Was in der Schwangerschaft zu beachten ist |
Juliane Brüggen |
05.08.2024 08:00 Uhr |
Eine chronische Erkrankung ist in der Regel kein Grund, auf den Kinderwunsch zu verzichten. Wichtig ist ein frühzeitiges Gespräch mit dem Arzt. / Foto: Getty Images/PeopleImages
Die gute Nachricht ist, dass eine chronische Erkrankung einem Kinderwunsch meist nicht entgegensteht. Nur selten, zum Beispiel bei pulmonaler Hypertonie, raten medizinische Leitlinien gänzlich von einer Schwangerschaft ab. Aber auch dann ist sie unter engmaschiger Betreuung möglich.
Je nach Krankheit und Medikation ist vorausschauendes Planen empfehlenswert. Frauen sollten möglichst früh mit den behandelnden Ärzten sprechen, um wichtige Fragen zu klären – zum Beispiel, ob die eingesetzten Medikamente geeignet sind und wie sich die Schwangerschaft auf die Erkrankung auswirkt. In einigen Fällen zeigen sich positive Effekte auf die Krankheitsaktivität, zum Beispiel bei Multipler Sklerose (MS) oder Rheuma. Zu beachten ist jedoch ein potenziell erhöhtes Rückfallrisiko nach der Geburt. Grundsätzlich sollte die Krankheitsaktivität vor dem Eintritt der Schwangerschaft möglichst stabil auf einem niedrigen Niveau liegen. Im Folgenden zwei Beispiele.
Asthma bronchiale gehört zu den häufigsten chronischen Lungenerkrankungen in der Schwangerschaft. Einige physiologische Veränderungen während dieser Zeit können sich auf die Lungenerkrankung auswirken. So verlagert sich im Verlauf der Schwangerschaft das Zwerchfell um einige Zentimeter nach oben und die Residualkapazität der Lunge, das heißt, das Gasvolumen, das physiologisch nach dem Ausatmen in der Lunge verbleibt, nimmt ab, während der Sauerstoffverbrauch zunimmt. Es kann vermehrt zu Kurzatmigkeit kommen. Außerdem schwellen die Schleimhäute der oberen Atemwege leichter an.
Um Komplikationen zu vermeiden, sollte das Asthma zu Beginn der Schwangerschaft gut kontrolliert sein. Laut dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie »Embryotox« ist damit zu rechnen, dass die Erkrankung zu je einem Drittel stabil bleibt, sich verschlechtert oder verbessert. Ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten, neonatalen Sauerstoffmangel, Wachstumsverzögerungen, Präeklampsie und Schwangerschaftsübelkeit bestehe vor allem dann, wenn der Erkrankungsgrad schwer und die Therapiekontrolle unzureichend ist.
Die bei Asthma eingesetzten Medikamente werden überwiegend für das Ungeborene als sicher eingestuft. Die Therapie sollte leitliniengerecht entsprechend des Asthmastufenplans fortgesetzt werden. Viel höher ist die Gefahr für das Kind, wenn die Erkrankung unkontrolliert ist und es zu Asthmaanfällen kommt. Letztere sind während der Schwangerschaft immer ein Notfall, der im Krankenhaus behandelt werden sollte. Denn es besteht das Risiko, dass der Fetus nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt ist.
Embryotox nennt folgende Medikamente als Mittel der ersten Wahl in der Schwangerschaft:
Am Ende der Schwangerschaft ist zu bedenken, dass Beta-2-Sympathomimetika hemmend auf die Wehentätigkeit wirken können. Außerdem kann die Kohlenhydrattoleranz sinken, wenn die bronchienerweiternden Mittel mit Corticosteroiden kombiniert werden. Auswirkungen auf den Herzrhythmus von Mutter und Fetus sind nur bei sehr hohen Dosen beschrieben.
Eine inhalative Therapie mit Corticosteroiden wirkt sich laut Embryotox nicht auf den Fetus aus. Ist eine systemische Therapie erforderlich, sollte das Glucocorticoid Prednisolon bevorzugt werden. Dieses erreicht den Fetus nur zu einem geringen Anteil und die Datenlage ist sehr gut. Hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf den Fetus sind unter anderem Indikation, Dosis, Zeitpunkt und Therapiedauer relevant.
So kann es bei einer systemischen Behandlung im 2. und 3. Trimenon zu Frühgeburtlichkeit und einem geringeren Geburtsgewicht kommen. Auch die zugrundeliegende Erkrankung kann dazu beitragen. Neonatale Anpassungsstörungen wie Hypoglykämien sind möglich, wenn die Exposition in der Spätschwangerschaft erfolgte. Selten tritt beim Säugling eine Nebennierenrindeninsuffizienz auf. Ob die Anwendung im 1. Trimenon das Risiko für Lippen-Kiefer-Gaumenspalten erhöht, kann laut Embryotox nicht abschließend beurteilt werden.
Anticholinergika sollten nicht als Erstlinientherapie eingesetzt werden – falls erforderlich, ist Ipratropiumbromid das Mittel der Wahl. Unter monatlichen Spiegelkontrollen ist auch der Einsatz von Theophyllin möglich. Montelukast kommt wiederum infrage, wenn besser erprobte Therapien nicht erfolgreich waren. Der monoklonale Antikörper Omalizumab sollte hingegen nur angewendet werden, wenn alle konventionellen Therapien versagt haben – denn es fehlt laut Embryotox noch an Erfahrungen.
Zusätzlich ist es empfehlenswert, auf nicht-medikamentöse Maßnahmen zu setzen. Besonders wichtig sind Kenntnisse zum Selbstmanagement und zu Selbsthilfetechniken bei Atemnot – denn diese geben Sicherheit. Ein zusammen mit dem Arzt erstellter »Asthma-Aktionsplan« kann als Leitfaden dienen. Während das Einhalten einer besonderen Diät nicht erforderlich ist, sollten auslösende Allergene und bekannte Triggerfaktoren so gut es geht vermieden werden.
Etwa 2 bis 3 Prozent der Schwangeren sind von einer latenten Hypothyreose betroffen, etwa 0,3 bis 0,5 Prozent von einer manifesten Unterfunktion. Manifest heißt, dass der Laborwert für das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) erhöht ist, während die freien Schilddrüsenhormone fT3 (Trijodthyronin) und fT4 (Thyroxin) erniedrigt sind. Die Hormone sind für zahlreiche Stoffwechselvorgänge relevant – auch was das ungeborene Kind betrifft. Liegt der fT4-Wert bei erhöhtem TSH-Wert noch im Normbereich, spricht man von einer latenten Unterfunktion. Im Verlauf einer Schwangerschaft ändert sich der TSH-Wert auch physiologisch: im 1. Trimenon sinkt er leicht und steigt dann wieder an.
Häufig liegt einer manifeste Hypothyreose eine Hashimoto-Thyreoditis zugrunde, bei der die Schilddrüse aufgrund einer Autoimmunreaktion entzündet ist. Aber auch Medikamente wie Lithium oder eine Bestrahlung sowie (Teil-)Entfernung des Organs können die Unterfunktion auslösen. Bleibt die Erkrankung während der Schwangerschaft unbehandelt, besteht das Risiko von Fehlbildungen und psychoneurologischen Einschränkungen beim ungeborenen Kind. Essenziell ist daher neben einer ausreichenden Versorgung mit Jod die Substitution der Schilddrüsenhormone. Mittel der Wahl ist hierbei Levothyroxin.
Ist die Hypothyrose gut eingestellt, sind keine negativen Auswirkungen auf das Kind zu erwarten. Laut Degam-Leitlinie »Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis« ist ein TSH-Wert zwischen 0,4 und 4,0 mU/l anzustreben. Besonders wichtig ist dies bis zur 18. bis 20. Schwangerschaftswoche – erst dann ist die Schilddrüse des Fetus voll funktionsfähig. Da der Bedarf an Schilddrüsenhormonen während der Schwangerschaft steigt, ist meist eine Erhöhung der L-Thyroxin-Dosis um etwa 20 bis 30 Prozent erforderlich. Nach einer Dosisänderung sollten die Serumspiegel nach vier Wochen kontrolliert werden. Generell sind ärztliche Kontrollen alle vier bis acht Wochen sinnvoll. Nach der Geburt wird die Dosis meist wieder auf das präkonzeptionelle Level reduziert.
Ob eine latente Schilddrüsenunterfunktion bei Schwangeren behandlungsbedürftig ist, wird mittlerweile kontrovers diskutiert. Die aktuelle Degam-Leitlinie spricht in diesem Fall keine Empfehlung für eine Hormontherapie aus, da die Datenlage nicht ausreiche.