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Was hinter Allergien und Intoleranzen steckt

Wer sich nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel unwohl fühlt – sei es durch Beschwerden im Bauch oder Hautreaktionen –, könnte an einer Allergie oder Lebensmittelintoleranz leiden. Doch worin liegt eigentlich der Unterschied? Woran erkennt man, woran man leidet und was lässt sich dagegen tun? Antworten auf diese Fragen hat Dr. Sunhild Gernert beim Online-Lebensmittelallergietag des Deutschen Allergie- und Asthmabunds geliefert.
Katja Egermeier
25.06.2025  16:00 Uhr

Was ist der Unterschied zwischen Nahrungsmittelunverträglichkeit, Allergie und Intoleranz?

Der Begriff Nahrungsmittelunverträglichkeit steht für alle Beschwerden im Zusammenhang mit der Aufnahme von Nahrungsmitteln, wie Dr. Sunhild Gernert, Oberärztin am Marienhospital in Bonn in einem Podcast erklärt. Dabei unterscheidet man grob zwei Arten von Beschwerden: mit immunologischer (Allergie) und nicht immunologischer Ursache (Intoleranz).

Letztere kann zum Beispiel eine Aufnahmestörung im Darm sein, ausgelöst durch einen Enzymmangel. Am häufigsten sind Lactoseintoleranz, Fructoseintoleranz, Histaminintoleranz und Zöliakie. Typische Symptome dieser Stoffwechselstörung sind Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall, aber auch pseudoallergische Symptome wie Atembeschwerden, Hautausschläge, Hautrötungen, Kopfschmerzen und Herzrasen.

Allergien zählen ebenfalls zu den Unverträglichkeiten, haben jedoch einen immunologischen Auslöser. Sie sind seltener als Intoleranzen, rufen jedoch ähnliche Beschwerden hervor, was eine eindeutige Zuordnung zunächst erschwert. Allergien lassen sich weiter in untergliedern in

  • die Typ-1-Allergie, auch bekannt als Soforttyp-Allergie,
  • die Typ-4-Allergie, auch Spättyp-Allergie genannt,
  • die Zöliakie, die ein Mischbild aus autoimmunologisch und anderen Entzündungsreaktionen ist oder
  • die Pseudoallergie, die Allergiesymptome hervorruft, aber nicht auf einer immunologischen Reaktion beruht.

Welche Mechanismen liegen einer Allergie zugrunde?

Bei einer Typ-1-Allergie (Soforttyp-Allergie) beginne alles mit dem Erstkontakt eines eigentlich harmlosen Nahrungsmittelbestandteils – meist einem Protein – mit der Haut oder Schleimhaut, so Gernert. Das Immunsystem erkennt dieses Protein fälschlicherweise als gefährlich und bildet spezielle Abwehrstoffe – die Immunglobulin-E-Antikörper (IgE). Diese binden sich vor allem an Mastzellen, die sich in großer Zahl in Haut, Atemwegen und Schleimhäuten befinden. Kommt es später erneut zum Kontakt mit demselben Allergen, bindet dieses an die IgE-Antikörper auf den Mastzellen – diese werden aktiviert und setzen entzündungsfördernde Botenstoffe frei. »Diese verursachen schlussendlich dann das, was wir als allergische Reaktion sehen«, erklärt Gernert.

Im Unterschied zur Typ-1-Allergie wird die Reaktion bei einer Typ-4-Allergie nicht durch IgE-Antikörper ausgelöst, sondern durch bestimmte weiße Blutzellen – sogenannte T-Lymphozyten. Diese können sich ebenfalls auf bestimmte Eiweiße spezialisieren, die sie als fremd oder gefährlich einstufen. Nach dem Kontakt mit einem solchen Eiweiß kommt es jedoch nicht sofort zu einer Reaktion. Stattdessen dauert es mehrere Stunden, bis die T-Zellen aktiv werden und eine Entzündungsreaktion auslösen. Deshalb spricht man auch von einer Spättyp-Allergie.

Wie unterscheiden sich die Beschwerden der Allergietypen?

Bei der Soforttyp-Allergie, die am schwersten abläuft, können Beschwerden sehr schnell und im ganzen Körper auftreten. Typisch sind laut Gernert milde bis heftige Hautreaktionen in Form von Quaddeln, Nesselsucht, Rötungen, Schwellungen an Augen und Schleimhäuten und Gesicht. Es könne auch zu Luftnot oder schwerem Atemversagen kommen sowie an den Schleimhäuten im Magen-Darm-Trakt zu Schwellungen und krampfartigen Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfällen. »Bei der schwersten Form der Reaktion, die vor allem im Erwachsenenalter auftreten kann, kommt es zum Abfall des Blutdrucks und schlussendlich kann es bis zum allergischen Schock kommen«, so die Expertin.

Bei einer Spättyp-Allergie ist typischerweise der Magen-Darm-Trakt betroffen, zum Beispiel mit blutigem Stuhl, Magenschmerzen oder Erbrechen als Folge. Auch diese Beschwerden können zum Kreislaufschock führen, jedoch durch den Flüssigkeitsverlust bei Darmbeschwerden.

Ist eine Allergie oder eine Intoleranz gefährlicher?

Grundsätzlich ist eine Allergie aus Sicht der Allergologin als gefährlicher einzustufen, da es zu lebensbedrohlichen und in seltenen Fällen auch tödlichen Reaktionen kommen kann. Eine Insektengiftallergie zum Beispiel könne innerhalb einer halben Stunde zu schwerem Kreislaufversagen führen. »Das ist natürlich eine andere Situation, als wenn ich Bauchkrämpfe oder Blähungen habe.« Denn bei Nahrungsmittelintoleranzen beschränken sich die Beschwerden meist auf den Verdauungstrakt und lebensbedrohliche Reaktionen wie ein Kreislaufstillstand oder ein anaphylaktischer Schock sind nicht möglich.

Art der Unverträglichkeit Allergie Intoleranz
Mechanismus immunologisch, kann den ganzen Körper betreffen nicht immunologisch, meist Enzymmangel, findet in erster Linie im Magen-Darm-Trakt statt, dort erschwerte Aufnahme des Nahrungsmittels
Beschwerden eindeutige, teilweise schwere Symptome in einem kurzen zeitlichen Zusammenhang (meist innerhalb von 30 Minuten nach Verzehr) mehr unklare Beschwerden, nicht immer im klaren zeitlichen Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme
Aufnahmemenge kleinste Mengen genügen für allergische Beschwerden, lässt sich jederzeit im gleichen Ausmaß provozieren meist größere Menge für Beschwerden notwendig, nicht bei jedem Konsum die gleichen Beschwerden
bei Meidung des Auslösers beschwerdefrei Beschwerden verschwinden nicht immer zuverlässig
Wesentliche Unterschiede zwischen Allergien und nicht immunologische Unverträglichkeiten 

Wie sieht die Diagnostik bei Allergien und Intoleranzen aus?

Bei den Soforttyp-Allergien fußt die Diagnostik Gernert zufolge auf drei Säulen:

  • Anamnese: Gab es nach dem Konsum von Nahrungsmitteln entsprechende Beschwerden? Welches Lebensmittel wird als Auslöser verdächtigt? Wichtig: Gibt es einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Konsum und Reaktion?
  • Sensibilisierungstest: Haut- oder Bluttests. Wichtig: Ein positiver Allergietest hat erst dann einen Krankheitswert, wenn bei Kontakt mit dem Allergen entsprechende Symptome auftreten.
  • Provokationstest: Wird eingesetzt, wenn nach dem Sensibilisierungstest noch Unsicherheit besteht. Er findet in einer Praxis unter ärztlicher Aufsicht statt, da es zu starken allergischen Reaktionen kommen kann.

Die Diagnose von Spättyp-Allergien stellt sich aus Gernerts Sicht deutlich schwieriger dar. Bluttests lieferten nur indirekte Hinweise und zeigten höchstens, dass eine Immunreaktion möglich ist – nicht, ob tatsächlich eine Allergie vorliegt. Deshalb seien Auslassversuche und eine längere Beobachtung wichtig: Treten die Beschwerden ohne den verdächtigen Stoff nicht mehr auf, spreche das für eine Allergie. Eine eindeutige Diagnose sei aber oft nicht sofort möglich.

Fallen Allergietests eindeutig negativ aus, kann eine Nahrungsmittelintoleranz vorliegen. Auch hier wird bei der Diagnose in der Regel mit der Krankheitsgeschichte begonnen, am besten anhand eines Ernährungstagebuches des Betroffenen. Diagnostisch sind Bluttests oder beispielsweise bei Lactoseintoleranz ein Wasserstoff-H2-Atemtest möglich. 

Wie sieht die Behandlung einer Allergie aus?

Für die Behandlung einer Allergie stehen verschiedene Ansätze zur Verfügung. An erster Stelle steht laut Gernert die Meidung des Auslösers. Liegen mehrere oder ein Grundnahrungsmittel als Auslöser vor, sei zudem eine Ernährungsberatung ratsam. Dabei müsse abgewogen werden, wie streng die Meidung sein soll. »Wir gehen von der Beratung her immer mehr in Richtung abgestufte Meidung, um die Lebensqualität nicht unnötig stark einzuschränken, sondern nur da, wo es nötig ist.«

Ein anderer Ansatz ist die Desensibilisierung. Dabei wird das Immunsystem wieder umprogrammiert und es wird versucht, die Toleranz gegenüber dem Allergen wiederherzustellen. Das erfolgt laut Gernert durch den regelmäßigen Kontakt mit dem Allergen und funktioniere gut bei Pollen – bei Nahrungsmitteln jedoch stecke die orale Immuntherapie noch in den Anfängen. Eine weitere Möglichkeit sind die sogenannten Leitern. Hier wird versucht, zum Beispiel von Milch und Eiern in gebackener Form, die gut vertragen werden, langsam auf weniger verarbeitete und erhitzte Produkte umzusteigen, um die Toleranz zu steigern.

Gernert: »Insgesamt – sowohl für die Pollen als auch für die Nahrungsmittel – klappt eine Heilung nicht über eine Desensibilisierung, sondern man verändert letztendlich nur das Ausmaß der Reaktion und der Verträglichkeit. Eine echte Heilung ist auf diesem Wege bislang noch nicht möglich.« Das gelte auch für Medikamente wie Antiallergika, Adrenalin, Salbutamol oder Cortison. Diese seien jedoch aus Sicht der Allergologin notwendig, um eine allergische Reaktion zu behandeln.

Wie werden Intoleranzen behandelt?

Ist eine Nahrungsmittel-Unverträglichkeit festgestellt, heißt es, sich an die individuelle Verträglichkeitsgrenze des Betroffenen heranzutasten. Denn häufig werden geringe Mengen des problematischen Stoffes gut vertragen. Dafür wird dessen Aufnahme zunächst deutlich eingeschränkt und anschließend wieder schrittweise eingeführt. Auf diese Weise lässt sich feststellen, ab welcher Menge die Symptome auftreten. Danach kann eine Ernährungsumstellung erfolgen. 

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