Was Verliebtheit mit unserem Gehirn macht |
»Ein heftig verliebtes Gehirn ist einem besonderen neurochemischen Cocktail ausgesetzt. Der Zustand ist ein wenig wie unter Drogeneinwirkung«, erklärte Christian Weiss, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, der selbst nicht an der Studie beteiligt war. »Diese Veränderung im Botenstoff- und Hormonhaushalt kann auch mit risikobereiterem Verhalten einhergehen. Die berühmte rosarote Brille, durch die verliebte Menschen die Welt sehen, lässt sie potenzielle Risiken eher ausblenden und Handlungen ausführen, die jenseits einer ›vernünftigen‹ Kosten-/Nutzenrechnung liegen.«
Das bestätigt auch Paartherapeut Eric Hegmann, der seit Jahren Studien zum Thema romantische Liebe begleitet: »Aus der Hirnforschung wissen wir, dass das Belohnungssystem von Liebenden vergleichbare Reaktionen zeigt wie beim Konsum. Ebenso kann Liebeskummer vergleichbare Entzugserscheinungen hervorrufen.«
Verliebtsein lässt sich nicht nur mit der Wirkung von Drogen vergleichen, sondern weist sogar Parallelen mit einer Zwangsstörung auf. »In bestimmten Hirnregionen kann man sowohl bei Verliebten als auch bei Menschen mit einer Zwangsstörung erhöhte Aktivitätsmuster beobachten. Diese Bereiche sind Teil des Belohnungssystems und werden mit Gefühlen der Euphorie und Motivation verbunden«, erklärt Christian Weiss. »Damit erklären sich die intensiven Gedanken und vielleicht Verhaltensweisen, die auf ein spezifisches Ziel oder eine Person gerichtet sind und von denen man einfach nicht ablassen kann.«
Obwohl die Autoren der Studie nur Verliebte im Alter von 18 bis 25 Jahren befragt hatten, ist intensives Verliebtsein keineswegs nur jungen Menschen vorbehalten. Studien haben gezeigt, dass die Gehirnaktivitäten in der frühen Phase der Verliebtheit bei jüngeren und älteren Menschen ganz ähnlich sind, so Weiss. Auch Hegmann sagt: »Sich Hals über Kopf verlieben kann man in jedem Alter.«
Wer glücklich verliebt ist, handelt zwar manchmal etwas neben der Spur, ist aber oft auch selbstbewusster, mutiger und zufriedener. Auf die Frage, ob Verliebte die netteren Menschen sind, antwortet Hegmann: »Zueinander meistens, aber nicht unbedingt zu anderen. Aber grundsätzlich lässt sich schon sagen, dass mehr verliebte und liebende Menschen diesen Planeten zu einem besseren Ort machen würden.«