Für Andrea Gröppel-Klein, Konsum- und Verhaltensforscherin an der Universität des Saarlandes, ist das Phänomen nicht neu. »Aus der Forschung kennen wir Selbstgeschenke seit 1990«, berichtet sie. In den vergangenen Jahren hätten Studien zu den Gründen zugenommen.
Die Wissenschaft unterscheide zum Beispiel zwischen »Ich-Geschenken« zum Trost, zur Anerkennung und Belohnung, um die Stimmung aufzuhellen und eben auch zu festlichen Anlässen wie Weihnachten. Sie seien oft genussorientiert und nicht funktional. Es ist also nicht die neue Waschmaschine, die ohnehin angeschafft worden wäre – es bleibt etwas Besonderes außer der Reihe.
»Es ist heute kein Tabuthema mehr, laut zu sagen, das habe ich mir jetzt gegönnt. Auch nicht zu Weihnachten«, beschreibt es Gröppel-Klein. Befeuert werde das in Zeiten von Begriffen wie Achtsamkeit, Selbstfürsorge und »Me-Time« durch die Werbung, etwa durch Slogans wie »Das bin ich mir wert.« Für die Wissenschaftlerin spielen aber noch andere Veränderungen eine Rolle.
»Wir hängen an dieser schönen Vorstellung von der heilen Weihnachtswelt, in der die große Familie zusammen isst und Geschenke austauscht.« Doch die gesellschaftliche Realität sehe heute anders aus: Jeder fünfte Deutsche lebt in einem Single-Haushalt.
Oliver Gansser liest an seinen Umfragen ab, dass es bei »Ich-Geschenken« Generationenunterschiede gibt. In der Nachkriegszeit habe sich diese Frage schon aus Geldmangel nicht gestellt. »Jetzt ist das Geld da, aber die Nachkriegsgeneration macht das trotzdem nicht«, berichtet der Wissenschaftler. Auf Selbstbescherung setzen die Generationen X, Y und Z zwischen 12 und 59 Jahren. Die Boomer ab 60 sind zögerlicher und ab 80 machen sich die wenigsten Menschen selbst ein Weihnachtsgeschenk.
Für puren Hedonismus der Jüngeren hält Gansser das nicht, eher für einen Trend wie die Work-Life-Balance – also Arbeit und Leben in Einklang zu bringen. »Die jüngeren Generationen lesen seit Jahren Negativ-Schlagzeilen, sei es über Viren oder Kriege. Das kann ein Gefühl erzeugen, dass hier bald die Lichter ausgehen.
Psychologe Krüger geht da weiter. »Jahrzehntelang haben wir in einer Gesellschaft mit einem starken Kollektivgedanken gelebt, in dem das ›Ich-Sagen‹ nicht genügend berücksichtigt werden konnte«, sagt er. »Erst in den letzten zehn Jahren haben wir eine Entwicklung, in der wir viel fröhlicher anfangen, über uns selbst nachzudenken.«
Die Bedeutung des »Ich« in der Gesellschaft steige – allerdings mit dem Risiko, dass das Ganze ins Egozentrische kippe. Insbesondere verunsicherte Gesellschaften neigten zu Vereinzelung, Entsolidarisierung und Verteilungskämpfen. »Das Schenkverhalten ist ein winziges Symptom in dieser ganzen Entwicklung. Doch daran sieht man, in welche Richtung eine Gesellschaft laufen könnte.«