Was das Urteil zu Rx-Boni bedeutet |
Der EuGH hat sich erneut mit Rx-Boni auseinandergesetzt. / © Adobe Stock/Corgarashu
Die Luxemburger Richter waren aufgefordert, sich mit den Grenzen der Arzneimittelwerbung zu befassen. Zu entscheiden war, inwieweit die deutschen Regeln des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) mit dem EU-Recht vereinbar sind. Genauer sollte der EuGH entscheiden, ob Rx-Boni als unlautere Werbung einzustufen sind oder nicht – also mit der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vereinbar sind.
Die Richtlinie enthält zwar ein grundsätzliches Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel, allerdings fällt laut EuGH nicht jede Werbeaktion in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Die Aktion müsse vielmehr darauf abzielen, »die ärztliche Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern«.
Zusammengefasst kam der Gerichtshof zu folgendem Urteil: Werbeaktionen für Rx-Boni sind unzulässig, wenn diese in Form von Gutscheinen für spätere Käufe von OTC-Arzneimitteln erteilt werden. Direkte Preisnachlässe beim Einlösen eines Rezepts stellen keinen Verstoß gegen das Werberecht dar.
Die Begründung: Werbeaktionen mit Sofortrabatt förderten nicht den Verbrauch von Arzneimitteln, diese beeinflussten lediglich die Entscheidung für eine bestimmte Apotheke. Solche Rabattaktionen dürfen die Mitgliedstaaten daher erlauben, ohne die Richtlinie zu verletzen – müssen es aber nicht tun. Rx-Werbeaktionen dürfen laut EuGH grundsätzlich untersagt werden, wenn die genaue Höhe des Rabatts für den Kunden im Vorhinein nicht ersichtlich ist. Damit könne nämlich verhindert werden, dass die Verbraucher die Höhe der Prämie überschätzen.
Gutscheine für nachfolgende Bestellungen nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel sehen die Richter kritischer, da sie den Verbrauch von Arzneimitteln fördern könnten. Solche Werbeaktionen könnten im nationalen Recht verboten werden, so der EuGH. Denn derartige Gutscheine könnten Verbraucher von einer sachlichen Prüfung der Frage ablenken, ob die Einnahme dieser Arzneimittel erforderlich ist.
Doc Morris hatte die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) auf Schadensersatz verklagt, weil diese mehrere einstweilige Verfügungen gegen den Versender erwirkt hatte, mit denen dessen Werbeaktionen (Rx-Boni) wie etwa Prämien für die Rezepteinlösung und Gutscheine für nachfolgende Bestellungen untersagt wurden.
Der Online-Versender sah sich im Nachhinein jedoch zu Unrecht ausgebremst. Denn der EuGH hatte 2016 festgestellt, dass die damals im Arzneimittelgesetz verankerte Arzneimittelpreisbindung für Rx-Arzneimittel europarechtswidrig ist. Danach durften Versender mit Sitz im EU-Ausland deutschen Kunden Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente anbieten, während für die Apotheken hierzulande die Rx-Preisbindung gilt.
Mit dem Umzug des Rx-Boni-Verbots in das Sozialgesetzbuch V im Dezember 2020 hat der deutsche Gesetzgeber auf dieses Urteil reagiert. Seitdem gilt zumindest im GKV-Bereich wieder ein Bonusverbot, was die Versender bisher allerdings auch nicht abschreckt Prämien für die Einlösung von Rezepten auszuloben.
Nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf einen Schadensersatzanspruch bejahte, rief die AKNR den Bundesgerichtshof an, der dem EuGH wiederum einige Punkte zur Klärung vorlegte. Nun muss der BGH in Karlsruhe entscheiden, wie es weitergeht. Der Versender fordert 18 Millionen Euro Schadensersatz. Der BGH wird die EuGH-Entscheidungen in seinem Urteil berücksichtigen, dabei aber wohl auch noch weitere Aspekte wie das deutsche Preisrecht in den Blick nehmen müssen.
Das Urteil bestätige, dass Arzneimittel eine besondere Ware seien, hieß es in einer ersten Reaktion der Apothekerkammer Nordrhein. Armin Hoffmann, Kammerpräsident in Nordrhein sowie Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), betonte, falsch oder im Übermaß angewendet, könnten Arzneimittel gefährlich werden. »Das haben die Luxemburger Richter genauso gesehen und der Praxis ausländischer Arzneimittel-Versender einen Riegel vorgeschoben, mit Boni und Gutscheinen zu arbeiten, durch die Verbraucher zum Erwerb nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel motiviert werden sollen.«
Von der Kammer heißt es weiter, dass mit der heutigen Entscheidung das EuGH-Urteil von 2016 weiter relativiert werde, das in der deutschen Arzneimittelpreisbindung einen Verstoß gegen Unionsrecht sah. Denn dieses Urteil stelle keinen »Freifahrtschein für sämtliche Werbeaktionen im Zusammenhang mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln« dar, so Bettina Mecking, Geschäftsführerin und Justiziarin der AKNR.
Auch ABDA-Präsident Thomas Preis äußerte sich zu dem Urteil. Die Möglichkeit des Gutschein-Verbots diene dem Verbraucherschutz, so Preis. »Gutscheinaktionen dürfen in keinem Fall dazu führen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher zu einer übermäßigen Einnahme von Arzneimitteln motiviert werden.«
Andererseits sei entschieden worden, dass die Mitgliedstaaten Preisnachlässe und Zahlungen beim Einlösen von Rezepten nur verbieten können, wenn diese entweder irreführend sind oder ein Verbot nach den Grundsätzen des freien Warenverkehrs gerechtfertigt ist. Preis dazu: »Die Apothekenzahl ist seit Jahren stark rückläufig, wir müssen weitere Apothekenschließungen unbedingt vermeiden. Dazu gehört nicht nur eine ausreichende wirtschaftliche Stabilisierung der Apothekenbetriebe – sondern auch Schutz vor einem ruinösen Preiswettbewerb.«
Doc Morris reagierte zunächst einsilbig auf das Urteil. In einer knappen Mitteilung räumte der Versender ein, dass laut Richterspruch die EU-Mitgliedsstaaten Werbeaktionen verbieten dürfen, »die Gutscheine für Folgekäufe zum Inhalt haben, insofern diese auch für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (OTC) eingelöst werden können«. Rx-Rabattaktionen mit Gutscheinen für Gesundheits- und Pflegeprodukte blieben aber möglich. Auch Preiswerbung für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel halte der EuGH weiterhin für zulässig.
Euphorischer gab sich Redcare. Der Versender geht in seiner Reaktion nicht auf die Möglichkeit des Gutscheinverbots ein, sondern zielt auf die Entscheidung ab, dass direkte Barrabatte beim Einlösen eines Rezepts laut Urteil zulässig sind. Damit werde die langjährige Position des Unternehmens bestätigt. CEO Olaf Heinrich begrüßte den Richterspruch, der »uns die Möglichkeit bietet, unsere Kundenangebote weiter zu verbessern«. Man werde die Urteilsbegründung sorgfältig prüfen.