Wege zum eigenen Kind |
Wünscht sich ein Paar ohne Erfolg ein Kind, kann das auch stabile Beziehungen schwer belasten. / Foto: Adobe Stock/zinkevych
Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO gilt ein Paar als unfruchtbar, wenn sich trotz regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehrs zum Zeitpunkt des Eisprungs nach einem Jahr keine Schwangerschaft eingestellt hat. In Deutschland betrifft dies etwa 15 Prozent der Paare. Oft ist die Familienplanung bereits beim ersten Kind erschwert, es gibt allerdings auch Paare, die bereits ein oder mehrere Kinder haben und bei einem erneuten Kinderwunsch mit dem Problem der Unfruchtbarkeit konfrontiert werden.
Mediziner raten in jedem Fall zur genaueren Abklärung. Der ideale Zeitpunkt dafür richtet sich nach dem Alter der Frau, was der abnehmenden Eizellreserve geschuldet ist. Frauen unter 35 Jahren können sich unbesorgt ein Jahr Zeit geben. Ab 35 Jahren empfehlen Ärzte, nach sechs Monaten erfolglosen Probierens medizinischen Rat einzuholen. Dies kann zum Beispiel über den Frauenarzt erfolgen, der weitere Fachärzte empfehlen und an Spezialisten überweisen kann. Wichtig ist, dass sich beide Partner umfassend untersuchen lassen. Die Ursachen der Unfruchtbarkeit betreffen Männer und Frauen im gleichen Ausmaß. So finden sich bei etwa 30 Prozent der Paare eindeutige weibliche Faktoren, bei weiteren 30 Prozent handelt es sich um männliche Faktoren. Bei einem Drittel der Betroffenen liegt eine Kombination aus männlichen und weiblichen Faktoren vor und bei etwa 10 Prozent der Paare bleibt die Ursache unklar.
In den meisten Fällen handelt es sich nicht um eine vollständige Unfruchtbarkeit, sondern um eine vorübergehende Fruchtbarkeitsstörung. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Bei Frauen sind es besonders häufig hormonelle Ungleichgewichte, die eine Funktionsstörung der Eierstöcke oder eine Störung der Eizellreifung zur Folge haben. Dies zeigt sich zum Beispiel an übermäßig langen Zyklen, die es schwermachen, den Eisprung exakt zu bestimmen. Der Eisprung kann zudem ganz ausbleiben oder der Gelbkörper wird nicht richtig ausgebildet. Bei etwa einem Drittel der betroffenen Frauen liegt die Ursache in den Eileitern. Sind diese teilweise oder komplett verschlossen, ist der Transport der Eizelle oder die Passage der Samenzellen deutlich erschwert oder unmöglich. Auch Vernarbungen am Gebärmutterhals können den Durchtritt der Spermien erschweren oder verhindern. Ein niedriger pH-Wert in der Scheide oder Veränderungen des Zervixschleims können die Beweglichkeit und die Überlebensfähigkeit der Spermien beeinträchtigen. In der Gebärmutter selbst können Myome die Einnistung einer befruchteten Eizelle verhindern oder Fehlgeburten auslösen.
Der häufigste Auslöser männlicher Unfruchtbarkeit ist, dass nicht genügend intakte und gut bewegliche Spermien gebildet werden. Mediziner gehen davon aus, dass für eine erfolgreiche Befruchtung pro Milliliter Ejakulat 15 Millionen Spermien benötigt werden, von denen mindestens 32 Prozent gut beweglich und wenigstens 4 Prozent normal geformt sind. Ursachen einer gestörten Spermienproduktion kann ein früherer oder aktueller Hodenhochstand sein, der die Hoden durch Überwärmung und schlechte Durchblutung schädigt. Auch Infektionen der Hoden und Nebenhoden, Hodenverletzungen oder eine Hodenverdrehung können sich auf die Spermienproduktion auswirken. Zudem vermuten Mediziner, dass verdickte Venen im Hodensack die Spermienproduktion stören. Bei einigen Männern sind die Samenwege ganz oder teilweise verschlossen, nicht vollständig angelegt oder es entwickelt sich eine sogenannte retrograde Ejakulation. In diesem Fall werden die Spermien nicht nach außen, sondern in die Blase befördert. Auslöser ist ein fehlerhafter muskulärer Verschluss zwischen Blase und Prostata.
Unabhängig vom Geschlecht kann die Unfruchtbarkeit in sehr seltenen Fällen darauf beruhen, dass das Immunsystem die eigenen Ei- oder Samenzellen angreift und dadurch den Eintritt einer Schwangerschaft verhindert. Zudem können das Alter, Über- oder Untergewicht, die Einnahme von Medikamenten, ein starker Nikotinkonsum, ein hoher Alkoholkonsum oder die Einnahme von Drogen, Umwelteinflüsse, psychische Faktoren und Leistungssport die Fruchtbarkeit beeinflussen.
Grundsätzlich versuchen Mediziner zunächst, die Auslöser der Unfruchtbarkeit zu behandeln. Liegt eine hormonelle Störung vor, kann diese durch die Einnahme der fehlenden Hormone oder die Hemmung einer erhöhten Hormonproduktion korrigiert werden. Die Eierstöcke lassen sich hormonell stimulieren, der Eisprung medikamentös auslösen. Myome können Ärzte operativ entfernen, auch verschlossene Ei- oder Samenleiter lassen sich mitunter durch einen chirurgischen Eingriff wieder passierbar machen. Viele Paare können so doch noch auf natürlichem Weg ihr Wunschkind bekommen.
Ist eine natürliche Zeugung ausgeschlossen, können Paare auf die Reproduktionsmedizin zurückgreifen. Hier stehen im Wesentlichen drei Methoden zur Verfügung. Bei der intrauterinen Insemination werden die Samenzellen direkt in die Gebärmutter eingebracht. Das verkürzt den Weg, den sie bis zur Eizelle zurücklegen müssen und sie erreichen diese in größerer Menge. Um die Erfolgsaussichten der Insemination zu erhöhen, geht diese in der Regel mit einer hormonellen Stimulation der Eierstöcke einher. Die Eizellreifung wird angeregt und das Wachstum sowie die Reife der Eizellen werden mit Hilfe von Blut- und Ultraschall-Untersuchungen überwacht. Um den Eisprung nicht zu verpassen, wird dieser hormonell ausgelöst und spätestens 36 Stunden später die Insemination durchgeführt. Hierfür wird eine frische Spermaprobe im Labor so aufbereitet, dass möglichst viele befruchtungsfähige Spermien in die Gebärmutter eingesetzt werden. Dies erfolgt mithilfe eines dünnen Katheters über die Scheide.
Das Verfahren der In-vitro-Fertilisation (IVF), umgangssprachlich als künstliche Befruchtung bezeichnet, existiert seit 1978. Im Vergleich zur Insemination ist die Behandlung für den weiblichen Organismus anstrengender und mit invasiven Eingriffen verbunden.
In der Regel beginnt ein IVF-Behandlungszyklus mit der sogenannten Downregulation. Mithilfe von Gonadotropin freisetzenden Hormonantagonisten (GnRH-Antagonisten) wird die körpereigene Hormonausschüttung unterdrückt, um die Eierstöcke anschließend gezielt stimulieren zu können. Ziel ist es, möglichst viele Eibläschen heranreifen zu lassen, sodass nach dem Auslösen des Eisprungs eine größere Anzahl befruchtungsfähiger Eizellen entnommen werden kann als dies im natürlichen Zyklus der Fall wäre. Die Eizellpunktion erfolgt etwa 36 Stunden nach dem Auslösen des Eisprungs und wird unter Vollnarkose durchgeführt.
Die Befruchtung der Eizellen erfolgt anschließend unter Laborbedingungen, folgt aber dem natürlichen Prinzip. Die aufbereiteten Samenzellen des Partners werden in einer Nährlösung mit den entnommenen Eizellen zusammengebracht. Als Richtwert müssen pro Eizelle 100.000 Samenzellen zur Verfügung stehen, von denen mindestens 30 Prozent eine gute Beweglichkeit haben und normal geformt sind. War die Befruchtung erfolgreich, können die Embryonen zwei bis sechs Tage später in die Gebärmutterhöhle eingesetzt werden. Nach dem Embryonenschutzgesetzt ist das Einsetzen von maximal drei Embryonen erlaubt. Frauen unter 38 Jahren wird jedoch in der Regel zum Einsetzen von nur einem oder zwei Embryonen geraten, um das Eintreten einer Drillingsschwangerschaft und die Risiken, die diese mit sich bringen kann, auszuschließen.
Die »Intrazytoplasmatische Spermieninjektion« (ICSI) ist eine Weiterentwicklung der IVF, die sich lediglich durch den Befruchtungsprozess unterscheidet. Dieser wird nicht dem Zufall überlassen, sondern im Labor wird eine einzelne Samenzelle direkt in die Eizelle eingeführt. Die ICSI eignet sich damit auch für Paare, bei denen die Samenqualität des Mannes stark eingeschränkt ist. Die Risiken und Nebenwirkungen für die behandelten Frauen sind bei IVF und ICSI gleich. Die Hormonbehandlung kann psychisch und physisch sehr anstrengend sein. Es besteht die Gefahr eines Überstimulationssyndroms, das sich mit Bauchschmerzen, Übelkeit sowie Kurzatmigkeit bemerkbar macht und im schlimmsten Fall stationär behandelt werden muss. Dazu kommen Risiken, die von der Narkose und der Entnahme der Eizellen ausgehen. In ihrer Erfolgsquote sind beide Verfahren vergleichbar. Die durchschnittliche Geburtenrate liegt bei 15 bis 20 Prozent pro Behandlungszyklus.
Insemination
In-vitro-Fertilisation
Intrazytoplasmatische Spermieninjektion