die Versorgung sicherzustellen.
Alle großen Blutspendedienste in Deutschland planen ihre Aktionen ein Jahr im Voraus. So sind in Baden-Württemberg und Hessen 650.000 bis 700.000 Vollblutspenden im Jahr vorgesehen. Auch die kleineren kommunalen Blutspendedienste, die oft nur das Krankenhaus in der Nachbarschaft versorgen, können nicht von heute auf morgen auf Spenden hoffen und planen langfristig. Zudem müssen auch in Phasen, in denen weniger Blutprodukte benötigt werden, die Spenden anpasst werden. »Es ist nicht sinnvoll, zu viel entgegenzunehmen und hinterher möglicherweise zu verwerfen«, weiß Müller-Steinhard. Die Blutspendedienste haben die Bestände und den Bedarf deshalb sehr genau im Blick und die Möglichkeit, mit Kampagnen in Radio, Fernsehen oder in den sozialen Medien zur Spende aufzurufen, wenn die Planung nicht reicht.
Die Bereitschaft der Bevölkerung zu spenden ist hoch. »Untersuchungen zeigen, dass auch im Lock Down durch die Corona-Pandemie viele Menschen hochmotiviert waren, etwas für das Gemeinwohl zu tun«, so der Experte. Doch die Menschen müssten weiter zur Spende motiviert werden, da in den nächsten Jahren eine neue große Herausforderung anstehe: der demografische Wandel. Ein Großteil der aktiven Blutspender ist zwischen 50 und 70 Jahre alt. Diese geburtenstarken Jahrgänge werden in den nächsten zehn bis 20 Jahren als aktive Blutspender ausfallen, weil sie die Grenze von 72 Jahren, bis zu der eine Spende möglich ist, überschreiten. Gleichzeitig steigt in dieser Altersgruppe die Zahl der Menschen, die selbst erkranken und sich dann nicht mehr als Blutspender eignen.
Verstärkt wird das Problem, da die Jahrgänge, die jetzt volljährig werden und potenziell spenden können, kleiner sind und deshalb nicht so viel jüngere Leute nachkommen. Die andere Seite des Problems ist, dass statistisch betrachtet Menschen ab dem 65. Lebensjahr am meisten Blutprodukte benötigen. »Mit dem demografischen Wandel gehen uns nicht nur die geburtenstarken Jahrgänge als Spender verloren, sondern die Gruppe der Patienten, die Blutprodukte brauchen, wird in den nächsten zehn Jahren deutlich steigen«, erklärt der Hämatologe.
In der Altersgruppe der über 65-Jährigen sind es vor allem Krebserkrankungen des blutbildenden Systems, die zu einem hohen Bedarf an Blutprodukten führen. Dazu kommen größere, kompliziertere chirurgische Eingriffe und moderne Behandlungsverfahren wie Chemotherapie und Bestrahlung, die eine Blutarmut verstärken. Dagegen seien Hüftgelenksoperationen heute Routineeingriffe, bei denen in der Regel keine Blutprodukte gebraucht werden, wenn keine Komplikationen auftreten, erklärt der Transfusionsmediziner.
Zurzeit gehen 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung zwischen 18 und 72 Jahren, die potenziell dazu fähig sind, zur Blutspende. Das bedeutet: 97 Prozent verlassen sich demnach auf diesen kleinen Teil der Gesellschaft. Laut Müller-Steinhardt wird das künftig nicht mehr reichen. Vier bis sechs Prozent müssten es sein, damit die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet ist. »Eine Blutspende sollte so selbstverständlich sein wie der Besuch beim Zahnarzt oder andere Vorsorgeuntersuchungen«, betont der Mediziner. Schließlich könnte jeder einmal in die Situation kommen, selbst ein Blutprodukt zu benötigen.
»Blutspenden tut nicht weh und die Einschränkungen, die man hat, sind überschaubar«, sagt Müller-Steinhardt. Jeder, der zwischen 18 und 68 Jahre alt ist und mindestens 50 kg wiegt, kann etwas von seinem Lebenssaft abgeben, wenn er gesund ist. Um das zu klären, erfolgt vor der ersten Blutspende eine Eignungsprüfung. Mit einem medizinischen Fragebogen und einer körperlichen Untersuchung lässt sich dabei feststellen, ob sich ein Mensch grundsätzlich als Blutspender eignet oder ob medizinische Gründe dagegen sprechen. Das wären zum Beispiel Herz-Kreislauferkrankungen oder ein angeborener Herzfehler. Nicht nur der Spender wird damit vor Risiken geschützt. Auch für den Empfänger soll es keinen Nachteil geben, indem etwa Infektionskrankheiten übertragen werden.
»Bei jeder weiteren Spende folgt eine Tauglichkeitsbeurteilung, um zu sehen, ob jemand am entsprechenden Tag spendentauglich ist«, erklärt Müller-Steinhardt. So können bestimmte Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit wie Tätowierungen oder Piercings dagegen sprechen. Hier gilt eine sogenannte Rückstellungsfrist von vier Monaten, da Infektionskrankheiten wie Hepatitis übertragen werden könnten. Wer beim Zahnarzt zur Zahnreinigung war, würde etwa 24 Stunden zurückgestellt, da bei der Behandlung Bakterien in den Blutkreislauf gelangt sein könnten. Danach sind Spenden wieder möglich. Zudem ist gesetzlich vorgeschrieben, dass anlässlich jeder Spende auf die wichtigsten Infektionskrankheiten Hepatitis B, C und E, HIV und Syphilis getestet wird. Würde dabei, etwa nach einem Auslandsaufenthalt, eine Hepatitis-B-Infektion festgestellt, wären zeitlebens keine Blutspenden mehr möglich.
Wenn Spenderblut auf einen Patienten übertragen werden soll, muss das Blut beider Personen miteinander verträglich sein. Das hängt von der Blutgruppe ab, einem individuellen Blutmuster, das vor allem von bestimmten Eiweißen und Zuckermolekülen auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen bestimmt wird.
Insgesamt 29 Blutgruppensysteme sind bekannt, wobei klinisch vor allem drei entscheidend sind: Das ABO-, das Rhesus- und das Kell-System. Beim ABO-System unterscheidet man die Blutgruppen A, B, AB und 0. Das Rhesus-System unterteilt sich in Rhesusfaktor positiv (Rh+) und Rhesusfaktor negativ (Rh-). Auch beim Kellfaktor wird zwischen Kell-positiv (K) und Kell-negativ (k) unterschieden. Die häufigsten Blutgruppen sind A und 0.
Die Blutgruppe 0- ist besonders begehrt, weil damit auch Patienten mit jeder anderen Blutgruppe versorgt werden können. Sie wird deshalb auch als Universalblutgruppe bezeichnet. Der Bedarf an Spendern mit Blutgruppe 0- ist deshalb besonders hoch. Aber auch Spender mit den Blutgruppen A, B und AB sind wichtig, da Patienten im Idealfall mit ihrer eigenen Blutgruppe versorgt werden sollen.
Jedes Risiko soll vor einer Blutspende so gut es geht ausgeschlossen werden, um den Empfänger nicht unnötig zu gefährden. Doch bestehende Infektionen lassen sich mit dem Bluttest nicht hundertprozentig nachweisen. Blutspendedienste sind deshalb darauf angewiesen, dass alle Fragen ehrlich beantwortet werden, zum Beispiel auch zu besonderen Risiken aufgrund des Sexualverhaltens. So ist bis zur nächsten Blutspende eine Wartezeit von vier Monaten vorgesehen, wenn Männer in der jüngeren Vergangenheit mehrere männliche Sexualpartner hatten. Statistisch betrachtet besteht dann ein erhöhtes Risiko für HIV und Lues (Syphilis). Für einen Mann, der monogam in einer festen Beziehung mit einem Partner lebt, gibt es dagegen keine Rückstellfrist. Zurzeit ist jedoch in der Diskussion, diese Befragung zu untersagen, da sie als diskriminierend betrachtet werden könnte.
Neben Hepatitis B, C und E sowie HIV und Lues wird jedesmal standardmäßig der rote Blutfarbstoff bestimmt, um sicher zu sein, dass der Spender selbst über genügend rote Blutkörperchen verfügt und keinen Eisenmangel hat. Das Eisen wird nicht direkt bestimmt, da der Test zu zeitaufwändig ist. Der rote Blutfarbstoff lässt sich dagegen viel einfacher und direkt vor Ort anhand des Hämoglobinwerts feststellen. Dafür werden aus dem Finger ein paar Tropfen Blut gewonnen. Anhand von Grenzwerten lässt sich so schnell erkennen, ob jemand tauglich ist, Blut abzugeben oder nicht.
Wer sich für eine Blutspende entscheidet, muss dafür nicht mehr als etwa eine Stunde einplanen. Ein Termin in der näheren Umgebung lässt sich im Internet reservieren. Vor Ort nehmen Mitarbeiter zunächst die Personalien auf und man wird als Spender registriert. Das ist wichtig, um jede Person kontaktieren zu können, falls im Rahmen der Spende medizinische Auffälligkeiten entdeckt werden. In Deutschland ist es deshalb nicht möglich, anonym Blut zu spenden. Ein Blutspendeausweis, in dem auch die eigenen Blutgruppenmerkmale notiert sind, wird in der Regel ab der zweiten Spende vergeben.
Vor der eigentlichen Blutentnahme ist der Fragebogen mit 30 medizinischen Fragen zu beantworten, den der Arzt anschließend mit dem Spender noch einmal durchgeht. »Die klassische Vollblutspende dauert dann nicht länger als sieben bis zehn Minuten, bis der halbe Liter in den Entnahmebeutel gelaufen ist«, erklärt Müller-Steinhardt. Danach sollte sich der Spender vor Ort noch etwas erholen und den vom Blutspendedienst angebotenen Imbiss einnehmen und genug Trinken, um sich zu stärken und den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen. Gerade beim ersten Mal sollte man genug Zeit einplanen, um nicht unter Druck zu geraten und etwa dem Bus hinterherrennen zu müssen. Bis man selbst wieder mit dem Auto oder Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen kann, ist ein Puffer von einer Stunde wichtig. Nach der ersten Spende sollte man nicht gerade noch eine Klausur schreiben, die Examensprüfung ablegen oder eine große Reise vor sich haben, empfiehlt Müller-Steinhardt, der selbst den Abend nach einer Blutspende am liebsten in Ruhe ausklingen lässt. Am nächsten Tag sei man im Allgemeinen wieder fit, auch um Sport zu treiben.
Urlaub nehmen muss man sich für die Spende also nicht. Beim ersten Mal Blutspenden ist es allerdings ratsam, sich möglichst keinen Termin am Morgen geben lassen, um nicht noch den ganzen Arbeitstag vor sich zu haben. Wer einen Beruf mit besonderer Verantwortung hat, etwa Busfahrer, Piloten oder Lokführer, sollte nach der Blutspende prinzipiell nicht arbeiten gehen. Davor empfiehlt Müller-Steinhardt, ganz normal zu essen, um auf keinen Fall nüchtern zur Spende zu kommen. Je nach Termin sei ein ausgewogenes Frühstück oder eine warme Mahlzeit zu Mittag ideal. Sinnvoll wäre, am Spendetag einen Liter mehr zu trinken, zum Beispiel Mineralwasser, damit der Körper genug Flüssigkeit hat, um den Blutverlust schnell zu kompensieren. Die Befürchtung, gesundheitliche Nachteile zu erleiden, ist unbegründet. »Da wir vor jeder Spende den roten Blutfarbstoff messen, ist das Risiko, hinterher blutarm zu sein, fast Null«, sagt der Experte. Wer sich an die Vorsichtsmaßnahmen hält und sich eine gewisse Erholungszeit gibt, für den seien die gesundheitlichen Risiken minimal. Die einzige Einschränkung könnte sein, dass man direkt danach etwas müde ist und nicht ganz so fit.
Frauen können theoretisch viermal im Jahr zur Blutspende gehen, Männer sechsmal. »Wichtig ist vor allem, dass die Spenden in den Alltag passen und man sich damit wohlfühlt.« Die meisten regelmäßigen Spender würden zwei- bis dreimal im Jahr einen Termin wahrnehmen. Als individuellen Vorteil nennt er den regelmäßigen Arztkontakt, der die Betreuung durch den Hausarzt zwar nicht ersetzt, aber sinnvoll ergänzen kann. So kommt es vor, dass Spendern nahegelegt wird, zeitnah den Hausarzt aufzusuchen, weil bei ihnen auffällige Blutdruck- oder Pulswerte festgestellt wurden. Doch mehr als ein persönlicher Nutzen bedeutet es den meisten Menschen mehr, mit ihrer Spende etwas für das Gemeinwohl zu tun. Eine selbstlose Geste, die im eigenen Notfall belohnt wird.
Wer beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) einmal gespendet hat, kann sich mit der App »Meine Blutspende« beim digitalen Spenderservice registrieren und wird dann tagesaktuell informiert, wann die nächste Spende möglich ist. Hier finden sich zudem passende Wunschtermine, die man über die App reservieren kann. Die App bietet außerdem ein Forum, in dem man sich mit anderen Spendern über Erfahrungen austauschen kann. Aktuelle Termine für eine Blutspende finden sich zudem auf der Website des DRK unter www.drk-blutspende.de.