Was bringen die neuen Therapeutika gegen Hitzewallungen? |
Der Name ist Programm: Die Schwitzattacken brausen wie eine Welle über den Körper. / © Getty Images/fizkes
»Die menopausale Hormontherapie ist nach wie vor die Therapie der ersten Wahl des klimakterischen Syndroms. Daran ändern bislang auch die neuen Neurokinin-Antagonisten nichts«, sagte die Gynäkologin bei einem Webcast des gemeinnützigen Vereins Menoqueens, der sich der Aufklärung rund um das Thema Klimakterium widmet. »Aber für Frauen, die keine Hormonersatztherapie möchten oder bei denen diese Behandlung kontraindiziert ist, sind Fezolinetant und Elinzanetant echte Alternativen und erweitern das hormonfreie Therapieangebot.« Bislang kamen für diese Frauen neben einer kognitiven Verhaltenstherapie nur pflanzliche Arzneimittel wie Extrakte der Traubensilberkerze oder Phytoestrogene wie in Rhapontikrhabarber in Betracht.
Während Fezolinetant (Veoza®) seit rund eineinhalb Jahren in Deutschland verfügbar ist, wartet Elinzanetant (Lynkuet®) in Europa weiterhin auf die Zulassung. Erst heute hat Bayer eine Zulassungsempfehlung für Elinzanetant vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) erhalten. »In der Schweiz haben wir dagegen den günstigen Umstand, dass die Swissmedic – das Pedant zur europäischen Arzneimittelagentur – Lynkuet vor Kurzem zugelassen hat und es bereits in den Apotheken verfügbar ist«, berichtete die Leiterin der Gynäkologischen Endokrinologie und des Menopausenzentrums in Bern. Ansonsten ist vor Kurzem für das Vereinigte Königreich und Kanada eine Zulassung erteilt worden.
Die neuen Wirkstoffe wirken nicht endokrin, sondern greifen in die Thermoregulation im Hypothalamus ein. Dort sitzen sogenannte Kisspeptin-Neurokinin-B-Dynorphin-Neuronen (KNDy-Neuronen), die durch Estrogene gehemmt und durch Neurokinin B stimuliert werden. Sinken die Estrogenspiegel in den Wechseljahren, fällt diese Hemmung also schwächer aus und Neurokinin B gewinnt gewissermaßen die Oberhand. Die Folge: Die KNDy-Neuronen sind überaktiv und stimulieren das thermoregulatorische Zentrum im Übermaß. »Es erfolgt dann laufend die Information in die Peripherie, dass Wärme durch Gefäßerweiterung abgegeben werden soll. Deshalb die Hitzewallungen«, so die Frauenärztin. Bis zu 80 Prozent der peri- und postmenopausalen Frauen hätten vasomotorische Störungen, und das durchschnittlich 7,4 Jahre lang.
Fezolinetant hemmt den Neurokinin-3-Rezeptor; dadurch kann Neurokinin B seine Wirkung nicht mehr entfalten. Das thermoregulatorische Zentrum im Gehirn wird also nicht mehr übermäßig stimuliert. Bei Elinzanetant handelt es sich um einen dualen Antagonisten, der zusätzlich zur Hemmung des Neurokinin-3-Rezeptors auch noch die Bindung von Substanz P an die Neurokinin-1-Rezeptoren unterbindet.
Das macht sich klinisch bemerkbar: Stute berichtete von Zulassungsstudien, nach denen Elinzanetant die Häufigkeit und Schwere vasomotorischer Beschwerden signifikant stärker als Placebo nach vier und zwölf Wochen senkte. Erste Verbesserungen zeigten sich bereits nach einer Woche. Die Frauen hatten zuvor täglich durchschnittlich 14 Attacken. Nach zwölf Wochen hatten 65 Prozent Prozent der Frauen unter Elinzanetant eine mindestens 50-prozentige Reduktion der Frequenz ihrer Beschwerden erreicht gegenüber 42 Prozent unter Placebo. Zudem verbesserten sich Schlafstörungen und Lebensqualität. Werden die Neurokinin-Antagonisten wieder abgesetzt, kehren sowohl vasomotorische als auch Schlafbeschwerden wieder.
Der duale Ansatz sei der Grund für Elinzanetants breitere Wirkung, erklärte Stute die überaus positiven Effekte auf wechseljahresbedingte Schlafprobleme. »Substanz P, aus der gleichen Familie wie Neurokinin B stammend, hat noch andere Aufgaben als bei der Thermoregulation. Unter anderem ist es eben an der Schlafregulation beteiligt. Deshalb kann daraus geschlossen werden, dass die Besserung der Schlafstörungen nicht nur aus der Besserung der vasomotorischen Beschwerden resultiert.«
Fezolinetant 45 mg (Veoza®) | Deutschland | Schweiz |
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Indikation | Behandlung moderater bis schwerer vasomotorischer Symptome, die mit der Menopause assoziiert sind | Behandlung moderater bis schwerer vasomotorischer Symptome bei postmenopausalen Patientinnen |
Leberwertkontrollen | ALT, AST und Gesamtbilirubin monatlich | ALT, AST, ALP und Gesamtbilirubin monatlich |
Kontraindikationen | gleichzeitige Anwendung moderater oder starker CYP1A2-Inhibitoren | alle CYP1A2-Inhibitoren |
Mammakarzinom und estrogenabhängige Malignome | während onkologischer Therapie nicht empfohlennach onkologischer Therapie nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung | Individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung |
Als häufige Nebenwirkungen nannte die Gynäkologin Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Oberbauchschmerzen, Durchfall und Muskelkrämpfe. Der häufige Anstieg von Leberenzymwerten unter Fezolinetant hat mittlerweile dazu geführt, dass aufgrund der potenziellen Gefahr der Lebertoxizität bei den behandelten Frauen regelmäßige Leberfunktionstests durchgeführt werden müssen.
»Sowohl in Deutschland als auch der Schweiz müssen nun ALT (Alanin-Aminotransferase), AST (Aspartat-Aminotransferase) und Gesamtbilirubin bestimmt werden, in der Schweiz fällt zusätzlich die Überprüfung der ALP (Alkalischen Phosphatase) an. Bei Elinzanetant sind dagegen bislang keine Leberwertkontrollen erforderlich. In den klinischen Studien ergaben sich keine Hinweise auf eine Hepatotoxizität. Dennoch ist eine schwere Lebererkrankung eine Kontraindikation«, so die Expertin (siehe auch Tabelle).
Frauen, die an einem Estrogenrezeptor-positiven Mammakarzinom erkrankt sind beziehungsweise waren, erhalten eine antiestrogene Therapie – was meist massive vasomotorische Störungen zur Folge hat. Da Fezolinetant nicht hormonell wirkt, wäre es eigentlich auch für diese Patientinnen eine geeignete Option. Allerdings waren Brustkrebspatientinnen nicht in die Zulassungsstudien eingeschlossen, daher wird Fezolinetant aktuell bei Frauen während einer onkologischen Therapie nicht empfohlen.
»Ist die antiestrogene Therapie jedoch abgeschlossen, kann Fezolinetant nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden. Hintergrund ist der, dass die Daten zu Mammakarzinom-Patientinnen der Highlight-Studie erst 2027 erwartet werden und deshalb in Deutschland noch etwas Zurückhaltung angebracht ist. Wir in der Schweiz sind bei diesem Thema schon etwas weiter und setzen Veoza öfter bei Brustkrebs-Patientinnen ein. Bei uns ist der Einsatz in jedem Fall eine individuelle Entscheidung – auch während der onkologischen Behandlung«, erklärte Stute die feinen Nuancen der Indikation der jeweiligen Länder (siehe auch Tabelle).
Könnte der duale Neurokinin-Antagonist für diese Patientinnen eine Option sein? Laut der Referentin ist Elinzanetant in Phase-III-Studien explizit bei Mammakarzinom-Patientinnen getestet worden. Die eingeschlossenen rund 400 Patientinnen zwischen 18 und 70 Jahren wurden entweder mit Tamoxifen oder Aromataseinhibitoren (mit oder ohne GnRH-Analoga) behandelt und litten unter extremen Hitzewallungen. Elinzanetant bewirkte bei mehr als 70 Prozent der eingeschlossenen Patientinnen eine mindestens 50-prozentige Reduktion der Hitzewallung in Frequenz und Intensität.
Laut Stute gab es die Möglichkeit, nach Ende der einjährigen Studie Elinzanetant weiterzunehmen. »Die allermeisten Frauen haben sich dafür entschieden, was für seine gute Wirksamkeit spricht. Erfreulich ist auch, dass die Adhärenz zur endokrinen Therapie stabil geblieben ist: Die Frauen haben weiterhin ihre Antiestrogene eingenommen. Pharmakokinetisch gesehen, gibt es zwischen Elinzanetant und den Aromatasehemmern beziehungsweise Tamoxifen keine Beeinflussung.«
Die signifikante Verbesserung der Schlafqualität konnte Elinzanetant in den klinischen Studien sowohl bei den gesunden Studienteilnehmerinnen als auch bei jenen mit Brustkrebs erzielen. Stute betonte die Unterschiede in den Einnahmemodalitäten: Elinzanetant (à 2 x 60 mg Lynkuet Weichkapseln) wird einmal täglich abends eingenommen. Die Fezolinetant-Einnahme von 45 mg (Veoza Filmtabletten) ist dagegen unabhängig von der Tageszeit.