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Benzos und Z-Substanzen

Weg vom Schlafmittel

Benzodiazepine und Z-Substanzen helfen gut bei Schlafstörungen, die Gefahr einer Abhängigkeit ist jedoch groß. Und das bereits schon nach relativ kurzer Zeit der Einnahme. Was ist also bei ihrer Anwendung zu beachten und was können alternative Substanzen leisten?
AutorKontaktElke Wolf
Datum 25.04.2024  08:00 Uhr

Dass Benzodiazepine und Z-Substanzen über Schlafstörungen hinweghelfen, steht außer Frage. Bei Letzteren sei die Wirksamkeit gar über einen Zeitraum von zwölf Monaten belegt, sagte Professor Dr. Achim Schmidtko vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Frankfurt bei einem Fortbildungskongress der Landesapothekerkammer Hessen. »Ihr großes Problem ist ihr Abhängigkeitspotenzial. Diese kann sich selbst im Rahmen einer medizinisch indizierten Therapie unter therapeutischen Dosen entwickeln.« Die sogenannte Niedrigdosisabhängigkeit entstehe bereits relativ zeitig nach vier bis sechs Wochen der Einnahme.

Dennoch stünden die beiden Substanzgruppen ungebrochen häufig auf dem (E-)Rezeptblock. »Zwar haben die Verordnungszahlen zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich abgenommen. Gleichzeitig ist jedoch die Zunahme bei den Privatrezept-Verordnungen seit 2014 dokumentiert«, zeigte Schmidtko Daten aus dem aktuellen Arzneiverordnungsreport und aus einer Publikation im »Deutschen Ärzteblatt«.

Auch die Z-Substanzen Zolpidem, Zopiclon und Eszopiclon bergen ein Abhängigkeitspotenzial, und zwar ein ähnlich hohes wie die Benzodiazepine. »Insofern haben sich die Hoffnungen, die man in sie als ideale Schlafmittel gesetzt hat, nicht erfüllt«, meinte der Pharmakologe. Das sei angesichts ihrer Struktur – sie werden auch als Benzodiazepin-Agonisten bezeichnet, ohne eine Benzodiazepin-Struktur zu haben – nicht verwunderlich. »Ihre Vorzüge liegen in ihrer besseren Pharmakokinetik. Sie haben kürzere und konstantere Halbwertszeiten als die meisten Benzos.« Durch seine kurze Halbwertszeit ist Zolpidem gut bei Einschlafstörungen geeignet. Frauen verstoffwechseln Zolpidem etwas langsamer und brauchen nur die halbe Dosis. Zopiclon ist hingegen länger wirksam und daher bei Durchschlafstörungen die bessere Wahl.

Bei Benzodiazepinen zu berücksichtigen: Sie werden über verschiedene Metabolisierungswege abgebaut, weshalb substanzabhängig aktive Metaboliten entstehen. Das macht die Wirkdauer sehr variabel und zudem ist das Interaktionspotenzial enorm hoch. Weil sich bei älteren Patienten die Eliminationszeiten von Benzodiazepinen um das Zwei- bis Dreifache verlängern kann, sind bei Senioren unter Umständen Dosisanpassungen nötig. Betagte starten in der Regel maximal mit der halben Tagesdosis, so Schmidtko.

Grund für die schnelle Entwicklung einer Abhängigkeit ist letztendlich der Wirkmechanismus der Benzodiazepine und der Z-Substanzen. Die Arzneistoffe binden an Untereinheiten des hemmend wirkenden GABAA-Rezeptors am ligandengesteuerten Chlorid-Kanal und erhöhen die durch GABA hervorgerufene Chlorid-Leitfähigkeit. Da die GABAA-Rezeptoren jedoch in inhibitorischen Neuronen sitzen, kommt es zu einer sogenannten Disinhibition. »Es entsteht also die Hemmung einer Hemmung, was in der Konsequenz einer Stimulierung gleichkommt. Die Dopamin-Freisetzung im Belohnungssystem wird also erhöht.« Aufgrund dieser Toleranzentwicklung im dopaminergen System und der Downregulation der GABAA-Rezeptoren empfahl der Pharmakologe, die Substanzen rechtzeitig und ausschleichend abzusetzen. Die Einnahmedauer solle am besten vier Wochen nicht überschreiten.

In kleinen Schritten

Den typisch Betroffenen einer Niedrigdosisabhängigkeit beschrieb Schmidtko als älteren Patienten, oft weiblich, Personen mit Schlaf- oder Angststörungen oder chronischen Schmerzen, die ihre ursprüngliche Symptomatik behandeln wollen. Die Arzneistoffe werden vom Arzt verordnet. Als weitere Substanzen werden wenn überhaupt Alkohol konsumiert. »Ob ein Entzug indiziert ist, ist abhängig von der Abwägung potenzieller Vor- und Nachteile für den Patienten«, ist für Schmidtko die wichtigste Maßgabe. Wenn ein Entzug infrage kommt, gilt zu berücksichtigen: »Ein zu schneller Entzug kann zu heftigen Entzugssymptomen führen, ein zu langsamer senkt die Compliance.«

Schmidtko sprach sich für ein schrittweises Absetzen aus. Als Faustregel gelte eine Dosisreduktion von 10 bis 25 Prozent pro Woche im ambulanten Setting oder 10 Prozent täglich im stationären Rahmen. Anhand von Clonazepam-Tropfen, die jeweils auf vier Tagesdosen aufgeteilt werden, rechnete er die langsame Dosisreduktion vor:

  • Tag 1-3: 20 Tropfen
  • Tag 4-6: 18 Tropfen
  • Tag 7-9: 16 Tropfen
  • entsprechende Dosisreduktion bis Tag 40

»Das Ausschleichen verspricht die meisten Erfolge in Kombination mit einer Psychotherapie. Komorbide Störungen sind zusätzlich zu behandeln«, erklärte Schmidtko.

Low-Dose-Antidepressiva

Vermutlich aufgrund ihres geringen bis nicht vorhandenen Abhängigkeitspotenzials werden zunehmend sedierende Antidepressiva off Label bei Insomnien ohne komorbider Depression eingesetzt, berichtete der Referent. Dabei sei ihre Wirksamkeit bei Schlafstörungen nur in wenigen Studien untersucht und vermutlich seien sie schwächer wirksam als die Benzodiazepine und Z-Substanzen.

Das einzige in Deutschland zur Insomnie-Behandlung zugelassene Antidepressivum ist Schmidtko zufolge Doxepin. Amitriptylin, Mirtazapin, Trazodon oder Trimipramin haben dafür keine Zulassung. »Weil Antidepressiva zur Insomnie-Behandlung in niedrigeren Dosen eingesetzt werden als zur Therapie von Depressionen, sind sie auch besser verträglich.« Bei Doxepin seien für Schlafstörungen 5 bis 50 mg ausreichend, bei einer Depression kämen zwischen 100 bis 300 mg zum Einsatz.

Ob der relativ neue Orexin-Rezeptorantagonist Daridorexant die Hoffnungen in ein ideales Schlafmittel erfüllen kann? Seit rund eineinhalb Jahren ist die neue Substanz in Deutschland auf dem Markt. Schmidtko zeigte sich erst mal zurückhaltend. Zwar verbesserte Daridorexant in klinischen Studien mit chronischen Insomniepatienten den Schlaf sowie die Leistungsfähigkeit am Tag im Vergleich zu Placebo und es gab keine Anzeichen für einen Missbrauch oder eine Abhängigkeit. Aber ob sich die guten Studienergebnisse auch in der Praxis abbilden ließen, bleibe abzuwarten. Seit Anfang des Monats März laufe ein neues Nutzenbewertungsverfahren, die Beschlussfassung sei für August 2024 angekündigt.

Mehr Nach- als Vorteile

Zurückhaltend äußerte sich Schmidtko auch bezüglich der Effektivität der sedierenden H1-Antihistaminika Diphenhydramin, Doxylamin und Hydroxyzin. »Es gibt keine hochwertigen randomisierten kontrollierten Studien, die die Wirksamkeit bezüglich Insomnie belegen. Antihistaminika haben einen allenfalls mäßigen Effekt nach deutlich verzögertem Wirkeintritt und können obendrein rasch – und zwar rascher als Benzodiazepine und Z/Substanzen – eine Toleranz entwickeln.«

Aufgrund der erwiesenen Verdopplung der Sturz- und Frakturrate bei über 65-Jährigen plädierte der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht, dessen Mitglied Schmidtko ist, vor vier Jahren dafür, Doxylamin und Diphenhydramin bei diesen Patienten der Verschreibungspflicht zu unterstellen. Der Apotheker bedauerte, dass dem nicht gefolgt wurde. Ein Argument dagegen wäre die in der Praxis nur schwer umsetzbare Kontrolle der Altersgrenze von 65 Jahren gewesen.

Unter dem Strich steht die Erkenntnis: »Es gibt keine gute Alternativen zu Benzodiazepinen oder Z-Substanzen.« Es bleibe also nur ein schrittweises Absetzen und eine kognitive Verhaltenstherapie als Behandlungsoption, um die Patienten aus der Sucht herauszuführen.

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