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Schluss mit dem Tabu

Was bei Beckenbodenbeschwerden hilft

Über Inkontinenz und Senkungsbeschwerden spricht keine Frau gerne. Doch bei Beckenbodenleiden können Betroffene einiges tun: Kleine Änderungen im Alltag, gezielte Physiotherapie, Hilfsmittel und/oder Estrogen können die Lebensqualität verbessern.
AutorKontaktAnna Carolin Antropov
Datum 16.02.2023  14:30 Uhr

Wer bei Beckenbodenbeschwerden nur an inkontinente Rentnerinnen denkt, irrt. »Probleme äußern sich sehr unterschiedlich«, erklärt Julia Schmidmayr im Gespräch mit PTA-Forum. Sie ist Physio Pelvica Therapeutin und führt eine Privatpraxis für Beckenboden-Physiotherapie. »Oft kommt vorschnell dieser Inkontinenz-Stempel, aber es gibt auch Schmerzsyndrome an Beckenboden oder Genitalien, Rückenschmerzen oder eine Organsenkung – und zwar leider gar nicht so selten.« Letztere heißt im Fachjargon »Descensus genitalis«. Dabei können Gebärmutter, Blase und/oder Enddarm vom Beckenboden nicht mehr in ihrer korrekten Position gehalten werden und rutschen förmlich nach unten. Das fühlt sich dann an, als sitze ein Tampon nicht richtig in der Scheide oder als wollen gar die Organe herausfallen. »Bei einem Druck nach unten oder einem Fremdkörpergefühl sollte man hellhörig werden«, mahnt die Expertin.

Tatsächlich sind Frauen von jung bis alt von Beckenbodenbeschwerden betroffen. Je nach Ausprägung ist die Lebensqualität deutlich beeinträchtigt, auch die Sexualität leidet. »Viele denken, es ginge nur ihnen so und finden sich mit ihren Symptomen ab – doch auch im Alter sollte man sie nicht einfach hinnehmen«, ermuntert Schmidmayr. Denn therapeutisch gibt es einige Optionen: Sie reichen von Lebensstilanpassungen und gezieltem Beckenbodentraining über Hilfsmittel wie Pessare, Estrogentherapie und/oder Elektrotherapie bis hin zur Operation.

Selbst aktiv werden

Ansprechpartner bei Symptomen ist zunächst der Gynäkologe oder Urologe. Er kann erste Befunde erheben und Beckenboden-Physiotherapie, Hilfsmittel sowie Arzneimittel verordnen. Bei Bedarf erfolgt eine weiterführende Diagnostik in einem Beckenbodenzentrum, beim Urogynäkologen oder Proktologen. Denn auch Stuhlinkontinenz, Hämorrhoiden und Co. fallen mitunter in den Bereich des Beckenbodens.

Alternativ dürfen Betroffene natürlich auch direkt einen Beckenboden-Physiotherapeuten um Rat bitten. Eine Therapeutenliste finden Betroffene online bei der Arbeitsgruppe AG GGUP (Gynäkologie, Geburtshilfe, Urologie, Proktologie) oder auf der Webseite des Tanzberger-Konzepts®. Dieses Therapiekonzept orientiert sich ebenfalls an der funktionellen Anatomie und Physiologie und wird zur Prävention sowie Therapie bei Funktionsstörungen eingesetzt.

Denn wie jeder Muskel kann auch der Beckenboden durch gezielte Übungen gestärkt, gelockert und trainiert werden. Er ist aus drei Muskelschichten aufgebaut und hält Organe an Ort und Stelle. »Mir ist es ein großes Anliegen, dass sich jede Frau mit dem eigenen weiblichen Körper auseinandersetzt«, betont die Physiotherapeutin. »Ich leite oft meine Patientinnen an, einmal bewusst die knöchernen Strukturen von Becken, Steißbein und Sitzbeinhöcker abzutasten und sich dann vorzustellen, dass dort ein Tuch aufgespannt ist.«

Der Damm zwischen Anus und Scheide stellt das Zentrum dar. »Er darf und soll angefasst und beobachtet werden: Was passiert beim Atmen, beim Lachen oder Husten?«, ermuntert sie zur Selbst-Erkundung. Die äußere Schicht verläuft achtförmig um Anus, Scheide und Harnröhre und wirkt als Schließmuskel.

Natürlich haben auch Männer einen Beckenboden. Er hat nur zwei statt drei Öffnungen und weist eine andere Gewebestruktur auf. Zudem fallen Geburten naturbedingt weg, sodass Beschwerden bei ihnen deutlich seltener auftreten. Bei Männern äußern sie sich als Schmerzsyndrom, Erektionsstörung oder Inkontinenz. Sie können unter anderem nach Prostata-Operationen entstehen.

Haltung und Atmung

Ob Mann oder Frau: Der Beckenboden sollte nie isoliert, sondern mit seinen funktionellen Zusammenhängen betrachtet werden. Eine erfolgreiche Beckenboden-Physiotherapie besteht daher nicht nur aus »Aufzug fahren« und gezieltem An- und Entspannen, sondern schließt eine Umstellung alltäglicher Bewegungen ein. Dazu gehören die richtige Körperhaltung und Atmung ebenso wie aktives Treppensteigen und Beckenboden-gerechtes Gehen, Sitzen und beispielsweise Anheben von einem Korb nasser Wäsche.

Eine schlechte Körperhaltung schwächt den Beckenboden, während eine optimale Aufrichtung erst seine ideale Stützfunktion ermöglicht. Hohlkreuz und Rundrücken mit nach vorne fallenden Schultern gehören besser der Vergangenheit an. Stattdessen sollten wir uns möglichst oft im Alltag aufrichten und unser Becken in eine neutrale Position bringen.

Das Zwerchfell verläuft wie ein parallel gespanntes Tuch zum Beckenboden. Daher gehören auch Atmung und Beckenboden eng zusammen. Beide schwingen synchron mit der Atmung auf und ab – und das dürfen sie auch. »Viele Patienten glauben, dass nur ein schwacher oder verletzter Beckenboden Probleme bereitet«, so Schmidmayr. »Manchmal ist der Muskel aber verspannt und kann nicht mehr lockerlassen.« Ein Beckenboden mit zu viel Spannung sei ebenso wenig leistungsfähig. Ihrer Erfahrung nach sei die richtige Atmung dann besonders wichtig.

Pessare lindern Beschwerden

Unterstützend kommen Hilfsmittel wie Pessare zum Einsatz. Sie sind in unterschiedlicher Größe und Form erhältlich, haben aber alle das gleiche Ziel: »Das Pessar verhilft den Strukturen, wieder an die eigentlich gewünschten Orte und Stellen zu kommen.« Es unterstützt also die Stützfunktion und entlastet den Beckenboden. »Training mit dem Pessar ist aber nicht weniger produktiv, ganz im Gegenteil«, erklärt Schmidmayr. Schließlich werde eine optimale Körperstruktur benötigt, um erfolgreich trainieren zu können. Einige Frauen brauchen das Pessar jeden Tag, andere nur gezielt bei sportlicher Belastung.

Gynäkologen können Pessare als Hilfsmittel auf Kassenrezept verordnen. Passt es nicht ideal, sollten Patientinnen Rücksprache mit ihrem Arzt halten und eine andere Größe oder Form ausprobieren. Im deutschsprachigen Raum werden hauptsächlich Ring-, Siebschalen- und Würfelpessare eingesetzt. Meistens setzt die Patientin das Pessar selbst ein und entfernt es über Nacht. Typischerweise empfehlen Ärzte zusätzlich eine lokale Estrogencreme. Sie kann als Gleitcreme verwendet werden und schützt bei einer Pessartherapie vor lokalen Reizungen oder Blutungen.

»Der weibliche Beckenboden hat einen hohen Anteil von Bindegewebe. Im Verlauf des Alterns wird das Bindegewebe schwächer – und wenn das Gewebe Estrogen verliert, verliert es zugleich an Stabilität«, weiß Schmidmayr. Lokal angewandtes Estrogen lindert daher nicht nur Symptome wie ein Trockenheitsgefühl, sondern wirkt sich ebenfalls positiv auf den Beckenboden und Inkontinenz aus. Oft ist eine Anwendung sogar in der Stillzeit erlaubt. Denn Stillende haben einen Hormonhaushalt, der viele weichmachende Eigenschaften mit sich bringt. Nach dem Abstillen dauert es noch mindestens drei Monate, ehe sich alles normalisiert.

Weitere Optionen: Von Elektrotherapie bis OP

Um den Beckenboden zu trainieren, ist schließlich noch die Elektrotherapie gängig. Hierbei werden typischerweise Elektroden auf die Haut geklebt und eine Sonde in die Scheide eingeführt. Der Strom löst eine Kontraktion des Beckenbodens aus und stärkt so die Muskulatur. Keine Angst, das tut nicht weh! Die Elektrotherapie wird vom Physiotherapeuten durchgeführt. In bestimmten Fällen können Ärzte sogar leihweise ein Gerät für die Eigenanwendung zu Hause verordnen.

Ein weiterer Ansatz ist die Magnetstimulation. Dabei sitzen Frauen angezogen auf einem speziellen Therapie-Stuhl, der durch wiederholte Magnetimpulse die Kontraktion auslöst. Das stärkt die Muskulatur und verbessert die Selbstwahrnehmung. Krankenkassen übernehmen die Kosten allerdings nicht, sodass Betroffene dafür tief in die Tasche greifen müssen.

Genügen Beckenbodentraining, Lebensstilintervention sowie Hilfsmittel nicht, bleiben schließlich operative Möglichkeiten, um die Lebensqualität zu verbessern. Je nach Befund und Beschwerden korrigieren Ärzte dabei die anatomischen Strukturen bestmöglich. Ob dabei ein künstliches Netz eingesetzt wird oder nicht und welches Verfahren bevorzugt wird, hängt von vielen Faktoren ab. »Frauen und Männer sollten wissen, dass die Therapie vorher auch relevant ist«, erinnert Schmidmayr. »Je besser im Vorfeld Wissen angebahnt wurde, desto besser treten nach der Operation Fortschritte auf.« Ohne aktive Mitarbeit des Patienten geht es also nicht. Patienten sollten von den Operationen zudem keine Wunder erwarten, denn Rezidive kommen häufig vor.

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