Was tun bei Mandelentzündung? |
Bei Kindern tritt eine Mandelentzündung häufiger auf als bei Erwachsenen, denn ihre Mandeln sind noch nicht vollständig ausgebildet. Es ist jedoch nicht immer einfach, die Tonsillitis bei ihnen zu erkennen. / © Getty Images/Milorad Kravic
Ist der Rachen gerötet und die Mandeln geschwollen und belegt, lautet die Diagnose möglicherweise Tonsillitis – Mandelentzündung. Mandeln haben wir insgesamt vier: zwei Gaumen-, eine Rachen- und eine Zungenmandel. Sie erfüllen eine wichtige Aufgabe als Teil unseres Abwehrsystems, indem sie Krankheitserreger abfangen, die über den Mund oder die Nase in den Körper gelangen. Doch was, wenn die Gaumenmandeln selbst Probleme bereiten?
»Auslöser sind Viren und Bakterien«, sagt Professor Christoph Reichel, geschäftsführender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde der Ludwig-Maximilian-Universität München. Diese Erreger geraten etwa beim Sprechen, Husten oder Niesen durch Tröpfchen in die Luft. So können sie auf die Schleimhäute eines anderen Menschen gelangen und sich dort vermehren – Startpunkt für eine Entzündung.
Eine Mandelentzündung beginnt oft mit einer Infektion durch Viren. Doch dabei bleibt es mitunter nicht: »Erfolgt dann noch ein Bakterien-Befall mit Streptokokken, kommt es zu einer eitrigen Mandelentzündung«, sagt Bernhard Junge-Hülsing, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde in Starnberg. Eine Mandelentzündung tritt in aller Regel plötzlich auf und heilt in der Regel innerhalb von bis zu zwei Wochen wieder ab.
»Neben Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und stark geröteten Mandeln können Betroffene Fieber haben«, sagt Christoph Reichel. Oft fühlen sie sich zudem abgeschlagen und appetitlos. Manchmal treten zusätzlich noch Kopfschmerzen auf. Auch Mundgeruch und geschwollene und schmerzende Lymphknoten am Hals können auf eine Infektion hindeuten.
»Weil die Mandeln bei Kindern bis zu ihrer Pubertät noch nicht voll ausgebildet sind, kommt es bei ihnen häufiger zu Mandelentzündungen als bei Erwachsenen«, so Junge-Hülsing. Doch nicht immer kommen Eltern der Erkrankung direkt auf die Spur.
Erste Anzeigen könnten Halsschmerzen, ein geröteter Rachen und Schluckbeschwerden sein. Allerdings äußert sich die Erkrankung bei Kindern mitunter anders.
Junge-Hülsing: »Bei kleinen Mädchen und Jungen komme es häufiger vor, dass sie über Bauchschmerzen oder Übelkeit und Kopfschmerzen klagten.« Oft fühlten sie sich allgemein unwohl und wollten auch einfach nichts essen, weil das Schlucken beschwerlich ist. Dann stelle sich oft erst bei einer Untersuchung bei der Kinderärztin oder beim Kinderarzt heraus, dass das Kind eine Mandelentzündung hat.
Die gute Nachricht: »Eine Mandelentzündung heilt in aller Regel komplikationslos aus.« Kinder könnten wieder in die Kita oder in die Schule gehen, wenn ihre Beschwerden vollständig abgeklungen sind.
Übrigens: Bei Kindern sind in manchen Fällen die Mandeln derart vergrößert, dass sie sich in der Mitte berühren. Das könne nicht nur dazu führen, dass die Atmung im Schlaf aussetzt oder das Kind Schluckbeschwerden hat. Auch Kieferfehlstellungen sind möglich.
»Dieses Problem lässt sich mit einer Teilentfernung der Mandeln lösen«, so Bernhard Junge-Hülsing. Der Eingriff sei ambulant mit einem Laser möglich. Der Vorteil einer Teilentfernung: Die verbleibenden Mandelteile können weiterhin ihrer wichtigen Funktion nachgehen und Krankheitserreger abwehren, die über Mund oder Nase in den Körper gelangen.
Bei dem Verdacht auf eine Mandelentzündung ist es sinnvoll, eine Hals-Nasen-Ohren-Ärztin oder einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufzusuchen. Bei der Untersuchung schließen die Fachleute Krankheiten aus, die mit ähnlichen Beschwerden wie eine Mandelentzündung einhergehen. Dazu zählt zum Beispiel eine Diphtherie. »Beim Pfeifferschen Drüsenfieber tritt ebenfalls eine Mandelentzündung auf, wobei die Beläge auf den Mandeln gräulich statt gelblich sind«, so Junge-Hülsing.
Die Behandlung einer Mandelentzündung erfolgt in erster Linie mit schmerzlindernden und fiebersenkenden Medikamenten. Antibiotika werden bei einer Mandelentzündung längst nicht immer verordnet. Denn bei einer durch Viren ausgelösten Mandelentzündung wären sie ohnehin wirkungslos.
Anders, wenn Bakterien die Übeltäter sind: »Bei eitrigen Mandelentzündungen, die mit hohem Fieber und geschwollenen Halslymphknoten einhergehen, ist das Antibiotikum Penicillin das Mittel der Wahl«, sagt Christoph Reichel. Ziel der antibiotischen Behandlung ist vor allem, die Dauer von Krankheitssymptomen zu verkürzen und Komplikationen zu vermeiden.
»Empfehlenswert ist es, sich körperlich zu schonen«, so Christoph Reichel. Auch viel zu trinken ist hilfreich – aber das richtige. Warmer, aber nicht heißer Tee ist ideal, säurehaltige Getränke wie Cola verkneift man sich besser, sie können die Schleimhäute reizen. Auch kalte Getränke sind eine schlechte Wahl, da sie die Durchblutung hemmen.
Gerade bei Schluckbeschwerden sind weiche Lebensmittel wie zum Beispiel Bananen oder durchgekochte Nudeln angenehm zu essen. Scharf gewürztes Essen allerdings kann die Halsschmerzen verschlimmern. Schmerzlindernde Lutschtabletten können bei Schluckbeschwerden helfen. Auch feuchte Halswickel können für Linderung sorgen. Heilungsfördernd wirkt oft auch Gurgeln mit Salbeitee. »Wichtig ist neben einer vitaminreichen Ernährung auch ausreichend Schlaf«, sagt Bernhard Junge-Hülsing.
Das kommt darauf an. »Nehmen Betroffene bei einer durch Streptokokken verursachten Mandelentzündung Antibiotika ein, sind sie etwa 24 Stunden nach Beginn der medikamentösen Therapie nicht mehr ansteckend«, sagt Christoph Reichel. Anders sieht es aus, wenn Erkrankte keine Antibiotika nehmen oder Viren die Mandelentzündung verursachen. Sie sollten sicherheitshalber so lange zu Hause bleiben, bis alle Symptome vollständig abgeklungen sind.
Dann treibt eine chronische Mandelentzündung ihr Unwesen. »Das Mandelgewebe ist quasi dauerentzündet«, so Christoph Reichel. Einzelne Keime bleiben in den tiefen Klüften der Gaumenmandeln zurück und verursachen immer wieder eine Entzündung.
Zu einer chronischen Mandelentzündung kann es etwa dann kommen, wenn Betroffene akute Mandelentzündungen verschleppt haben, zum Beispiel durch einen verfrühten Abbruch der Therapie. So eine chronische Mandelentzündung kann schwerwiegende Folgen haben: Kommt es dazu, dass sich Streptokokken im Körper ausbreiten, können sich zum Beispiel Herz- oder Nierenentzündungen, Entzündungen der Gelenke oder rheumatisches Fieber entwickeln.
Bei immer wiederkehrenden Mandelentzündungen kann die operative Entfernung der Mandeln (Tonsillektomie) eine Option sein. »Allerdings sollte die Entscheidung für eine Operation nicht leichtfertig fallen, denn die Mandeln sind ein wichtiges Organ der Körperabwehr«, sagt Bernhard Junge-Hülsing. Dazu kommt, dass im Zuge der Operation Komplikationen möglich sind, gefährliche Blutungen etwa.
Nach den ärztlichen Leitlinien ist eine Tonsillektomie bei ungefähr sieben Mandelentzündungen in zwölf Monaten, etwa fünf Mandelentzündungen jährlich in 24 Monaten oder ungefähr drei Entzündungen jährlich in 36 Monaten in Erwägung zu ziehen. Für eine Operation spricht auch, wenn Betroffene wiederholt ein Antibiotikum eingenommen haben und die Beschwerden sehr belastend für sie sind.