Warum wir uns manchmal langweilen |
»Wenn wenig an Reizen von außen kommt, dann neigt das Gehirn dazu, das Kopfkino anzuschalten«, sagt Schultheiss. Tagträumen sei eine Strategie gegen Langeweile, die Kreativität freisetzen könne. »Wir brauchen diese Auszeit für unser Gehirn.« Langeweile an sich sei wichtig, habe aber keinen Selbstzweck, meint Bieleke. »Ich glaube, dass wir immer abwägen müssen, wofür will ich diese aushalten.« In der Schule könne das zum Beispiel Sinn machen, damit man etwas lernt und gute Noten bekomme. Auch bei chronischer Langeweile plädiert Ohlmeier dafür, diese auch mal zuzulassen. Wer sich die Woche mit Terminen vollstopfe, betäube nur das Gefühl, sagt sie. »Es ist wichtig, hinzuschauen, sich die Langeweile einzugestehen, um langfristig etwas ändern zu können.«
»Langeweile ist ein unangenehmes Gefühl und Leute tun sehr viel, um dem zu entkommen«, sagt Ohlmeier. »Aber der Impuls gibt uns keine Richtung vor. Dass Langeweile per se kreativ macht, ist ein Mythos.« Studien zeigten zwar, dass Langeweile als noch unangenehmer empfunden werde als Anstrengung, erläutert die Soziologin. »Was wir in der Langeweile unternehmen, hat aber auch viel damit zu tun, was wir sonst im Leben machen.« Wer viel Fernsehen schaue, werde eher mit Fernsehen als mit Sport die Langeweile bekämpfen.
Langeweile ist nach Angaben von Ohlmeier nicht so sehr eine Frage fehlender Quantität, sondern mangelnder Qualität. Man kann also viel zu tun haben, das aber als monoton oder als sinnlos empfinden, sich dabei unterfordert oder überfordert fühlen. Ein Beispiel dafür könne die Elternzeit sein, wo Mütter und Väter die ganze Zeit mit dem Kleinkind beschäftigt seien – und sich dabei zum Teil trotzdem langweilten, weil ihnen die Zeit für sich selbst und ihre kognitiven Fähigkeiten fehle, sagt Ohlmeier. Auch Menschen mit vermeintlich spannenden Berufen wie Chirurgen oder Rechtsanwälte könnten sich langweilen, wenn sie eigentlich etwas anderes werden wollten.
Extreme Langeweile macht müde, man fühlt sich antriebslos und ausgebrannt. »Wenn wir erstmal richtig gelangweilt sind, können wir uns schwer zu etwas aufraffen«, sagt Ohlmeier und erzählt, dass sie während ihrer Ausbildung selbst an so einem »Boreout« gelitten habe. »Lange Phasen der Langeweile sind nicht Entspannung. Es stresst uns und macht uns unruhig.« Auf Dauer könne chronische Langeweile erhebliche Folgen haben wie Depressionen, Essstörungen und Suchterkrankungen.