Ein gürtelförmig ausstrahlender Schmerz im Oberbauch ist typisch bei einer akuten Entzündung der Bauchspeicheldrüse. / © Adobe Stock/New Africa
Das Pankreas liegt unscheinbar hinter dem Magen und arbeitet still und zuverlässig. Obwohl das Organ nur rund 80 bis 120 Gramm wiegt, ist es ein Multitalent und vereint Verdauung, Hormonproduktion und Stoffwechselregulation in einem. Die vielen Funktionen bedeuten aber auch, dass schon kleine Störungen weitreichende Folgen für den ganzen Körper haben können. Eine Ursache möglicher Fehlfunktionen ist die Pankreatitis. Dabei entzündet sich das Organ, was heftig und lebensbedrohlich verlaufen oder sich schleichend über Jahre entwickeln kann. Die Auslöser sind vielfältig und reichen von Gallensteinen über Alkohol bis hin zu Medikamenten.
Um zu verstehen, warum eine Pankreatitis mit einem möglichen Funktionsausfall des Gewebes so folgenschwer ist, hilft ein Blick auf die lebenswichtigen Aufgaben, die die Bauchspeicheldrüse mit ihren exokrinen und endokrinen Anteilen erfüllt. In seiner exokrinen Funktion ist das Pankreas der Verdauungshelfer im Hintergrund. Etwa 98 Prozent des Organs bestehen aus Drüsenzellen, die Verdauungsenzyme herstellen. Die Enzyme werden über kleine Ausführungsgänge in den Zwölffingerdarm abgegeben. Diese liegen allerdings zunächst in inaktiver Form vor (Proenzyme, Zymogene), um das Organ selbst nicht zu schädigen.
Zu den Enzymen gehören die Amylase, die Kohlenhydrate spaltet, die Lipasen, die Fette zersetzen, und Proteasen wie Trypsin, Chymotrypsin, Elastase, die Eiweiße abbauen. Im Dünndarm sorgen die Enzyme dafür, dass die Nahrung in ihre Bestandteile zerlegt und über die Darmschleimhaut aufgenommen werden kann. Ohne sie wäre die Nahrungsverwertung massiv beeinträchtigt. Fette würden unverdaut ausgeschieden und Eiweiße und Kohlenhydrate blieben unaufgeschlossen. Die Folgen wären Malabsorption, Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen.
Als zweite wichtige Aufgabe hat das Pankreas eine endokrine Funktion und ist der Regulator des Blutzuckers. Zwischen den Verdauungsdrüsen liegen kleine Zellinseln, die sogenannten Langerhans-Inseln. Sie produzieren Hormone, die direkt ins Blut abgegeben werden. Besonders wichtige Pankreas-Hormone sind das Insulin, das den Blutzuckerspiegel senkt, Glukagon, das ihn wieder anhebt, und Somatostatin, das unter anderem als »Regler« zwischen beiden wirkt. Ein fein abgestimmtes Gleichgewicht dieser Hormone hält den Blutzuckerspiegel konstant.
Patienten spüren rasch die Folgen, wenn die exokrine Funktion der Bauchspeicheldrüse nachlässt und die Produktion von Verdauungsenzymen nicht mehr ausreicht. Unverdaute Nahrungsbestandteile führen zu Blähungen, Durchfällen, Fettstühlen und schließlich auch zu Gewichtsverlust. Die Pankreatitis ist die häufigste Erkrankung des exokrinen Anteils. Zu unterscheiden sind die akute und die chronische Entzündung des Organs.
Im gesunden Zustand werden die Verdauungsenzyme des Pankreas erst im Dünndarm aktiviert. Bei einer akuten Pankreatitis geschieht dies vorzeitig, und zwar direkt im Organ selbst, sodass die Enzyme auch das körpereigene Gewebe zersetzen. Aus dieser Autodigestion resultiert eine lokale Entzündung, aus der sich eine systemische Reaktion mit Fieber, Kreislaufbelastung und Organversagen entwickeln kann. Daran erkranken in Deutschland jährlich etwa 55.000 Menschen.
Um die 80 Prozent der akuten Pankreatitiden lassen sich auf Gallensteine oder übermäßigen Alkoholkonsum zurückführen. Gallensteine verstopfen den Gang der Bauchspeicheldrüse. Das führt zu einem Stau der Enzyme innerhalb des Organs. Seltener spielen andere Faktoren wie Medikamente, Hypertriglyzeridämie, Infektionen oder eine genetische Veranlagung ursächlich eine Rolle.
Während die akute Pankreatitis plötzlich auftritt, ist die chronische Form das Ergebnis schleichender Entzündungsprozesse. Im Verlauf wird gesundes Drüsengewebe zunehmend durch Bindegewebe ersetzt. Dabei gehen die exokrine (Verdauungsenzyme) und später auch die endokrine Funktion (Insulinproduktion) verloren. Mangelernährung ist eine Folge. Als Ursache steht der langjährige Alkoholabusus an erster Stelle. Regelmäßiger Konsum selbst in vermeintlich harmloser Form wie dem täglichen Feierabendbier belastet das Organ dauerhaft. Ein weiterer bedeutender Risikofaktor ist das Rauchen. Wer bei bestehender Pankreaserkrankung weiterraucht, beschleunigt den Krankheitsfortschritt und erhöht zusätzlich das Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Auch Lebensstilfaktoren spielen eine Rolle. Ein Übermaß an Zucker und ungünstigen Fetten, Übergewicht und chronischer Stress begünstigen metabolische Störungen, die das Risiko für Pankreaserkrankungen erhöhen. Die medikamenteninduzierte Pankreatitis ist selten. Sie verläuft meist unabhängig von der Dosis und ohne klaren Mechanismus. Der kausale Zusammenhang zwischen Medikament und Pankreatitis ist oft nicht eindeutig feststellbar. Zu den am besten belegten Wirkstoffen gehören unter anderem Thiazid- und Schleifendiuretika (Hydrochlorothiazid, Furosemid), Statine (wie Simvastatin, Atorvastatin), Valproinsäure, Östrogene, ACE-Hemmer (wie Enalapril, Lisinopril), Antibiotika (wie Tetracycline, Metronidazol), 5-Aminosalizylate (wie Mesalazin und Sulfsalazin) und Zytostatika (wie Cisplatin, Tamoxifen).
Typisch ist, dass die Beschwerden wenige Tage bis Wochen nach Beginn einer neuen Medikation auftreten. Nach dem Absetzen bessern sich die Symptome meist rasch. Klinisch unterscheidet sich die medikamentenbedingte Pankreatitis kaum von anderen Formen. Typisch sind ein plötzlicher, gürtelförmiger Oberbauchschmerz, oft in den Rücken ausstrahlend, Übelkeit und Erbrechen und erhöhte Serumlipase. Bei schweren Verläufen treten Fieber, Hypotonie, Tachykardie, Ikterus und eventuell sogar Zeichen eines Multiorganversagens auf.
Die akute Pankreatitis muss im Krankenhaus überwacht werden, weil der frühe Verlauf schwer einschätzbar ist. Im Vordergrund steht die symptomatische Behandlung. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, sorgfältige Elektrolytkontrolle und Analgesie, häufig mit Opioiden, sind die wesentlichen Maßnahmen. Eine antibiotische Therapie ist nur bei nachgewiesener oder vermuteter Infektion indiziert, etwa bei infizierten Nekrosen oder Pseudozysten. Zum Einsatz kommen dann häufig Carbapeneme.
Während früher ein Nahrungsverzicht empfohlen wurde, soll heute bei den häufig milden und moderaten Verläufen nach der initialen Stabilisierung frühzeitig wieder gegessen werden. Empfohlen wird eine leichte Vollkost, die ohne strikten Diätplan auskommt und sich an der individuellen Verträglichkeit orientiert. Fett- und ballaststoffreiche Speisen können anfangs Beschwerden verstärken, weshalb kleine, gut verdauliche Mahlzeiten vorteilhaft sind.
Alkohol und Nikotin sollten vermieden werden. Bei schweren akuten Verläufen gilt heute das Prinzip einer möglichst frühen Ernährung über eine Sonde. Eine parenterale Ernährung ist nur in Ausnahmen nötig. Eine milde Pankreatitis heilt meist vollständig ohne Organversagen aus. Die nekrotisierende Form kann dagegen innerhalb kurzer Zeit schwere systemische Entzündungsreaktionen auslösen.
Infizierte Nekrosen gehen mit deutlich erhöhter Sterblichkeit einher. Sie erfordern meist einen chirurgischen Eingriff. In der Folge sollten Patienten auf Alkohol verzichten, ihre Ernährung anpassen und weniger fettreich essen, um ein Rezidiv zu vermeiden. Im Gegensatz zur akuten Form, die mit deutlichen Symptomen einhergeht, macht sich die chronische Pankreatitis zu Beginn oft kaum bemerkbar. Erst im Verlauf treten typische Beschwerden auf: ein gürtelförmig ausstrahlender Schmerz im Oberbauch, ungewollter Gewichtsverlust sowie Verdauungsprobleme bis hin zu Fettstühlen.
Auch ein neu auftretender Diabetes kann ein Hinweis darauf sein, dass die Bauchspeicheldrüse dauerhaft geschädigt ist. Da es für die chronische Pankreatitis keine ursächliche Behandlung gibt, konzentriert sich die Therapie auf die Linderung der Beschwerden. Die fehlenden Verdauungsenzyme werden ersetzt, ergänzt durch fettlösliche Vitamine (A, D, E, K), und die Schmerzen werden nach dem WHO-Stufenschema behandelt. Ein möglicher Diabetes wird medikamentös eingestellt.
Die Behandlung kann nur erfolgreich sein, wenn die Ursache beseitigt wird, etwa durch die Entfernung von Gallensteinen. Die Ernährung sollte energie- und eiweißreich sein, weil viele Betroffene zu Gewichtsverlust und Mangelernährung neigen. Eine generelle Fettreduktion wird nicht empfohlen, weil sie die Kalorienzufuhr zu stark einschränkt und die Lebensqualität mindert. Erst wenn trotz adäquater Enzymsubstitution Fettunverträglichkeiten bestehen, kann auf MCT-Fette ausgewichen werden, die ohne Pankreasenzyme resorbiert werden.
Patienten sollten die mittelkettigen Triglyceride jedoch behutsam einführen, da eine zu schnelle Steigerung Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Kopfschmerzen auslösen kann. Kommt es zu einem akuten Schub, erfolgt die Behandlung nach den gleichen Grundsätzen wie bei der akuten Pankreatitis. Für Menschen mit bereits geschädigter Bauchspeicheldrüse gilt: Mehrere kleine Mahlzeiten sind besser verträglich als wenige große. Gründliches Kauen entlastet zusätzlich die Verdauung. Bitterstoffe können die Verdauung fördern und die Gallensekretion unterstützen. Reichlich enthalten sind sie unter anderem in einigen Salat- und Kohlarten wie Endivien, Chicorée, Radicchio, Grünkohl oder Rosenkohl.