Was bringen pflanzliche Mittel in der Tiermedizin? |
Viele Tierhalter möchten ihre Lieblinge gerne pflanzlich therapieren. Gerade bei Katzen ist das allerdings komplizierter als gedacht. / Foto: Getty Images/OLEKSANDRA TROIAN
Die Haltungsbedingungen von Tieren werden stetig verbessert und gut gepflegte Haustiere erreichen oft ein hohes Lebensalter. Sie werden als Familienmitglieder gesehen, die bei möglichen Gesundheitsproblemen optimal behandelt werden sollen. Viele Tierbesitzer sind dazu bereit, alle sinnvollen therapeutischen Möglichkeiten auszuschöpfen und auch chronische Erkrankungen umfassend zu behandeln. Dabei wird oft auch der Wunsch nach naturnahen Therapien und pflanzlichen Arzneimitteln geäußert, die wie in der Humanmedizin einen guten Ruf genießen. In der Groß- und Nutztierhaltung spielt zudem das Bestreben, den Einsatz synthetischer Arzneimittel auf ein Minimum zu reduzieren, um Rückstände in Lebensmitteln tierischer Herkunft zu vermeiden, eine wichtige Rolle.
Zu den größten Herausforderung in der Anwendung phytotherapeutischer Methoden in der Veterinärmedizin gehören die Unterschiede im Stoffwechsel von Fleisch- und Pflanzenfressern. Dazu kommen Unverträglichkeiten von Pflanzenstoffen innerhalb einzelner Tierarten und -gruppen. Werden sie nicht beachtet, kann das für das Tier mitunter lebensbedrohliche Folgen haben.
Als problematisch in Bezug auf pflanzliche Heilmittel gelten reine Fleischfresser. In der Haustierhaltung sind dies in der Regel Katzen oder Frettchen. Pflanzen gehören nicht zu ihrem natürlichen Nahrungsspektrum und sie sind nur in geringem Maß dazu in der Lage, pflanzliche Stoffe überhaupt zu verwerten und abzubauen. Problematisch ist zum Beispiel die Metabolisierung durch Glucuronidierung. Sie ist bei Fleischfressern so schwach entwickelt, dass Phenole und Ketone sowie deren Derivate für die Tiere giftig sind. Katzen können zudem Salicylate nicht verstoffwechseln. Im Vergleich dazu liegt die Halbwertszeit bei Ziegen und Pferden gerade einmal bei einer Stunde. Auch eine hohe Dosierung oder längerfristige Anwendung ätherischer Öle kann bei Katzen toxische Reaktionen provozieren. Mitunter reagieren die Tiere zudem anders als von anderen Tierarten bekannt ist. So wirkt zum Beispiel Baldrianöl bei Hunden und Nagern beruhigend bis sedierend, bei Katzen regt es den Sexualtrieb an.
Dennoch ist die Anwendung pflanzlicher Präparate bei Fleischfressern nicht ausgeschlossen. Gerade bei Katzen ist oft ein Abwägen erforderlich, da sie gegenüber vielen synthetischen Arzneimitteln ebenfalls empfindlich sind. Mitunter finden sich Lösungen, bei denen das pflanzliche Präparat nur in geringen Mengen oder in großen zeitlichen Abständen eingesetzt wird.
Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die Pflanzenfresser. Sekundäre Pflanzenstoffe sind seit jeher wichtige Regulatoren in ihrem Organismus. Beobachtet man freilebende Pflanzenfresser, sieht man, dass sie bei gesundheitlichen Problemen bestimmte Pflanzen ganz gezielt aufnehmen. Auch in der Tierhaltung gelingt das oft gut. So reicht bei kleineren Haustieren wie Meerschweinchen oder Zwergkaninchen eine geeignete Futterzusammenstellung häufig bereits aus, um leichtere Erkrankungen ausreichend zu behandeln.
Vorbeugend spielen qualitativ hochwertige Ergänzungsfuttermittel eine wichtige Rolle. Sie bestehen aus Heil- und Gewürzpflanzen, die als Ergänzung zur Nahrung verfüttert werden, um die allgemeine Gesundheit der Tiere zu fördern, die Leistung zu verbessern oder Selbstheilungskräfte anzuregen. Auch als Unterstützung für den Alterungsprozess sind Ergänzungsfutter erhältlich, die zum Beispiel antioxidative Wirkungen entfalten oder als Radikalfänger dienen. Neben klassischen Pflanzenfressern stehen Ergänzungsfutter auch für Allesfresser wie Hunde zur Verfügung.
Derzeit beruhen die Kenntnisse zu erwünschten und unerwünschten Wirkungen einzelner Arzneipflanzen in der Veterinärmedizin überwiegend auf überliefertem traditionellen Erfahrungswissen. Das spiegelt sich auch in der Praxis. Tierärzte und erfahrene Landwirte greifen für die Behandlung von Tieren häufig auf erprobte Hausmittel zurück. Diese können sowohl innerlich als auch äußerlich angewendet werden. Die Bandbreite ist groß: Angewendet werden etwa Pulver und breiförmige Zubereitungen, Tabletten, Kapseln, Dragees, Tees, Pflaster, Breiumschläge, Tinkturen, Gele, Cremes, Salben, Pasten und einiges mehr.
Auch das Anwendungsspektrum von Arzneipflanzen ist vielfältig und sie können bei vielen Erkrankungen zum Einsatz kommen. Dazu gehören Atemwegs- und Magen-Darm-Infekte, Erkrankungen der Harnwege, des Herz-Kreislauf-Systems und des Bewegungsapparates sowie Wunden und Ekzeme. Auch bei Schmerzen und Verhaltensauffälligkeiten wie Angst oder Unruhe gibt es gute Erfahrungen.
Nach Angaben der Gesellschaft für Ganzheitliche Tiermedizin ist der alleinige Einsatz von Arzneipflanzen bei leichten Erkrankungen oft ausreichend, häufig kommen dabei Kombinationen zum Einsatz. Bei schweren Erkrankungen können sie ergänzend zu synthetischen Medikamenten angewendet werden. In diesem Fall unterstützen sie die Wirkung, mindern unerwünschte Nebenwirkungen und helfen, die Dosis bei nebenwirkungsreichen Arzneimitteln zu reduzieren.
Systematisch und fundiert durchgeführte pharmakologische Studien zur tierartspezifischen Anwendung sind im Vergleich zum Erfahrungswissen in weitaus geringerem Ausmaß vorhanden. Der Markt für zugelassene Veterinärphytopharmaka ist also deutlich kleiner als der für Humanphytopharmaka. Aktuell finden sich dort vor allem Kombinationspräparate für den Einsatz bei Verstopfung, Infektionen der Haut und des Magens sowie Entzündungen von Gelenken, Muskeln und Sehnen.
Gängige Veterinärphytopharmaka sind zum Beispiel Stullmisan® mit Extrakten aus Fichtenspitzen, Kamillenblüten, Melissenblättern und Wermutkraut sowie Colosan® mit Sternanisöl, Bitterfenchelöl, Kümmelöl und Chinesischem Zimtöl zur Therapie von Durchfällen und Futterblähungen. Für die Lokalbehandlung von Haut und Schleimhäuten bei Wunden und Hautentzündungen steht Kamilloplant® (Fluidextrakt aus Ringelblume, Salbei, Kamille, Hamamelis und Arnikatinktur) zur Verfügung. Tierärzte haben zudem die Möglichkeit, Humanphytopharmaka umzuwidmen, wenn ein zugelassenes Arzneimittel für das Anwendungsgebiet und die Tierart nicht zur Verfügung steht, die arzneiliche Versorgung gefährdet ist und keine Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier zu befürchten ist.
Die Abgabe verschreibungspflichtiger oder nicht für den Verkehr außerhalb der Apotheke freigegebener Veterinärphytopharmaka unterliegt den Bestimmungen des § 43 Arzneimittelgesetz (AMG). Die Präparate dürfen dem Tierhalter nur durch den Tierarzt oder auf Verschreibung durch den Tierarzt ausgehändigt werden. In den letzten Jahren wird jedoch auch die Selbstmedikation bei Tieren immer beliebter. Eine gute Übersicht über die therapeutische Anwendung von Arzneipflanzen in Abhängigkeit von Tierart und Indikationsgebiet bietet das Informationssystem CliniTox/CliniPharm des Instituts für Veterinärpharmakologie und -toxikologie der Universität Zürich. Im Zweifelsfall sollten Tierhalter jedoch immer Rücksprache mit dem Tierarzt halten. Berücksichtigt werden muss außerdem, dass die Anwendung bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen (Bienen, Fische, Geflügel, Wiederkäuer, Schweine, Hasen, Kaninchen und Pferde), strengen rechtlichen Bestimmungen unterliegt. Dies soll sicherstellen, dass der Verzehr entsprechender Tierprodukte die menschliche Gesundheit nicht schädigt.