Wasser in der Rezeptur |
Stimmt die Qualität? Für die Sicherheit von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln spielt das eine mit entscheidende Rolle. / Foto: Getty Images/Liudmila Chernetska
Wasser ist in der Rezeptur und Defektur allgegenwärtig. Als Lösungsmittel wird es verwendet, um Wirkstoffe zu lösen, die in festen oder pulvrigen Formulierungen enthalten sind. In Suspensionen und Emulsionen fungiert Wasser als Trägerflüssigkeit, die die Verteilung des Wirkstoffs ermöglicht. In Rezepturen, bei denen Wasser verdampft, wird oft zusätzliches Wasser hinzugefügt, um die gewünschte Konsistenz und Konzentration zu gewährleisten. Wasser dient außerdem als Verdünnungsmittel, um die Konzentration eines Wirkstoffs zu reduzieren oder um die Viskosität einzustellen. Schließlich ist Wasser auch unverzichtbar, um Geräte und Behälter zu reinigen. Entsprechend gravierend sind die Folgen, wenn das verwendete Wasser nicht in Ordnung ist. Medikamente können dann weniger wirksam sein oder bei einer mikrobiellen Kontamination sogar krank machen.
Um das zu verhindern, schreibt das Europäische Arzneibuch strenge Anforderungen an das Wasser vor, das im Rahmen der Arzneimittelherstellung verwendet werden darf. Die Pharmakopöe unterscheidet aktuell vier Wasserqualitäten, die sich vor allem bezüglich ihrer mikrobiologischen Qualität, ihrer Leitfähigkeit und der erforderlichen Prüfungen unterscheiden. Gereinigtes Wasser (Aqua purificata) ist für die Herstellung von Arzneimitteln, die nicht steril oder pyrogenfrei sein müssen, vorgesehen.
Höher sind die Anforderungen an Wasser für Injektionszwecke (Aqua ad iniectabile), das für sterile Arzneimittel wie Injektionen, Infusionen sowie wässrige Zubereitungen für spezielle Anwendungen wie Augen- oder Inhalationslösungen geeignet ist. Dann gibt es noch Wasser zum Verdünnen von Hämodialyselösungen und Wasser zur Herstellung von Extrakten. Diese beiden Wasserarten spielen aber in den meisten Apotheken allenfalls eine unterordnete Rolle.
Das Wasser, das aus dem Wasserhahn kommt, ist Trinkwasser. In Deutschland wird es streng überwacht und entspricht überall den behördlichen Vorschriften. Es ist frei von Krankheitserregern, chemischen Verunreinigungen und radioaktiven Substanzen. Dennoch ist Trinkwasser nicht so rein, als dass es sich für die Herstellung von Arzneimitteln eignen würde. Patienten können es jedoch nutzen, um Tabletten zu schlucken oder um Medikamente über eine Sonde zu verabreichen. Auch für die Vorreinigung von Geräten reicht Trinkwasser aus. Es dient außerdem als Ausgangsstoff für die Herstellung von gereinigtem Wasser und Wasser für Injektionszwecke.
Die pharmazeutische Industrie unternimmt große Anstrengungen, um die hohen Anforderungen zu erfüllen, die an den Rohstoff Wasser gestellt werden. Das ist in dem Umfang für öffentliche Apotheken nicht zu leisten. Für sie gibt es eine Arbeitshilfe der Bundesapothekerkammer (BAK) zur Qualitätssicherung von Wasser mit dem Titel »Wasser als Ausgangsstoff für die Herstellung der Rezeptur- und Defekturarzneimittel und zur Rekonstitution« aus November 2022. Die Anweisung beschreibt, wie Apotheken die pharmazeutische Qualität des Wassers sicherstellen können, das als Ausgangsstoff für die Herstellung von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln sowie Medizinprodukten und die Rekonstitution von Trockensäften zur Einnahme dient. Die Arbeitshilfe greift Vorgaben aus der Monographie im Europäischen Arzneibuch für »Gereinigtes Wasser« auf. Diese behandelt sowohl »Gereinigtes Wasser als Bulk« als auch »In Behältnissen abgefülltes gereinigtes Wasser«.
Es gibt verschiedene Optionen für die Apotheke, um gereinigtes Wasser nach den Vorgaben des Arzneibuchs zu erzeugen. Ausgangsstoff ist stets Trinkwasser, das durch Verfahren wie Destillation, Umkehrosmose, Ionenaustausch mit antimikrobieller Nachbehandlung oder ähnlichen Methoden aufbereitet wird. Die BAK empfiehlt die Destillation als bevorzugtes Verfahren. Diese Methode gewährleistet die mikrobiologische Qualität des Wassers, da vegetative Keime während der Destillation abgetötet werden und Pyrogene nicht in den Wasserdampf übergehen.
Bei der Destillation wird das Wasser in der Destillationsapparatur verdampft und anschließend durch Kondensation zurückgewonnen. Die Apparatur muss so konstruiert sein, dass kein Mitreißen von Flüssigkeitstropfen oder Verunreinigungen möglich ist. Durch die Destillation werden alle nicht flüchtigen Substanzen, einschließlich Salze, nicht flüchtige organische Verbindungen sowie Keime, entfernt. Eine nachträgliche Behandlung des destillierten Wassers zur Reduktion der Keimzahl ist daher nicht notwendig.
Eine weitere gängige Methode in Apotheken ist der Ionenaustausch mit Nachbehandlung. Beim Ionenaustauschverfahren werden die ionischen Bestandteile des Wassers durch Wasserstoff- (H+) und Hydroxydionen (OH-) ersetzt, wodurch das Wasser demineralisiert wird. Dieses demineralisierte Wasser kann jedoch hohe Keimzahlen aufweisen, da Bakterien an den Harzoberflächen adsorbieren und sich während Stillstandzeiten gut vermehren können. Um diese Keimbelastung zu reduzieren, empfiehlt die BAK-Arbeitshilfe ein mindestens fünfminütiges Aufkochen oder eine Entkeimungsfiltration mit einer Porengröße von maximal 0,22 µm.
Zum Aufkochen eignen sich Wasserkocher aus Glas oder Edelstahl ohne sichtbare Heizschlaufe oder ein Edelstahltopf. Das Wasser kann entweder im abgedeckten Wasserkocher aufbewahrt oder heiß in ein beschriftetes Lagergefäß umgefüllt werden. Alternativ können auch mikrowellenfeste Glasbehälter verwendet werden.
Wird gereinigtes Wasser für die Herstellung von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln selbst gewonnen, ist die Qualität durch das Gewinnungsverfahren zu gewährleisten. Eine Vollanalyse des Wasers, bei der verschiedene physikalisch-chemische Parameter geprüft werden, kann erforderlich sein, wenn das Gewinnungsverfahren etabliert wird, sowie nach Risikosituationen. Ein erhöhtes Risiko für eine Qualitätsminderung des Wassers kann zum Beispiel nach nicht routinemäßigen Eingriffen in die Apparatur, Baumaßnahmen an den zuführenden Trinkwasserleitungen oder starker Veränderung der Trinkwasserqualität bestehen.
Außerdem muss das Apothekenteam die mikrobiologische Qualität des selbst hergestellten gereinigten Wassers sicherstellen. Da in den Wasserqualitäten nach Arzneibuch keine Konservierungsmittel enthalten sein dürfen, ist eine mikrobielle Kontamination von vornherein möglichst zu vermeiden. Keime können sich unter ungünstigen Bedingungen sonst schnell vermehren, selbst bei kurzen Lagerungszeiten.
Kohlenstoffdioxid und Ammoniak aus der Luft dienen dabei als Nährstoffquellen, während Umgebungswärme oder Lichteinstrahlung als Energiequellen fungieren. Daher sollte gereinigtes Wasser stets dicht verschlossen und lichtgeschützt gelagert werden, idealerweise in sterilisierten Behältern bei 2 bis 8 °C im Kühlschrank. Ungeeignet sind Lagerplätze in der Nähe von Heizungen oder direkt am Fenster. Das Wasser muss innerhalb von 24 Stunden verbraucht werden.
Um die mikrobiologische Qualität zu sichern, überprüft das Apothekenteam die Keimbelastung im laufenden Betrieb mindestens zweimal jährlich. Es wird empfohlen, das in der Arzneibuchmonografie beschriebene Verfahren anzuwenden. Sollte die Qualität des Wassers wiederholt den Anforderungen entsprechen, kann die externe Qualitätskontrolle auf einmal jährlich reduziert werden.
Wenn Wasser in der Apotheke nur selten, unregelmäßig oder in kleinen Mengen für pharmazeutische Zwecke benötigt wird, ist es ratsam, industriell hergestelltes Wasser in bedarfsgerechten Packungsgrößen zu kaufen. Im Handel ist gereinigtes Wasser als Ausgangsstoff erhältlich, dessen Qualität durch ein Prüfzertifikat des Herstellers bestätigt wird. In der Apotheke muss gemäß § 11 Abs. 2 ApBetrO mindestens eine Identitätsprüfung erfolgen. Das Europäische Arzneibuch enthält keine Identitätsprüfung für Wasser. Im DAC/NRF wird die Bestimmung des Brechungsindexes mit Refraktometer beschrieben. Weitere Möglichkeiten, die Identität zu überprüfen, beziehen sich auf andere typische Eigenschaften des Wassers wie Aussehen, Geruch, Siedepunkt oder Gefrierpunkt.
Bei Bag-in-box-Systemen wird das industriell hergestellte gereinigte Wasser in einem kollabierenden Beutel geliefert, der in einem Karton verpackt ist. Diese Systeme sind dafür vorgesehen, dass das Wasser über einen längeren Zeitraum entnommen wird. Zur Entnahme dient ein Hahn, der jedoch eine Quelle für Kontaminationen darstellt. Bevor das Wasser genutzt wird, muss er deshalb mit einem geeigneten Desinfektionsmittel wie 70 % (V/V) 2-Propanol gereinigt werden. Sprühen und Wischen ist dabei effektiver als reines Sprühen.
Vor der eigentlichen Entnahme werden 10 ml gereinigtes Wasser verworfen. Lagerungs- und Entnahmebedingungen sowie die durchzuführenden Qualitätsprüfungen und deren Intervalle sind in einer Standardarbeitsanweisung (SOP) festzulegen. Die mikrobiologische Qualität muss durch ein festgelegtes Entnahmeverfahren gesichert sein und regelmäßig durch externe Kontrollen überprüft werden.
Hersteller von Bag-in-box-Systemen garantieren eine Verwendbarkeitsfrist von drei Monaten oder länger nach Anbruch. Das setzt jedoch voraus, dass das Entnahmeverfahren und die Lagerung des angebrochenen Systems in der Apotheke geeignet sind und die mikrobiologische Qualität des Wassers nicht beeinträchtigt wird. Um das zu beweisen, muss die Apotheke die Lager- und Entnahmebedingungen genau definieren und regelmäßig durch externe Kontrollen überwachen. Dabei wird die mikrobiologische Belastung zunächst im Rahmen der Festlegung des Entnahmeverfahrens überprüft und dann mindestens zweimal jährlich. Vorzugsweise erfolgt die Prüfung am Ende der festgelegten Verwendbarkeitsfrist eines Gebindes oder bei fast leerem Behältnis. Wenn die Qualität des Wassers im Gebinde mehrmals hintereinander den Anforderungen entspricht, reichen einmal jährliche externe Qualitätskontrollen aus.