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Live-Herstellung

Was in der Rezeptur schiefgehen kann, wenn keine Zeit ist

Frau Müller braucht dringend eine Rezeptur für ihren Mann und löst das Rezept am Freitagnachmittag ein. Ist die Creme wirklich plausibel? Warum es manchmal besser ist, genauer hinzuschauen – auch wenn die Zeit knapp ist – erklärten Johanna Weitzel und Franziska Linß von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster beim 8. westfälisch-lippischen Apothekertag (WLAT) im Rahmen einer Live-Herstellung.
Juliane Brüggen
21.09.2021  15:00 Uhr

In einem kleinen Rollenspiel zeigten die Apothekerinnen, was bei einer Individualrezeptur schiefgehen kann – vor allem, wenn Zeitdruck herrscht. Nicht nur, dass die fiktive Kundin Frau Müller, dargestellt von Weitzel, das Rezept an einem Freitagnachmittag in die Apotheke bringt, sie braucht die Creme sehr dringend, weil sie und ihr Mann am nächsten Tag in den Urlaub fahren.

Verordnet ist eine Rezeptur mit:

  • Harnstoff 10,00 g
  • Betamethasonvalerat 0,05 g
  • Weiche Creme DAC ad 100,00 g

Linß, die das Apothekenpersonal repräsentierte, prüft zunächst, ob alle Bestandteile da sind. Betamethasonvalerat ist nicht vorrätig – aber: »Wir haben noch Betamethason von der Kapselherstellung. Das kann ich ja einfach per Einwaagekorrekturfaktor umrechnen.« Für die Plausibilitätsprüfung ist die Zeit knapp, aber Linß denkt sich, der Dermatologe wisse schon, was er macht. »Das mach ich einfach«, sagt Linß, und so geht die Rezeptur an Frau Müller.

Dann kommt es, wie es kommen muss: Drei Wochen später kehrt Frau Müller in die Apotheke zurück und beschwert sich. Die Creme habe »überhaupt nicht gewirkt« und wenn man erst daran rieche: »Schön ist das nicht.« Außerdem knirsche es ordentlich, wenn man den Deckel öffnet.

Was ist passiert?

Dass die Rezeptur nicht wirkt, liege am ausgetauschten Wirkstoff, erklärte Linß. Das verordnete Betamethasonvalerat dürfe in der Apotheke nicht einfach durch Betamethason ersetzt werden. Der Ester sei bei Glucocorticoiden »bestimmend für den Wirkort«, in diesem Fall das lipophile, dermal wirksame Valerat.

Darüber hinaus bestehen noch weitere Inkompatibilitäten, wie Weitzel berichtete. Der in der Rezeptur verarbeitete Harnstoff unterliege einer autokatalytischen Hydrolyse. Im wässrigen Milieu führe ein pH-Sprung dazu, dass Harnstoff zu Kohlendioxid (CO2) und Ammoniak (NH3) zersetzt wird. Das Ammoniak erhöhe den pH-Wert weiter. »Man braucht dazu noch nicht einmal besonders viel. Bereits 0,1 Prozent vom zersetzten Harnstoff führen zu einem pH-Sprung – zum Beispiel von 6,5 auf 8,2«, so Weitzel. Um den pH-Sprung zu verdeutlichen, versetzte sie die missglückte Creme mit Phenolphthalein – das färbte die Creme prompt rosa.

Die Zersetzungsprodukte (CO2 und NH3) seien zwar unbedenklich, könnten aber andere Bestandteile der Rezeptur beeinträchtigen, ergänzte Linß. Betamethasonvalerat unterliegt beispielsweise einer basenkatalysierten Isomerisierung oder Esterhydrolyse. Auch eine Konservierung mit Sorbinsäure kann durch den erhöhten pH-Wert ihre Wirkung verlieren.

Ein weiterer Faktor sei die Temperatur, so Linß. Das DAC/NRF empfehle eine Lagerung im Kühlschrank. Dem Einwand von Weitzel, dass Harnstoff bei tiefen Temperaturen ausfalle, entgegnete sie, dass die Löslichkeit zwar verringert sei, aber auch Verdunstung eine Rolle spiele, die ebenfalls temperaturabhängig ist. Harnstoff müsse immer in der gleichen Menge Flüssigkeit gelöst sein, in der er eingesetzt wird. »Sobald geringe Verdunstungen von Wasser vorliegen, kann es dazu kommen, dass Harnstoffkristalle entstehen«, erklärte Linß. Eine Wechsellagerung mit Temperaturschwankungen könne diese Effekte noch verstärken.

Auch das Packmittel spiele eine Rolle, so Weitzel. Eine Kruke biete eine große Oberfläche, ermögliche viel Verdunstung und sei nicht sehr hygienisch. »Idealerweise sollte man das in einer Tube abfüllen.« Diese kann der Patient auch unproblematisch im Kühlschrank lagern.

Wie geht es besser?

Im Anschluss an die Fehleranalyse zeigten die Apothekerinnen, wie die Rezeptur in kompatibler Form hergestellt werden kann. Weitzel legte dazu etwas Grundlage vor und arbeitete zunächst das Betamethasonvalerat ein. Linß erläuterte, dass sich die pH-Problematik der Rezeptur durch einen Puffer lösen lasse. Es empfehle sich ein Citrat- oder Lactatpuffer, der im schwach sauren Bereich abpuffert. Der wässrigen Pufferlösung könne außerdem ein Konservierungsmittel zugesetzt werden. Linß nahm hierzu eine 0,1-prozentige Sorbinsäure-Lösung. Die Pufferlösung mache insgesamt etwa 5 Prozent der Gesamtrezeptur aus, was massentechnisch berücksichtigt werden muss. »Damit erreichen wir eine ausreichende Pufferkapazität in unserer Grundlage«, so Linß.

Der Harnstoff könne direkt in der wässrigen Pufferlösung gelöst werden, sagte Weitzel weiter. »Das ist eine stark endotherme Reaktion, das wird kalt.« Erwärmen sei jedoch kontraproduktiv, da dies zur Hydrolyse führe und dadurch »Puffer und Konservierung ihren Sinn verfehlen«. Die fertige Lösung arbeitete sie schließlich in die Grundlage ein und ergänzte die restliche Grundlage bis zur Endmenge.

Als mögliche Inprozesskontrollen nannte Linz das Ausstreichen der Creme, um auf Homogenität und Kristalle zu prüfen, die optische Beurteilung der Creme und die pH-Messung. Die Bestimmung mit einem Taschen-pH-Meter zeigte einen Wert von 4,7: »Das passt auf jeden Fall. Damit liegen wir in dem Bereich, dass wir die Rezeptur nun mit gutem Gewissen an den Patienten abgeben können«, sagte Linß. Die Abfüllung erfolgte in eine Aluminiumtube.

Als Fazit betonte Weitzel, wie wichtig die Plausibilitätsprüfung ist, auch wenn zeitlicher Druck besteht. »Eigentlich kommt eine Rezeptur immer zum falschen Zeitpunkt – es ist Freitagnachmittag, es ist kein Personal da. Das sollte aber keine Ausrede sein.« Die Apotheke stehe für qualitativ hochwertige Rezepturen, eine Kernkompetenz der Vor-Ort-Apotheke.

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