Was Gentests können |
Mit einem Gentest lässt sich zum Beispiel in einigen Fällen abschätzen, wie wirksam ein bestimmtes Medikament bei einem Patienten sein wird. / Foto: Getty Images/Andrew Brookes
Ein Tropfen Blut oder etwas Speichel, mehr wird für einen Gentest normalerweise nicht gebraucht. Das Ergebnis kann dabei helfen, das Risiko für bestimmte, eventuell erbliche Krankheiten abzuschätzen, aber auch zu beurteilen, wie Patienten möglicherweise auf bestimmte Therapien reagieren, oder detailgenau Blutgruppen zu bestimmen.
Je nach Bedeutung des Ergebnisses lassen sich drei verschiedene Arten von Gentests unterscheiden: Diagnostische Gentests zielen darauf, die Ursache einer bereits bestehenden Erkrankung zu finden. Prädiktive Gentests sollen dabei helfen, bestimmte Eigenheiten im Stoffwechsel einer Person zu erkennen, die zum Beispiel die Wirkung eines Arzneimittels beeinflussen oder die zusammen mit Umwelteinflüssen eine Erkrankung auslösen – hier geht es um die bestmögliche Behandlung. Prognostische Gentests werden herangezogen, um das Risiko einer Person für zukünftige Krankheiten abzuschätzen oder auch Aufschluss darüber zu geben, wie wahrscheinlich es ist, dass sie ein genetisches Merkmal oder eine Krankheit an die eigenen Kinder vererbt. Abgesehen von der Medizin werden Gentests auch in der Strafverfolgung oder zur Klärung der Abstammung, etwa bei einem Vaterschaftstest, eingesetzt.
Diagnostische Gentests finden vor allem in der Krebsbehandlung Anwendung, wenn es darum geht, herauszufinden, welche Erbgutveränderungen für einen Tumor verantwortlich sind. In einigen Fällen kann der Krebs mit diesem Wissen gezielter behandelt werden. Die Brustkrebstherapie beispielsweise hat sich durch die Möglichkeit, Tumoren genetisch zu analysieren, grundlegend gewandelt. Während früher alle Patientinnen nach dem Gießkannenprinzip die gleiche Behandlung erhielten, stehe heute mehr und mehr die einzelne Patientin mit ihren spezifischen Tumoreigenschaften im Blick – Stichwort »personalisierte Medizin«, betont die Deutsche Krebshilfe. So ließen sich mit modernen Gentests überflüssige Chemotherapien vermeiden, indem vorab Patientinnen mit einem geringen Rezidivrisiko herausgefiltert werden könnten, die kaum einen Nutzen von der Chemotherapie – mit all ihren Nebenwirkungen – hätten.
Mit prädiktiven Gentests dagegen lässt sich genauer abschätzen, wie wirksam eine Therapie bei einem bestimmten Patienten sein wird. Sie zeigen idealerweise, ob beispielsweise Mutationen in der DNA vorliegen, bei denen spezifische Medikamente besonders wirksam sind. Es geht also nicht um die Frage, ob therapiert werden soll, sondern womit. Auch kann eine DNA-Analyse Hinweise darauf geben, wie langsam oder schnell ein Medikament verstoffwechselt wird oder mit welchen Nebenwirkungen zu rechnen ist.
Auch Bluttransfusionen können durch moderne Gentests sicherer werden, betont Dr. Christof Weinstock, Abteilungsleiter Immunhämatologie und Blutgruppenserologie am Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm (IKT) und Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI). Im Gespräch mit PTA-Forum zeigte er sich überzeugt davon, dass die Bestimmung der Blutgruppe zukünftig häufiger automatisiert von Sequenziermaschinen übernommen werden könnte. »Mit ihnen können in einem Schritt alle Gene entschlüsselt werden, die für die Blutgruppen verantwortlich sind.«
Das erhöhe die Sicherheit für Patienten, weil Blutprodukte so noch detaillierter bestimmt und damit passgenauer ausgewählt werden könnten. Denn im medizinischen Alltag sind deutlich mehr Blutgruppen relevant als diejenigen, die im üblichen Blutspenderausweis stehen. Die International Society of Blood Transfusion unterscheide insgesamt 45 verschiedene Blutgruppen, erläuterte Weinstock. Berücksichtige man die verschiedenen Varianten der einzelnen Blutgruppen-Gene, ergäben sich sogar 360 verschiedene Blutgruppen. Vor allem für Menschen, die häufig eine Bluttransfusion erhielten, bringe das neue Verfahren deshalb Fortschritte. So etwa für Patienten, die an einer Sichelzellanämie leiden. Bei ihnen zerfallen die roten Blutkörperchen vorzeitig und es kommt zu einer Anämie, sodass sie auf die Bluttransfusion angewiesen sind. Die Sequenzierung ihrer Gene könnte detaillierte Informationen über mögliche Antigene liefern, die riskante Immunreaktionen auslösen könnten. »Durch die Genotypisierung sparen wir viele zeitaufwendige serologische Tests, die Mehrkosten werden sich in Grenzen halten«, so Weinstock.
Ein anderes Gebiet, auf dem die moderne Gensequenzierung große Vorteile bringt, sei die Bestimmung unbekannter Erreger beziehungsweise Pathogene, erklärt Weinstocks Kollegin Dr. Marita Führer. Dank moderner Gensequenzierung sei es dem IKT Ulm am Anfang der Covid-19-Pandemie gelungen, innerhalb von sechs Wochen die Sequenz des neuartigen Virus zu bestimmen – um dann wirksamer dagegen vorzugehen. Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet in dem Fachgebiet Transfusionsmedizin und Hämostaseologie ist die Behandlung von Gerinnungsstörungen. »Hier helfen genetische Tests, die zum Beispiel verschiedene Varianten der Gefäßwände feststellen, zu bestimmen, wie lange ein Patient ein bestimmtes Präparat zur Blutverdünnung nehmen sollte, damit es optimal wirkt und nicht schadet.«
Prognostische Gentests schließlich können auf eine erbliche Veranlagung für bestimmte Krankheiten hinweisen. Pränatale genetische Untersuchungen sind allerdings nur erlaubt, wenn mögliche genetische Änderungen die Gesundheit des Kindes vor oder nach der Geburt beeinträchtigen können. Genetische Tests auf Krankheiten, die erst nach dem 18. Lebensjahr auftreten, sind vor der Geburt verboten.
Unter welchen Umständen welche Genuntersuchungen erlaubt sind und wie die Menschen zuvor darüber aufgeklärt werden müssen, ist im Gendiagnostikgesetz geregelt. Es schreibt auch vor, dass keine genetische Untersuchung ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Betroffenen stattfinden darf.
Bei der Aufklärung muss der Arzt über den Ablauf, die Risiken und die möglichen Folgen der Ergebnisse eines Tests informieren. Zwischen dem Gespräch und der Untersuchung liegt eine angemessene Bedenkzeit. Denn es gibt auch ein Recht auf Nichtwissen: Man kann sich gegen einen Gentest entscheiden, ohne Gründe nennen zu müssen. Zusätzlich zur Aufklärung sieht das Gendiagnostikgesetz eine besondere Beratung zu den möglichen medizinischen, psychischen und sozialen Auswirkungen vor, die die Ergebnisse einer DNA-Analyse mit sich bringen können – zum Beispiel, wenn der Gentest ein Risiko für eine unheilbare Erkrankung festgestellt hat. Wann solche Beratungsgespräche angeboten werden müssen, hängt von der Art der genetischen Untersuchung ab.
Die Beratung soll verständlich sein und nicht zu einer bestimmten Entscheidung drängen. Sie soll auch Anlaufstellen nennen, die bei körperlicher oder seelischer Belastung unterstützen. Laut Gendiagnostikgesetz dürfen nur Fachärzte für Humangenetik oder solche mit einer entsprechenden Zusatzqualifikation das Beratungsgespräch führen.
DNA-Analysen haben – wie alle anderen medizinischen Untersuchungen – nur eine begrenzte Aussagekraft. Meist werden nicht alle, sondern nur die häufigsten Genveränderungen entdeckt. Auch wenn ein verändertes Gen gefunden wird, lässt sich oft nicht zuverlässig vorhersagen, ob und wann eine Krankheit bei einem Menschen ausbricht. Umgekehrt gibt auch ein unauffälliges (negatives) Testergebnis keine hundertprozentige Sicherheit, nicht zu erkranken. Das Risiko für Erkrankungen wie Diabetes, Asthma, Bluthochdruck oder die koronare Herzerkrankung kann familiär beeinflusst sein, hängt aber auch zum großen Teil von Umweltbedingungen und der persönlichen Lebensführung ab. Deshalb sind Gentests bei diesen Erkrankungen meist nicht sehr aussagekräftig. Das Wissen um ein erhöhtes Risiko oder die Erbanlage für eine Krankheit, die nicht behandelt oder geheilt werden kann, kann belastend sein und viele Ängste auslösen.
Die genetischen Informationen finden sich im Kern einer jeden Körperzelle auf den Chromosomen. Diese Chromosomen bestehen aus leiterförmigen DNA-Strängen, die wiederum aus einzelnen Abschnitten bestehen, zu denen auch die Gene gehören. Die Gene sind die eigentlichen Träger der Erbinformationen.
Für einen Gentest werden meist Zellen aus dem Blut untersucht, manchmal auch Haare oder Zellen aus der Mundschleimhaut. Aus diesen Zellen isoliert man im Labor das Erbgut, um es »auszulesen«: Durch den Vergleich der chemischen »Buchstabenfolge« des untersuchten DNA-Strangs mit der üblichen Folge, in der alle DNA-Stränge aufgebaut sind, lassen sich unterschiedliche Gene und Veränderungen in einem Gen erkennen.
In der Regel steckt in einem Gen der Bauplan für ein Protein, das wiederum beispielsweise einen Teil des Stoffwechsels steuert oder an der Zellteilung beteiligt ist. Einerseits beruhen nach medizinischen Erkenntnissen 1000 Erbkrankheiten darauf, dass eine Genveränderung zum Ausfall eines Proteins führt. Andere Genveränderungen haben allein nur einen kleinen Einfluss auf die Gesundheit. Die Auswirkungen hängen dann oft von weiteren Genen sowie von Lebensstil und Umweltfaktoren ab.