Was sind Orphan Drugs? |
Eine Krankheit gilt innerhalb der EU als selten, wenn fünf oder weniger von 10.000 Menschen daran erkrankt sind. / © Getty Images/twomeows
Dieses Jahr fällt der Tag der seltenen Erkrankungen auf den 28. Februar, in Schaltjahren ist es der – selten vorkommende – 29. Februar. Eine Krankheit gilt innerhalb der EU als selten, wenn fünf oder weniger von 10.000 Menschen daran erkrankt sind. Etwa 8000 seltene Erkrankungen sind bekannt. Beispiele sind die akute lymphoblastische Leukämie, pulmonale arterielle Hypertonie, Kinderdemenz, Riesenzell-Arteriitis oder das Sjögren-Syndrom. Oftmals ist ein genetischer Faktor involviert.
Gegen viele der Erkrankungen gebe es noch keine wirksamen Medikamente, informiert der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa). »Es ist eine Jahrhundertaufgabe, für alle Betroffenen wirksame Therapien zu entwickeln«, sagt Han Steutel, vfa-Präsident. Auch wenn seit dem Jahr 2000 mehr als 240 Medikamente gegen seltene Erkrankungen (engl. Orphan Drugs) entwickelt worden seien, nehme die Pharmaindustrie die Herausforderung weiter ernst. Durchschnittlich machen Orphan Drugs rund 34 Prozent der jährlichen Neueinführungen aus.
Dem vfa zufolge befinden sich derzeit 31 Orphan-Medikamente im EU-Zulassungsverfahren, 12 weitere sind schon zugelassen, aber noch nicht in Deutschland erhältlich. Deren Anwendungsgebiete teilen sich wie folgt auf:
Verschiedene Anreize sollen die Motivation von Unternehmen steigern, Orphan Drugs zu entwickeln und therapeutische Lücken zu schließen. Denn mit der Entwicklung geht aufgrund der kleinen Patientengruppe ein finanzielles Risiko einher. Die EU kommt Unternehmen daher mit der Vergabe des Orphan-Drug-Status entgegen; in Deutschland gibt es Ausnahmen vom AMNOG-Verfahren.
Den Orphan-Drug-Status erhalten Medikamente in der EU, wenn sie für Menschen mit einer schweren oder zu einer chronischen Behinderung führenden seltenen Erkrankung eine therapeutische Verbesserung darstellen oder es noch keine zufriedenstellende Therapieoption gibt. Das Unternehmen erhält dann bestimmte Förderungen, zum Beispiel wissenschaftliche Beratung und Unterstützung beim Erfüllen der Zulassungsregularien, reduzierte Gebühren sowie zehn Jahre Marktexklusivität. Spätestens zehn Jahre nach der Zulassung läuft der Status aus.
Normalerweise werden in Deutschland alle neuen Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen hinsichtlich ihres therapeutischen Nutzens bewertet (sogenanntes AMNOG-Verfahren). In der Regel übernimmt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) die Bewertung im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und vergleicht das neue Arzneimittel mit der bisherigen Standardtherapie (zweckmäßige Vergleichstherapie). Das Ergebnis dient als Grundlage für die Verhandlung eines Erstattungspreises mit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der ab dem siebten Monat nach Markteinführung greift.
Orphan Drugs sind von dieser regulären Nutzenbewertung befreit. Hersteller können sich stattdessen auf die Bewertung im Rahmen des Zulassungsverfahrens berufen. Der G-BA quantifiziert den Zusatznutzen dann lediglich anhand dieser Daten. Ab einem Jahresumsatz von 30 Millionen Euro werden aber auch Orphan Drugs wie alle anderen Arzneimittel bewertet.
Der vfa betont, wie wichtig der Bestand dieser Ausnahmeregelungen im AMNOG-Verfahren sei. Ansonsten werde es wirtschaftlich schwierig für die Unternehmen und es könnten Marktrücknahmen drohen. Das IQWiG stellte den Sonderstatus der Orphan Drugs hingegen wiederholt in Frage. Die hohen Preise, die für diese Medikamente häufig aufgerufen würden, seien nur für jene gerechtfertigt, die einen echten Fortschritt für die Patientenversorgung bringen.