Warum wir lieber wegschauen |
Wenn man sich fühlt als hätte man keinen Handlungsspielraum, verdrängt man Probleme oftmals. / Foto: Getty Images/DoubleAnti
Unangenehme Dinge werden gerne verdrängt, zum Beispiel die nächste Steuererklärung oder ein längst überfälliger Zahnarzttermin. Auch der Klimawandel reiht sich in die Liste der Themen, die viele gedanklich gerne mal beiseiteschieben. Dabei sollte das Ausmaß der Folgen eigentlich in höchste Alarmbereitschaft versetzen: Hitzerekorde, Dürren und Überschwemmungen machen längst auch in Deutschland regelmäßig Schlagzeilen.
Doch anstatt ins Handeln zu kommen, wird eine Auseinandersetzung mit dem Thema gerne auf später verschoben. Der Psychologin Lea Dohm zufolge ist dieses Verhalten für den Menschen typisch und an sich nicht ungewöhnlich: »Wir brauchen Verdrängung, damit wir uns im Alltag fokussieren können«, sagt Dohm. »Auch psychisch kerngesunde Menschen verdrängen immerzu irgendwas.« Bestimmte Themen müssten ausgeblendet werden, um nicht permanent gestresst zu sein. Die Expertin ist Psychotherapeutin bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit und Mitinitiatorin des Vereins Psychologists for Future.
»Bei Klimathemen klappt das Verdrängen noch ganz gut. Wenn ich einfach bestimmte Nachrichten vermeide oder vielleicht bestimmte Menschen, die mich immer wieder darauf ansprechen, dann kann es ganz gut gelingen, das im Alltag auszublenden«, sagt Dohm. Bei einer Befragung des Projekts Planetary Health Action Survey (PACE) im September 2023 mit rund 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gaben knapp ein Drittel davon an, sich selten oder nie über den Klimawandel zu informieren.
Im Gegensatz zu Erwachsenen ist die psychische Abwehrstrategie von Kindern und Jugendlichen laut Dohm weniger gefestigt. Deswegen neigten sie eher dazu, die Klimakrise als belastend wahrzunehmen. Das hänge aber sicher auch damit zusammen, dass sie die Konsequenzen des Klimawandels viel länger miterleben müssten, sagt die Psychologin.
Egal ist das Thema vielen Menschen auf jeden Fall nicht – das zumindest zeigt eine Studie, die dieses Jahr vom Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt (Uba) veröffentlicht wurde. Bei der repräsentativen Bevölkerungsumfrage bewerteten 57 Prozent der Befragten das Thema Umwelt- und Klimaschutz als »sehr wichtig«. 85 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nehmen bereits sehr starke oder starke Auswirkungen des Klimawandels in Form von anhaltender Trockenheit, Niedrigwasser und Dürren wahr.
Die Klimakrise könne überfordern und unangenehme Gefühle hervorbringen, sagt Dohm. Dass viele Menschen die Probleme trotz eines scheinbar großen Bewusstseins verdrängen, kann ihr zufolge folgenden Grund haben: »Das Problem ist, dass Menschen keine wirksamen Handlungsmöglichkeiten kennen. Wir wissen, dass das Wissen um die Klimakrise dann besser psychisch verarbeitet wird und Menschen das Thema eher auf dem Schirm haben, wenn sie gleichzeitig den Eindruck haben: Ich kann aktiv was tun.«
Dabei müssten Menschen, die sich einbringen möchten, nicht auf einen Schlag ihr ganzes Leben umkrempeln, meint die Psychologin. »Sie dürfen Bratwurst essen und sich für den Klimaschutz einsetzen.« Niemand in der Gesellschaft sei frei von Schuld. Ein großer Einfluss lasse sich vor allem durch gemeinschaftliches Handeln nehmen.