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Wechseljahre

Was Hormonersatz kann – und was nicht

Wird aus den Wechseljahren derzeit ein viel zu großes Thema gemacht oder hat die mediale Fokussierung auf diese Lebensphase von Frauen ihre Berechtigung? Wohl Letzteres, allerdings differenziert betrachtet, so ordnet es Professor Dr. med. Petra Stute, Inselspital Bern, im Gespräch mit PTA-Forum ein.
AutorKontaktIsabel Weinert
Datum 06.05.2025  08:30 Uhr

PTA-Forum: Soll man eine Hormonersatztherapie (HRT) nur beginnen, wenn man starke Symptome der Wechseljahre hat oder gibt es auch andere Gründe, die dafürsprechen, generell ab einem bestimmten Alter Hormone zu substituieren?

Stute: Das kommt auf das Alter der Frau an. Das heißt, wenn eine Frau eine frühe oder vorzeitige Menopause hat, das bedeutet, die Menopause beginnt schon mit 45 oder jünger, dann erhält sie eine HRT selbst wenn sie keine Beschwerden hat. Denn in diesem Fall dient die HRT der Prävention von chronischen, nicht übertragbaren Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose und Demenz. Bei allen anderen Frauen, die im typischen Alter die Wechseljahre erleben, sind die Symptome die Hauptindikation. Zu diesen Symptomen zählen natürlich auch Zyklusstörungen. Das heißt, man muss jetzt nicht auf die Hitzewallungen warten, sondern es können auch andere Symptome auftreten, die therapiebedürftig sind.

PTA-Forum: Warum kann Frau nicht einfach die Pille weiternehmen?

Stute: Das ist möglich, aber nur unter der Voraussetzung, dass man topgesund ist. Das bedeutet, man darf in keinster Weise irgendwelche Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Risikofaktoren dafür haben, wie Übergewicht oder Rauchen oder irgendwelche familiären Faktoren. Dann können Frauen die Pille weiternehmen bis zum 50. Lebensjahr und ab dann sollte umgestellt werden, und zwar entweder auf ein Verhütungspräparat, das nicht das künstliche Estrogen Ethinylöstradiol enthält oder auf eine HRT.

PTA-Forum: Warum kein Ethinylöstradiol mehr ab diesem Alter?

Stute: Das Ehinylöstradiol verändert zum Beispiel die Gerinnung im Blut stärker als bioidentische Estrogene oder Gelbkörperhormone. Mit zunehmendem Alter steigt aber ohnehin das Risiko für Thrombosen entweder auf der venösen oder auf der arteriellen Seite, Deshalb möchte man dieses Hormon als weiteren Risikofaktor nicht noch zusätzlich.

Man würde aber auch bei einer Frau, die über 40 Jahre alt ist und wieder verhüten möchte, nicht mit einer Pille beginnen, die Ethinylöstradiol enthält.

PTA-Forum: Wann ist der späteste Zeitpunkt, um mit einer HRT zu beginnen?

Stute: Manche Frauen brauchen eine solche Therapie ja überhaupt nicht. Deswegen ist sowieso die Frage, ob man mit einer HRT überhaupt beginnt, immer individuell, in Abhängigkeit von den Symptomen. Die allermeisten Frauen haben die Beschwerden zudem ab 40 beginnend aufwärts. Das heißt, es ist sehr selten, dass eine Frau mit 60 noch eine HRT möchte, obwohl die Menopause schon lange hinter ihr liegt.

PTA-Forum: Im Sinne eines Lifestyle-Medikaments, um länger frisch auszusehen, kommt niemand auf die Idee in höherem Lebensalter zu sagen, sie möchte mit einer HRT beginnen?

Stute: Das ist superselten. Und jünger aussehen wollen ist nie eine Indikation. Außerdem muss man ehrlicherweise sagen, wenn es nur ums Aussehen geht und man hat jahrelang keine Hormone gehabt, dann tritt mit einer spät gestarteten Hormontherapie auch kein dramatischer Verjüngungseffekt ein.

Wenn man es wirklich ästhetisch betrachtet, dann sind die Hauptmaßnahmen nach wie vor Sonnenschutz, nicht rauchen, gesund ernähren. Estrogene können, wenn man sie in den Wechseljahren startet, natürlich helfen, weil sie die bindegewebsproduzierenden Zellen anregen, Kollagen und auch Hyaluronsäure zu synthetisieren, aber eben nicht, wenn man Jahre nach der Menopause beginnt.

PTA-Forum: Ist eine nachlassende Libido ein Grund, mit einer HRT zu beginnen oder ist das einfach auch altersbedingt?

Stute: Es kann sowohl als auch der Fall sein. Fragt man klimakterische Beschwerden ab, dann auch die Libido und allgemein sexuelle Beschwerden, das heißt, wenn das ein Symptom ist, das stört, dann kann man das Ganze natürlich hormonell angehen, immer vorausgesetzt, man hat ausgeschlossen, dass es andere Ursachen gibt. Denn es gibt natürlich gerade, was das Thema Libido angeht, viele Störfaktoren, die man auch mit einer HRT nicht wegbekommt.

PTA-Forum: Gilt das für alle Symptome?

Stute: Ja, man muss sich immer überlegen, welche anderen Gründe gibt es noch, dass dieses Symptom da ist und dass man diese anderen Gründe ausschließt, gegebenenfalls behandelt und nicht immer denkt, es sind die Wechseljahre. Das gilt ausnahmslos für alle Symptome, die im Rahmen der Wechseljahre auftreten.

In den allermeisten Fällen wird in den verschiedenen medizinischen Bereichen zwar gar nicht an die Wechseljahre als Ursache von Beschwerden gedacht, aber andererseits gibt es in den sozialen Medien den gegenläufigen Trend, bei dem Frauen wirklich alle möglichen Symptome auf die Wechseljahre schieben.

PTA-Forum: Spricht etwas dagegen, eine HRT lebenslang durchzuführen?

Stute: Das Wichtigste ist, dass die Hormone den eigentlichen Alterungsprozess nicht hinauszögern. Das wäre natürlich wünschenswert, dass das irgendwie konserviert, aber das ist leider nicht der Fall. Das heißt, dass auch wenn man die Hormone nimmt, die Alterung der Hormonachsen voranschreitet. Die Schwierigkeit ist, dass man keinen Test machen kann, um vorher zu wissen, wie lange jedes einzelne Symptom dauert. Das heißt, man bekommt das immer nur mit Ausprobieren heraus. Deshalb reduziert man die Dosis und beobachtet, was passiert, also ob Symptome wieder auftreten oder eben nicht.

Mit dem Wissen, dass Hitzewallungen im Schnitt 7,6 Jahre dauern, macht es wenig Sinn, die Dosisreduktion drei Monate nach Therapiestart einzuleiten, weil es unwahrscheinlich ist, dass sich das Problem nach drei Monaten schon gelöst hat. Das heißt, in aller Regel läuft es so ab: Wenn jemand eine HRT startet, dann ist man erst einmal froh, wenn man die Dosis und die Therapie gefunden hat, die die Symptome gut abdeckt. Dann wird das in der Regel erst einmal ein paar Jahre beibehalten.

Wirklich wichtig dabei ist, dass man sich jedes Jahr trifft, dass das also nicht plötzlich ein Selbstläuder ist, sondern dass man jedes Jahr laut darüber nachdenkt: Vertragen Sie die Präparate? Was machen die Symptome? Sind neue Erkrankungen hinzugekommen? Sollte man die Dosis anpassen oder umstellen? Irgendwann taucht dann meist die Frage vonseiten der Patientin auf, ob man die Dosis mal reduzieren könnte. Dann macht man das und schaut, was passiert. Wenn man dann feststellt, die Symptome kehren nicht wieder, kann man überlegen, die Dosis weiter zu reduzieren, aber es wird auch Frauen geben, die sehr lange Beschwerden haben und merken, dass das mit dem Reduzieren keine gute Idee ist.

Es wird auch immer Frauen geben, die nach einer gewissen Zeit sagen, dass sie einfach nicht mehr dauernd etwas nehmen möchten und die dann einfach aufhören. Dann gibt es Frauen, die sagen, bis zur Rente mache ich gar keine Experimente, danach bin ich etwas flexibler. Und dann wird es Frauen geben, die merken, dass es ihnen mit den Hormonen besser und sie die deshalb einfach immer nehmen. Das ist alles okay. Wichtig ist jedoch, dass wir Ärzte das jährlich begleiten, dass man also nicht einfach ein Dauerrezept über 20 Jahre ausstellt, ohne darüber nahcgedacht zu haben.

PTA-Forum: Ist es eigentlich Glückssache, ob eine Frau Wechseljahresbeschwerden nicht bekommt?

Stute: Es gibt gewisse Trigger oder Risikofaktoren wie zu viel Alkohol trinken, hohes Gewicht, Rauchen, psychische Erkrankungen in der Vorgeschichte oder Diabetes, aber selbst, wenn man die alle nicht hat, kann man Symptome bekommen. Schützende Faktoren sind ein hoher Bildungsgrad, ein gutes soziales Netzwerk. Es gibt auf jeden Fall auch eine genetische Komponente.

PTA-Forum: Wirken vaginale Estrogenpräparate gar nicht systemisch?

Stute: Es geht nur in den ersten zwei Wochen, wenn man startet, ein bisschen was in die Blutbahn hinein, weil die Vaginalwand dann noch dünn ist und mehr resorbiert wird. Aber wenn eine Frau dann konsequent behandelt, wird die Vaginalwand wieder dicker und die Hormonwerte im Blut verändern sich nicht. Das heißt, wenn ich Symptome habe, die über die genitalen Symptome hinausgehen wie Hitzewallungen, Schlafstörungen et cetera lässt sich das nicht mit einer vaginalen Estrogentherapie behandeln. Man hat auch keinen Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Osteoporose.

Indikationen der vaginalen Therapie sind Scheidentrockenheit, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, rezidivierende Harnwegsinfekte oder Reizblase und eben auch Veränderungen im Bereich der Sexualität. Hier ist das die Basis. Vaginale Estrogenisierung ist das A und O, wenn es um die Sexualität geht.

PTA-Forum: Nimmt man mit HRT eher weniger zu in den Wechseljahren als ohne?

Stute: Ja, das ist richtig. Es ist insgesamt so, dass sich leider die Körperzusammensetzung und das Gewicht mit dem Älterwerden verändern, das heißt, Frauen nehmen zwischen 40. und 60. Lebensjahr etwa 10 Kilogramm zu und die Fettverteilung verändert sich, also die Body Composition. Es sammelt sich mehr Fett in der Bauchregion an. Mit einer HRT kann eine Frau Figur und Gewicht eher halten. Aber deshalb ist eine HRT nicht etwa ein Abnehmmedikament. Einfach nur Hormone anwenden hilft nicht, schlank zu bleiben, wenn man nicht gleichzeitig auch auf die Ernährung und Bewegung achtet.

PTA-Forum: Kann man Alters- und Wechseljahresbeschwerden voneinander unterscheiden? Gerade Gelenkbeschwerden können ja auch altersbedingt sein.

Stute: Gelenkbeschwerden sind ein gutes Beispiel: Wenn jemand kommt und sagt, sie hat Gelenkschmerzen, dann würde ich fragen, ob das immer das gleiche Gelenk ist oder wechselt das? Ersteres spricht für eine Arthrose. Die meisten Frauen mit Gelenkschmerzen aufgrund der Wechseljahre nennen hingegen wechselnde Stellen, mal weniger, mal mehr ausgeprägte Beschwerden, die vor allem morgens auftreten und sich im Laufe des Tages bessern.  Anders als bei einer Hüftarthrose oder auch bei einer rheumatischen Erkrankung. Schmerzen Gelenke zum Beispiel immer, schicke ich die Frau zum Rheumatologen, um abzuklären, ob da nicht etwas anderes ist.

PTA-Forum: Vielen Dank für das Gespräch.

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