Was können Hautcheck-Apps? |
Eine unklare Hautveränderung per Smartphonefoto und App abklären zu lassen anstatt vom Hautarzt, birgt Risiken. / Foto: Getty Images/Mixmike
Es klingt ziemlich verlockend: Einfach ein paar Fotos der verdächtigen Hautstelle aus mehreren Perspektiven anfertigen, hochladen und abwarten – wenige Stunden später kommt dank künstlicher Intelligenz das Ergebnis, »mit beeindruckender Genauigkeit«, wie manche App wirbt.
»Skin Screener«, »SkinVisions«, »Intelligence Skin Check« oder »Dermanostic«: Die Zahl sogenannter Hautcheck-Apps, deren Nutzung zum Teil auch von gesetzlichen Krankenversicherungen erstattet werden, wächst stetig. Die Vorteile der digitalen Alternative zum Besuch des Dermatologen scheinen offensichtlich: kein monatelanges Warten auf einen Facharzttermin, der Check ist schnell gemacht, zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich und kostet nur wenig Geld. Und sitzt das Hautmal an einer schambehafteten Körperstelle, dürfte die Hemmschwelle bei einer Diagnose-App nicht so groß sein.
»Die Krankenkassen machen diese Angebote, um die Versorgung aufgrund der demografischen Entwicklung und des Rückgangs der Facharztzeiten in den niedergelassenen Praxen sicherzustellen. Generell sind solche Apps nicht zu verteufeln, bei einer vermeintlich harmlosen Erkrankung wie etwa Fußpilz ist das auch in Ordnung. Aber wenn es um die Beurteilung neu aufgetretener oder veränderter Muttermale geht, sehen wir die Nutzung allein von Hautcheck-Apps sehr kritisch«, sagte Dr. Ralph von Kiedrowski, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD), bei der Eröffnungspressekonferenz des gemeinsamen Dermatologie-Kongresses mit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) in Wiesbaden.
Das Problem und für Laien nicht zu unterscheiden: Längst nicht alle verfügbaren Apps sind auf das Hautkrebs-Screening spezialisiert, wie Kiedrowski erklärte. Der Begriff »Hautcheck-App« sei zu unspezifisch, um vom Laien eingeordnet werden zu können. »Derzeit gibt es nur zwei Apps – die dritte ist in der Entwicklung –, die als reine Hautkrebs-Screening-Apps gelten können, bei denen es vor allem um die Erkennung von schwarzem, aber auch weißem Hautkrebs geht. Sie haben KI-unterstützt schon eine relativ gute Bilderkennung und Trefferquote. Aber: Auch eine seborrhoische Keratose kann sehr dramatisch aussehen und wird nicht 100 Prozent von solchen Apps erkannt. Davon zu unterscheiden sind allgemeine Applikationen telemedizinischer Hautscan-Anbieter, die neben Anamnesebögen und Fotos nebenbei nach Hautkrebs fragen. Diese lehnen wir als Fachärzte ab.«
Zu einer ähnlichen Einschätzung kamen im Übrigen die Verbraucherschützer von Stiftung Warentest Anfang des vergangenen Jahres , als sie 17 Hautscreening-Apps (8 für Android, 9 für iOS) genauer unter die Lupe genommen haben. Nur eine einzige konnten sie empfehlen.
Die Präsenzuntersuchung in der Hautarztpraxis sei der telemedizinischen per App auf jeden Fall überlegen, ist von Kiedrowski überzeugt. Studien zeigten, dass etwa 10 bis 15 Prozent der teledermatologischen Anfragen nicht teledermatologisch zu lösen sind. »Was das melanozytäre Muttermal betrifft, ist derzeit die Auflichtmikroskopie mittels Dermatoskop und nicht die visuelle Kontrolle entscheidend. Die Auflichtmikroskopie kann derzeit über Systeme der künstlichen Intelligenz (KI) noch nicht angeboten werden.« Außerdem zu bedenken: »Wir wissen bei den digitalen Tools nicht, wie viele falsch negative Befunde durchgehen. Die Nichterkennung entarteter Zellen ist beim Melanom die gefährlichere.«
Ein weiteres Problem für den Nutzer ergebe sich laut von Kiedrowski dadurch, dass die meisten Tools bei der Befund-Benachrichtigung einen Besuch einer Hautarztpraxis empfehlen. Teilweise werden auch Zeiträume vorgegeben, in deren Rahmen eine ärztliche Untersuchung erfolgen sollte. Hier bestehe deutlicher Nachholbedarf: »Eine Diagnose-App muss eine Anbindung an die Versorgung haben. Sie muss den Patienten helfen, eben doch einen Hautarzt zu finden. Ein Befund, der nicht weiterführt, ist ein großes Problem.«
Diese KI-gestützten Verdachtsdiagnosen per App haben bereits heute Auswirkungen für niedergelassene Dermatologen. »Es stellt sich die Frage, ob eine von einer App ausgewiesene Dringlichkeit beachtet werden muss oder ob der Patient nicht doch erst nach Wochen einbestellt werden kann. Anders gesagt: Ist die KI-gestützte Diagnose so valide, dass das Wegschicken sogar unterlassene Hilfeleistung wäre?«
Von Kiedrowski ist es wichtig, auf den derzeitigen Stellenwert von telemedizinischen Tools hinzuweisen. So empfiehlt die S2k-Leitlinie »Teledermatologie« von BVDD und DDG, dass die Primärdiagnostik beim Verdacht auf hellen oder schwarzen Hautkrebs auf der Basis teledermatologischer Befunde zwar erwogen werden kann, aber nur, wenn die morphologischen Befunde klinisch eindeutig sind und die notwendigen zusätzlichen anamnestischen und klinischen Angaben erhoben werden können. Die Primärdiagnostik allein aufgrund von KI-Lösungen soll nicht erfolgen. »Künstliche Intelligenz (KI) bei der Diagnose von Hautkrebs ist sicherlich ein Thema in der nahen Zukunft. Momentan ist KI jedoch noch kein Facharztstandard«, betont der BVDD-Präsident.