Was bringt ein Werbeverbot? |
Carina Steyer |
22.04.2024 11:45 Uhr |
Genau das soll es sein: Mit bunter Aufmachung und Spielzeugbeigaben werden viele Lebensmittel gezielt für Kinder vermarktet. / Foto: Getty Images/PixelsEffect
Gegen Ende des ersten Lebensjahres sind die meisten Kinder so weit, dass sie am Familienessen teilnehmen können. Spezielle Kinderlebensmittel oder mit Nährstoffen angereicherte Nahrungsmittel sind dabei sowohl für Klein- als auch für Schulkinder überflüssig. Und dennoch findet sich in Supermärkten eine enorme Auswahl an Produkten, die sich durch Aufdrucke, Farbe oder Form sowie besondere Beigaben wie Sticker, Sammelkarten oder Spielfiguren ganz deutlich an eine junge Zielgruppe richten. Nicht immer verbergen sich dahinter Süßigkeiten. Auch Pausensnacks, Joghurts, Wurstwaren, Käse, Fertiggerichte oder Fruchtpürees aus Beuteln fallen in diese Kategorie.
Für die Vermarktung setzen viele Lebensmittelunternehmen auf bekannte Figuren aus Filmen oder Serien. Mitunter werden eigenständige Erlebniswelten kreiert, die zusätzlich im Internet erforscht werden können. Mit Spielen, Geschichten, Bastelanleitungen und Rezepten wird die Kundenbindung gestärkt. Werbespots für die Produkte werden gezielt in TV-Sendungen, auf Webseiten und Social-Media-Kanälen platziert, deren Inhalte für Kinder produziert werden. Doch nicht immer erkennen Kinder, dass es sich bei den Inhalten um Werbung handelt. Wenn Influencer Produkttests, Spiele oder Wettbewerbe mit den Produkten zeigen, schenken Kinder dem Gesehenen Glauben. Handelt es sich bei den Protagonisten um Kinder-Influencer, wirkt das auf Gleichaltrige besonders authentisch.
Laut einer Studie der Universität Hamburg sieht ein mediennutzendes Kind zwischen 3 und 13 Jahren durchschnittlich 15 Lebensmittelwerbungen pro Tag, 92 Prozent davon betreffen ungesunde Produkte. Gleichzeitig ist wissenschaftlich belegt, dass Werbung für ungesunde Lebensmittel deren Konsum begünstigt. Im Hinblick auf die Tatsache, dass nach Angaben der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS Welle 2) derzeit rund 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren als übergewichtig und knapp 6 Prozent als adipös gelten, fordern viele Kinder- und Jugendärzte, Fachgesellschaften und Verbraucherorganisationen, das Marketing von Lebensmitteln an Kinder gesetzlich zu regulieren.
Das Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation WHO für Europa empfiehlt, nur ernährungsphysiologisch ausgewogene Produkte an Kinder zu vermarkten, wobei unter anderem die Anteile von Fett, Zucker und Salz sowie zugefügte Süßstoffe und der Kaloriengehalt beachtet werden sollten. Nicht nur Süßigkeiten, Chips und andere ungesunde Snacks, sondern auch die meisten Kinderlebensmittel dürften nach dieser Empfehlung nicht mehr für Kinder beworben werden. Gerade Kinderlebensmittel sind laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) häufig sehr kalorienreich und enthalten zu hohe Mengen an Zucker, Salz und Fett. So überschreiten einige der an Kinder vermarkteten Joghurts bereits mit einem Becher die empfohlene maximale Tagesdosis an Zucker, ohne dass sie als Süßigkeit wahrgenommen werden. Das ist nicht unproblematisch, denn die Daten der Ernährungsstudie KiGGS-Modul EsKiMo II zeigen, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland bereits etwa doppelt so viele Süßwaren und Snacks, aber nur halb so viel Obst und Gemüse verzehren wie empfohlen.
Besonders kritisch hinterfragt werden sollten laut BzGA auch die auf vielen Kinderlebensmitteln ausgelobten Zusätze an Milch, Ballaststoffen, Mineralstoffen und Vitaminen. Häufig seien die Angaben auf den Tagesbedarf bezogen minimal, überflüssig oder überdosiert. Zudem darf nicht vergessen werden: Fast alle Kinderlebensmittel sind hochverarbeitete Produkte und viele werden mit künstlichen Aromen versetzt. Letzteres hat Auswirkungen auf die Geschmacksprägung der jungen Konsumenten, was besonders heikel ist. Denn die in der Kindheit erfolgte Geschmacksprägung bleibt im Erwachsenenalter bestehen und beeinflusst maßgeblich die Auswahl an Speisen und Getränken. Die Stiftung Kindergesundheit weist außerdem darauf hin, dass im Kindesalter übernommene Ernährungsgewohnheiten einen wichtigen Einfluss auf das Lebenszeitrisiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebserkrankungen haben.