Was tun, wenn ein Kollege trinkt? |
Alkoholabhängigkeit ist für den Betroffenen selbst, aber auch für sein Umfeld ein schwieriges Thema. / Foto: Getty Images/aire images
Haben Sie schon einmal erlebt, dass ein Kollege wiederholt oder regelmäßig durch eine Alkoholfahne auffällt? Vielen Menschen fällt es dann schwer, den Betreffenden auf das Thema »Alkohol« anzusprechen. Aus Angst vor einer unangenehmen Diskussion wird das Verhalten des Kollegen oft kommentarlos über lange Zeit hingenommen, bis es schließlich durch immer weiter steigenden Alkoholkonsum irgendwann nicht mehr akzeptabel ist.
In den meisten Fällen ist es sinnvoll, den Mitarbeiter offen, aber taktvoll anzusprechen. Das Gespräch sollte möglichst zeitnah geführt werden und nicht erst nach Wochen oder Monaten. Häufig wird das Gespräch zu diesem heiklen Thema hinausgeschoben, in der Hoffnung, dass der Kollege seinen Alkoholkonsum von sich aus reduziert. Wenn das Gespräch dann erst mit deutlicher Verzögerung geführt wird, ist es für den Betroffenen meist noch unangenehmer, weil ihm bewusst wird, dass alle Kollegen sein Verhalten schon seit längerer Zeit registriert haben.
Als Gesprächspartner eignet sich vor allem eine Person, die dem betreffenden Mitarbeiter besonders vertraut ist, eventuell eine Person desselben Geschlechts, derselben Hierarchiestufe oder ein langjähriger Kollege. Je nach Situation kann es auch sinnvoll sein, das Gespräch gemeinsam mit einem weiteren Kollegen zu führen, insbesondere wenn Sie befürchten, dass es zu einer Auseinandersetzung kommen könnte. Wenn kein Angestellter das Gespräch führen möchte, ist es Aufgabe des Apothekeninhabers, den Betreffenden anzusprechen. Falls der Apothekeninhaber allerdings nicht regelmäßig mit dem betreffenden Mitarbeiter zusammenarbeitet und das Problem daher nicht selbst festgestellt haben kann, wird sich der Betroffene vermutlich »verpetzt« vorkommen - sicherlich keine gute Basis für die weitere Zusammenarbeit.
Der Gesprächspartner sollte das Gespräch unter vier Augen und so feinfühlig wie möglich führen. Das Gespräch darf keinesfalls zu einem persönlichen Angriff auf den Mitarbeitenden führen, denn die positiven zwischenmenschlichen Beziehungen sollen ja erhalten bleiben. Die Art der Gesprächsführung ist daher entscheidend für den Erfolg. Wortwahl, Stimme, Lautstärke und Tonfall spielen eine wichtige Rolle.
Sagen Sie dem Kollegen einleitend, dass Sie gerne mit ihm zusammenarbeiten. Erwähnen Sie dann, dass Ihnen etwas aufgefallen ist, worüber Sie gerne mit ihm sprechen möchten. Oder Sie beginnen mit der Einstiegsfrage: »Darf ich dir heute einmal etwas Persönliches sagen?« Das vermutlich folgende »Ja« des Kollegen ist die Erlaubnis, nun auch etwas Kritisches zu äußern.
Betonen Sie dann, dass es Ihnen sehr schwerfällt, ein etwas heikles Thema anzusprechen. Stellen Sie Ihre Beobachtungen zum Alkoholkonsum des Kollegen dar und schildern Sie die negativen Auswirkungen auf Arbeitsergebnisse, Kunden und Kollegen. Ein Formulierungsvorschlag: »Ich möchte dir nicht zu nahetreten und es fällt mir wirklich sehr schwer, dir das jetzt zu sagen. Aber mir ist aufgefallen, dass du häufig eine Alkoholfahne hast. Ich vermute, dass Kunden das ebenfalls wahrnehmen und ich habe große Angst, dass dir unter Alkoholeinfluss gravierende fachliche Fehler unterlaufen.« Geben Sie dem Kollegen dann Gelegenheit, sich zu diesen Aussagen zu äußern indem Sie sagen: »Was meinst du dazu? Wie siehst du das?«
Vermeiden Sie bei Ihren Aussagen möglichst Reizworte wie »Alkoholiker«, »Abhängigkeit« oder »Sucht«, denn die meisten Menschen schämen sich für ihren Alkoholkonsum und es fällt ihnen schwer, sich selbst ein Alkoholproblem einzugestehen. Verurteilen und kritisieren Sie den Kollegen nicht und vermeiden Sie Vorwürfe, die zu einer emotionalen Abwehrreaktion führen könnten. Verwenden Sie bei allen Formulierungen möglichst die »Ich-Form«, auch wenn Sie im Namen des gesamten Teams sprechen. Durch die »Wir-Form« würden Sie zu erkennen geben, dass über den Kollegen bereits hinter seinem Rücken im gesamten Team gesprochen wurde.
Wenn es zur Situation passt, können Sie zusätzlich eine psychologische Brücke bauen, indem Sie auf eigene Erfahrungen mit Alkohol hinweisen. Beispiel: »Ich trinke nach einem stressigen Tag auch gerne mal ein Glas Wein zur Entspannung. Wenn es aber ausnahmsweise einmal zwei oder drei Gläser geworden sind, habe ich es am nächsten Tag immer bereut, weil ich schlechter geschlafen habe und am nächsten Morgen sehr müde war.« Diese oder ähnliche Aussagen zeigen, dass Alkohol für Sie kein Tabuthema ist. Dem Kollegen fällt es in diesem Fall leichter, positiv zu reagieren und sein bisheriges Verhalten kritisch zu überdenken.
Versuchen Sie am Ende des Gesprächs, mit dem Kollegen eine konkrete Vereinbarung über sein zukünftiges Verhalten oder über erforderliche Verhaltensänderungen zu treffen. Stellen Sie klar, welche Veränderungen Sie erwarten und welche Verhaltensweisen Sie zukünftig nicht mehr akzeptieren werden.
Halten Sie das gesamte Gespräch möglichst kurz. Formulieren Sie das Thema in wenigen Sätzen und verzichten Sie auf ungefragte oder belehrende Hinweise zum Alkoholkonsum. Ihr Kollege muss vermutlich erst einmal verarbeiten, was Sie ihm gerade gesagt haben. Die anschließende Entscheidung, das Trinkverhalten zu ändern und bei Bedarf die Hilfe von Ärzten, Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen in Anspruch zu nehmen, kann der Kollege ohnehin nur selbst treffen.
Natürlich ist es denkbar, dass der Kollege verärgert, abweisend oder unbelehrbar reagiert. In diesem Fall können Sie dem Kollegen zunächst Gelegenheit geben, in Ruhe über das Thema nachzudenken, indem Sie sagen: »Du brauchst dich jetzt nicht sofort dazu zu äußern! Ich schlage vor, dass du einmal in Ruhe über dieses Thema nachdenkst und wir morgen über eine Lösung sprechen.« Hinter diesem Vorschlag steckt die Erkenntnis, dass sich viele Dinge leichter und weniger emotional besprechen lassen, wenn man »eine Nacht darüber geschlafen« hat. Wenn aber auch im Folgegespräch keine Einigung erzielbar ist, so können Sie ankündigen, bei unverändertem Verhalten die Apothekenleitung zu informieren. Vielleicht führt dieser Hinweis dann doch noch zu einer Verhaltensänderung.
Bei unverändertem Alkoholkonsum des Kollegen sollten Sie Ihre Ankündigung wahr machen und die Apothekenleitung über die Situation informieren. Schildern Sie das Verhalten und beschreiben Sie die negativen Auswirkungen auf Kunden, das Team, Arbeitsabläufe oder Arbeitsqualität. Verzichten Sie bewusst auf emotionale Vorwürfe oder abwertende Bemerkungen, bitten Sie Ihren Chef vielmehr, zeitnah ein Gespräch mit dem betreffenden Kollegen zu führen.
Falls das gesamte Team unter dem Verhalten des Kollegen leidet, so können Sie die Beschwerde auch gemeinsam mit den Kollegen vorbringen. Die zentrale Aussage lautet dann: »Das gesamte Team leidet unter dem Verhalten des Kollegen. Wir halten es daher für erforderlich, Sie zu informieren. Außerdem möchten wir für alkoholbedingte Fehler des Kollegen nicht mitverantwortlich sein, weil wir sein Verhalten geduldet haben.« Bei einer gemeinsamen Beschwerde ist jedes einzelne Teammitglied weniger angreifbar. Allerdings kann der kritisierte Kollege schnell zum Außenseiter werden, wenn er erfährt, dass sich das gesamte Team über ihn beschwert hat. Wenn auch ein Gespräch mit dem Chef keine Verhaltensänderung des Kollegen bewirkt, bleiben dem Apothekeninhaber als letzte Maßnahmen oft nur noch eine Abmahnung und schließlich die Kündigung.
Wer sich Sorgen über sein Trinkverhalten macht beziehungsweise es ändern möchte, kann sich an eine Suchtberatungsstelle wenden. Es gibt etwa städtische und kirchliche Suchtberatungsstellen sowie Beratungsstellen an Kliniken oder Gesundheitsämtern. Eine Übersicht über lokale Beratungsstellen finden Interessierte unter anderem hier: