Was ist eigentlich umami? |
Barbara Döring |
17.10.2025 13:00 Uhr |
Fleisch und Shiitake-Pilze sind typische Umami-Geschmacksträger. / © Adobe Stock/Brebca
Hmm … das schmeckt aber umami! Dass es neben den altbekannten Geschmacksqualitäten süß, salzig, sauer und bitter eine fünfte gibt, hat der japanische Chemiker Kikunae Ikeda von der Universität in Tokio im Jahr 1908 entdeckt. Er nannte sie umami – der Begriff ist vom japanischen »umai« abgeleitet, was so viel bedeutet wie köstlich, lecker, vollmundig oder fleischig.
Im europäischen Sprachgebrauch ist der Begriff mehr als 100 Jahre später jedoch noch nicht überall angekommen. Während jeder sofort etwas mit »Süßem« assoziiert und sich vielleicht schon auf das leckere Dessert freut, kann man sich unter »umami« kaum etwas vorstellen. Als eigene Geschmacksrichtung, die sich nicht durch Kombination der anderen auslösen lässt, ist umami übrigens erst seit dem Jahr 2000 offiziell anerkannt.
Der Geschmack von umami lässt sich als herzhaft, würzig oder auch fleischig beschreiben und wird überwiegend von eiweißreichen Nahrungsmitteln vermittelt. Einen intensiven Umami-Geschmack besitzen beispielsweise Fleisch, Parmesankäse und anderer reifer Käse, Pilze wie Shiitake, Algen, Tomaten – vor allem getrocknete – oder Hefeextrakt. Ikeda entdeckte, dass Glutaminsäure (Glutamat), die er aus Seetang isolierte, den speziellen Geschmack hervorruft. Er brachte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Mononatriumglutamat als Würzprodukt mit dem Namen Aji-No-Moto auf den Markt, was so viel bedeutet wie »die Essenz des Geschmacks«.
Die Geschmacksrezeptoren, die im Mund auf Glutamat reagieren und umami vermitteln, entdeckten Forscher der University of Miami School of Medicine allerdings erst rund 100 Jahre später im Jahr 2000. Wird der entsprechende Rezeptor auf der Zunge angesprochen, sendet er das Signal von gutem Geschmack ans Gehirn und macht Lust auf mehr. Ähnlich wie die Geschmacksqualität süß, die kohlenhydratreiche Speisen anzeigt, hat umami mit der Wahrnehmung von Eiweiß die physiologische Funktion, Energie in der Nahrung zu erkennen, die für das Überleben wichtig ist.
Den wohligen Geschmack wahrzunehmen, soll evolutionär gesehen garantieren, dass der Mensch – etwa über Fleisch – ausreichend Aminosäuren aufnimmt. Schon Babys mögen deshalb umami. Allerdings ist der Geschmackssinn nicht wie bei süß und bitter von Geburt an vorhanden, sondern entwickelt sich wie bei sauer und salzig erst mit der Zeit.
Vermittelt wird Umami-Geschmack in erster Linie von Glutamat beziehungsweise von dessen Salz Mononatriumglutamat (MNG), das natürlicherweise in vielen proteinhaltigen, tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vorkommt. Der Gehalt variiert dabei je nach Reifegrad des Produkts. Während Mozzarella frei von Glutamat ist, liefern je 100 g Emmentaler durchschnittlich 308 mg und Parmesan immerhin 1680 mg, was sich entsprechend im Geschmack bemerkbar macht. Neben Glutamat gibt es weitere Aminosäuren, die das fleischige Geschmackserlebnis vermitteln. Literaturangaben zufolge sind es mehr als 20 Verbindungen.
Zudem aktivieren verschiedene Nukleotide Umami-Rezeptoren: Inosinmonophosphat (IMP) und Guanosinmonophosphat (GMP). IMP findet sich vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Sardinen (420 mg/100 g), Hähnchen- oder Schweinefleisch (230 mg/100 g), GMP in Pilzen wie Morcheln (40 mg/100 g) oder Shiitake (150mg/100 g). Auch IMP und GMP sind natürliche Bestandteile von Lebensmitteln oder werden ihnen zugesetzt. Darüber hinaus gibt es verschiedene Peptide mit zwei bis elf Aminosäuren, die ebenfalls den herzhaft-fleischigen Eindruck vermitteln. Die verschiedenen Substanzen wirken untereinander synergistisch und verstärken den Umami-Geschmack gegenseitig.
Am japanischen Kaiserhof soll es den Köchen verboten gewesen sein, die Speisen mit Umami-Würze zu verfeinern. Der ursprüngliche, reine Geschmack der Speisen sollte erhalten bleiben und nicht durch Geschmacksverstärker verändert werden. Während damals die Köche bei einem Verstoß um ihr Leben bangen mussten, fürchten Verbraucher heute aus anderen Gründen einen gesundheitlichen Nachteil bei der Verwendung des Geschmackverstärkers. Glutamat stand lange in Verdacht, Beschwerden wie das sogenannte »Chinarestaurant-Syndrom« hervorzurufen.
Der Begriff geht auf einen Brief zurück, den ein in China lebender Arzt in einem Fachjournal veröffentlichte. Er berichtete von Symptomen wie Taubheitsgefühl im Nacken, Schwäche und Herzklopfen nach dem Essen in einem Lokal und spekulierte, dass Mononatriumglutamat der Auslöser sein könnte. Heute ist nicht sicher, ob es sich nicht sogar um einen Scherz gehandelt haben könnte. Zwar zeigten frühere Studien negative Effekte bei Ratten; die Forschenden verabreichten dabei allerdings immens hohe Mengen der Substanz.
Nach einigen klinischen Berichten könnten bei empfindlichen Menschen ähnliche gesundheitliche Beeinträchtigungen nach einer Aufnahme ab 42,9 mg Natriumglutamat pro Kilogramm Körpergewicht auftreten. Ein Expertengremium der Federation of American Societies for Experimental Biology (FASEB) hatte festgestellt, dass ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung vorübergehend Reaktionen nach dem Genuss von Natriumglutamat zeigte – heute als Natriumglutamat-Symptom-Komplex bezeichnet. Allerdings traten auch hier die Beschwerden erst nach dem Genuss großer Mengen von 3 g oder mehr Natriumglutamat auf nüchternen Magen auf.
Auch gibt es in der Wissenschaft einzelne Stimmen, die einen Zusammenhang von Glutamat und neurodegenerativen Erkrankungen nicht ausschließen. Bei gesunden Menschen ist aufgrund der Blut-Hirn-Schranke der Einfluss selbst großer Mengen als unwahrscheinlich einzuschätzen, dennoch ziehen manche Wissenschaftler zumindest bei Menschen mit einer Störung des Gehirnstoffwechsels einen Einfluss in Betracht.
Auch wenn sich Vorbehalte gegen Glutamat nach wie vor halten, ist ein eindeutiger Zusammenhang mit den nachteiligen Wirkungen nicht gesichert. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) evaluierte im Jahr 2017 Glutamat und deren Salze als Lebensmittelzusatzstoffe erneut und bewertete sie als unbedenklich. Demnach gilt eine tägliche Aufnahme von bis zu 30 mg Glutamat pro Kilogramm Körpergewicht als sicher.
Auch das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) stuft die gelegentliche Verwendung von geringen Mengen Glutamat bei der Zubereitung von Speisen als unbedenklich ein. Eine zu hohe Zufuhr über entsprechende Würzmittel würde vermutlich schon durch die Tatsache begrenzt, dass Glutamat ab einer bestimmten Menge nicht mehr angenehm schmeckt.
Zudem unterscheidet der Körper bei der Verstoffwechselung nicht zwischen natürlicherweise in Lebensmitteln enthaltenem oder zugesetztem Glutamat. Wer dennoch auf zugesetztes Glutamat lieber verzichten möchte, muss nur auf das Produkt schauen. Laut der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) sind in Deutschland geschmacksverstärkende Zusatzstoffe als »Geschmacksverstärker« und mit der spezifischen Bezeichnung oder der E-Nummer zu kennzeichnen. Im Fall von Glutamat ist es E 620, Glutamat-Verbindungen wie Mononatriumglutamat fallen unter die E-Nummern 621 bis 625.
Dem Umami-Geschmacksträger Glutamat werden sogar auch positive Eigenschaften zugesprochen. Umami ist nicht nur ein Garant für Genuss. Studien zeigen, dass die Wahrnehmung von umami das Wohlbefinden insgesamt steigert. Es kann zudem den Speichelfluss anregen und die Produktion von Verdauungssäften fördern. Auch soll Glutamat die Darmperistaltik anregen. Da es den Eigengeschmack von Speisen verstärkt, lässt sich damit zudem die Salzmenge in Speisen reduzieren, sodass es bei der Prävention von Bluthochdruck und Übergewicht unterstützen kann.
Studien zeigen zudem, dass bei älteren Menschen mit einer verminderten Geschmackswahrnehmung der moderate Einsatz von Glutamat, etwa in Suppen oder Kartoffelpüree, die Nahrungsaufnahme steigern und so einer Mangelversorgung mit Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen vorbeugen kann. In reiner Form ist Mononatriumglutamat als Pulver in ausgewählten Lebensmittelläden erhältlich, etwa in Asiamärkten.
Glutamat fungiert im Gehirn natürlicherweise als ein zentraler Botenstoff und ist unter anderem für das Gedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit und die Appetitsteuerung wichtig. Die Wissenschaft geht davon aus, dass Glutamat, über die Ernährung aufgenommen, die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren kann. Studien zeigen, dass sich nach Glutamat-reicher Kost die Konzentration im Gehirn nicht erhöht. Die Gehirnzellen produzieren den Botenstoff aber selbst. Nervenzellen sind deshalb mit spezifischen Glutamat-Rezeptoren ausgestattet und passen den intrazellulären Glutamat-Spiegel bedarfsweise an. Glutamat spielt zudem bei der Signalübertragung in der Netzhaut eine Rolle und soll am Muskelaufbau beteiligt sein.
Um Glutamat als Lebensmittelzusatz herzustellen, wird übrigens das Bakterium Corynebacterium glutamicum herangezogen, das von der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie zur »Mikrobe des Jahres 2025« gekürt wurde. Unter bestimmten Bedingungen sezerniert es große Mengen L-Glutamat. Forschende in Japan isolierten es 1956 erstmals. Dies markierte den Beginn der industriellen fermentativen Aminosäureproduktion und das Bakterium wurde zu einem Modellorganismus der mikrobiellen Biotechnologie.
Ein Gewürz mit intensiver Umami-Note, das viele Köche gerade wieder entdecken, ist Garum. Die Flüssigkeit entsteht bei der Fermentierung von Fischinnereien und soll schon im Römischen Reich verwendet worden sein. Wem das zu abenteuerlich ist, der kann auch mit weniger exotischen Zutaten und ohne Fleisch oder Fisch einen herzhaft-würzigen Umami-Geschmack erzeugen, etwa mit Sojasoße, Tomatenmark, Pilzextrakt, Thymian, Majoran, Liebstöckel oder Pigment. Auch Knoblauch und weißer Pfeffer tragen dazu bei.
In vielen vegetarischen und veganen Rezepten sind zudem Hefeflocken angegeben, die als Würzmittel und zur Bindung von Flüssigkeit dienen. Sie verfeinern mit ihrem nussigen und käsigen Umami-Aroma zum Beispiel Brotaufstriche und binden Soßen und Suppen. Bei veganen Gratins können sie den Käse ersetzen. Hefeflocken gelten zudem als gute Quelle für Eiweiß und verschiedene B-Vitamine. Das für Veganer wichtige Vitamine B12 ist jedoch nicht enthalten. Manche Hersteller setzen es ihren Produkten daher zu.
Die Flocken werden aus Hefepilzen hergestellt – meist Back- oder Bierhefe, die auf Melasse oder Getreide gezüchtet werden. Dabei entsteht eine Flüssigkeit, die getrocknet und zu Flocken vermahlen wird. Eine Auswahl an Umami-Rezepten und umami-reichen Zutaten bietet das Umami-Informationszentrum in Tokio auf seiner Website www.umamiinfo.com. Das Zentrum wurde 1982 gegründet und ist in Japan inzwischen als gemeinnützige Organisation anerkannt.
Interessant: Nicht alle Menschen nehmen umami gleich stark wahr. Bei der Erkennungsschwelle gibt es starke individuelle Unterschiede. Bei 3 bis 5 Prozent der Bevölkerung liegt eine spezifische Ageusie vor, das heißt, sie können Glutamat und damit den typischen fleischigen Geschmack nicht erkennen. Liebhaber des vollmundigen Umami-Geschmacks dürften auch Vampirfledermäuse bedauern. Sie können weder süß noch umami schmecken, wie Forschende erst kürzlich herausfanden. Die Fähigkeit, die beiden Geschmacksqualitäten wahrzunehmen, ging ihnen schon vor vielen Millionen Jahren verloren. Als Blutsauger, die sich ausschließlich vom Blut von Vögeln und Säugetieren ernähren, sind sie schlicht und einfach nicht darauf angewiesen, umami zu schmecken.
Symbolbild / © Adobe Stock/Keddy
Einen herzhaft-würzigen Umami-Geschmack haben vegane Burgerpattys aus Kidneybohnen. Sie sind nicht nur fleischlos, die Zutaten kommen laut der Verbraucherzentrale Berlin auf einen ökologischen Fußabdruck von 197 CO2-Äquivalenten gegenüber 1380 CO2-Äquivalenten eines Pattys aus Rinderhackfleisch.
Zutaten: 250 g Kidneybohnen, 1 klein geschnittene Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, 60 g Haferflocken, 25 g Vollkornmehl oder Dinkelvollkornmehl, Öl und verschiedene Gewürze nach Wahl wie Misopaste, geräuchertes Paprikapulver, Cayennepfeffer, weißer Pfeffer, Sojasauce
Bohnen in einem Sieb abtropfen lassen und mit einer Gabel zerdrücken. Zwiebel anbraten, gepressten Knoblauch nach einer Minute kurz mitbraten. Beides zusammen mit Haferflocken und Mehl zu der Bohnenmasse geben und gut durchkneten. Nach Geschmack würzen und zugedeckt für mindestens 30 Minuten in den Kühlschrank stellen. Fünf Burgerpattys formen. Öl in einer Pfanne hoch erhitzen und die Pattys auf kleiner Flamme auf jeder Seite knusprig braten.
Quelle: Verbraucherzentrale Berlin