Über die EPA können Ärztinnen und Ärzte einen erweiterten Einblick in die Gesundheitsdaten der Patienten bekommen. / © Getty Images/feellife
Laborwerte, Arztbriefe, OP-Berichte: Gerade wer eine längere Krankengeschichte hat, trägt eine regelrechte Zettelwirtschaft von Praxis zu Praxis. Das soll die elektronische Patientenakte (EPA) verbessern. Mit dem bundesweiten Rollout am 29. April können Praxen, Apotheken und Kliniken die EPA nun nutzen, wenn die entsprechende Software vorhanden ist. Erst ab dem 1. Oktober wird die Nutzung für die Leistungserbringer zur Pflicht.
Bereits seit dem 15. Januar haben 70 Millionen der gut 74 Millionen gesetzlich Versicherten eine EPA von ihrer Krankenkasse angelegt bekommen, was man auch ablehnen kann. Der konkrete Einsatz in Gesundheitseinrichtungen wurde bisher nur in drei Regionen getestet. In Hamburg und Umland, Franken und Teilen Nordrhein-Westfalens beteiligten sich rund 300 Praxen, Apotheken und Kliniken.
Auch Kinder bekommen eine EPA, wenn die Eltern nicht widersprechen, ab 15 können sie selbst entscheiden. Zum Schutz von Kindern können bestimmte sensible Angaben nicht eingetragen werden.
Bei vielen Menschen gebe es noch Unsicherheiten, wie Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Kursen erlebt, die sie zur EPA gibt. »Viele Menschen haben die Vorstellung, dass der Arbeitgeber, die Krankenkasse oder sonstige Versicherungen wie die Lebensversicherung Zugriff auf die EPA nehmen können«, schildert sie.
Bedenken, die sich ausräumen lassen: Denn es ist gesetzlich geregelt, dass nur Gesundheitsdienstleister wie etwa Arztpraxen oder Apotheken Zugriff auf die Akte haben – und das auch nur im Zusammenhang mit einer Behandlung bzw. Versorgung. Wer sich die App eingerichtet hat, kann Zugriffsrechte anpassen.
Dazu einige Fragen und Antworten:
Nein. Wer erwartet, sämtliche Laborbefunde und Arztbriefe aus der Vergangenheit in der Akte vorzufinden, wird enttäuscht. »Grundsätzlich werden nur Dokumente eingestellt, die in einem aktuellen Behandlungszusammenhang anfallen«, sagt Sabine Wolter.
Ganz leer ist die E-Akte zu Beginn aber nicht: Es kann eine Liste mit zuletzt verordneten Medikamenten vorhanden sein. »Diese Medikationsliste ist eine der ersten Funktionen der EPA. Dort sehen Sie alle verschriebenen und eingelösten E-Rezepte«, erklärt Sabine Wolter.
Vorteil dieser Funktion: Ärzte und Apotheker sollen so künftig besser prüfen können, ob sich die verordneten Medikamente miteinander vertragen. »Schließlich hat nicht jeder seinen aktuellen Medikationsplan in Papierform immer dabei – und manchmal fehlen Eintragungen«, sagt Wolter. Wichtig: Die elektronische Medikationsliste entspricht jedoch nicht einem elektronischen Medikationsplan und enthält keine Angaben zu Dosierung und weiteren Therapieparametern.
Möglicherweise finden sich auch Abrechnungsdaten der Krankenkasse in der EPA-App. Falls nicht, dauert es noch etwas, bis sie auftauchen – das hängt vom Tempo der jeweiligen Krankenkasse ab. Wolters Erfahrung aus den EPA-Kursen: »Viele finden gut, dass sie endlich einen Einblick bekommen, was zwischen Arzt und Krankenkasse abgerechnet wird.«
Ja, das geht – und zwar mitunter auch recht komfortabel. Je nach App reicht es aus, das entsprechende Dokument mit der Smartphone-Kamera abzufotografieren.
Wer seine EPA selbst mit älteren Befunden, Arztbriefen und Co. befüllt, sollte die Dateien aber unbedingt sinnvoll benennen, wie Wolter rät. Denn: »Es gibt momentan noch keine Volltextsuche. Um das Dokument wiederzufinden, muss man sich an dem orientieren, was man als Überschrift gesetzt hat.« Am besten hält man im Titel nicht nur fest, um was für ein Dokument es sich handelt, sondern vermerkt auch Datum und Arzt.
Standardmäßig haben Arztpraxen im Zusammenhang mit einer Behandlung 90 Tage Zugriff auf die EPA und alle darin liegenden Dokumente, die nicht verborgen sind. »Der Behandlungszusammenhang wird dabei mit dem Einstecken der Gesundheitskarte eröffnet«, sagt Sabine Wolter. Bei Apotheken ist eine Dauer von drei Tagen voreingestellt.
Diese voreingestellten Zeiträume lassen sich in der EPA-App verlängern oder verkürzen. So lässt sich beispielsweise einstellen, dass eine bestimmte Arztpraxis nur für den Tag des Behandlungstermins Zugriff auf die EPA nehmen kann. Sie wollen wissen, welche Einrichtung wann genau auf die EPA zugegriffen hat? Darüber gibt die App im Nachhinein Aufschluss in einem Protokoll mit Datum- und Zeitstempel.
Es gibt die Möglichkeit, einzelne Dokumente in der EPA zu verbergen. Was man dabei allerdings wissen muss: »Wenn ich ein bestimmtes Dokument verberge, dann sieht es der Zahnarzt nicht – allerdings auch kein anderer Arzt, nur ich selbst kann es sehen«, sagt Wolter. Heißt: Es ist nicht möglich, einzelne Dokumente gezielt für bestimmte Behandler zu sperren. Ein Ausweg kann sein, die entsprechenden Dokumente vor dem Zahnarztbesuch zu verbergen – und sie im Anschluss wieder freizugeben.
Wer sich unwohl bei dem Gedanken fühlt, dass künftig besonders sensible Gesundheitsinformationen in der eigenen E-Patientenakte landen, sollte wissen: »Man kann beim Arztbesuch sagen: Ich möchte nicht, dass dieses Dokument in die EPA wandert», sagt Sabine Wolter. Geht es etwa um HIV-Infektionen, psychische Erkrankungen oder Schwangerschaftsabbrüche muss der Arzt oder die Ärztin sogar darauf hinweisen, dass man dem Einstellen in die EPA widersprechen kann.
Die EPA startet nun in eine sogenannte Hochlaufphase. Allerdings sollten Ärzte, Kliniken und andere Leistungsanbieter erst ab dem 1. Oktober dazu verpflichtet werden, die EPA zu nutzen. Bis dahin stellen sie wichtige Gesundheitsdokumente auf freiwilliger Basis ein.
Für die kommenden Wochen und Monate gilt also: »Es kommt darauf an, wie schnell sich die Praxen, Apotheken und Krankenhäuser mit ihren Systemen daran beteiligen«, sagt Sabine Wolter. Ihre Einschätzung: »Bei vielen Patienten wird in der EPA-App erst einmal nichts passieren.« Wenn man aber etwa eine Ärztin hat, die für die EPA technisch vorbereitet ist, »dann habe ich in den nächsten Wochen vielleicht schon Laborbefunde oder Arztbriefe, die neu hereinkommen«.
Jede Krankenkasse hat ihre eigene EPA-App. Wie die Anwendung genau heißt, kann man über eine Liste der Gematik herausfinden, der nationalen Agentur für digitale Medizin. Hat man die App heruntergeladen, braucht es zur Einrichtung:
Liegt die PIN vor, kann man die EPA-App einrichten. Je nach Krankenkasse kann sich der Ablauf leicht unterscheiden.
Übrigens: Künftig soll es auch einen EPA-Client geben, mit dem man sich über Laptop oder PC Zugriff auf die eigene Akte verschaffen kann. Dieser ist für Sommer angekündigt.
Ansonsten lässt sich die EPA nur passiv nutzen. Laut der Verbraucherzentrale NRW heißt das: Man kann keine Daten einsehen, hochladen und verwalten. Wer etwa die Zugriffsrechte für Arztpraxen anpassen möchte, muss das über die zuständige Ombudsstelle seiner Krankenkasse tun. Allerdings können Versicherte auch eine Vertrauensperson als Vertretung benennen, die auf ihrem Endgerät die EPA-App einrichten kann.