Welche Abnehmspritze wirkt besser? |
Im Schnitt wogen Patienten nach zwölf Monaten Tirzepatid-Anwendung 15,3 Prozent weniger als zum Therapiebeginn, während es unter Semaglutid 8,3 Prozent weniger des Ausgangsgewichts waren. / Foto: Getty Images/Heike Faber
Schon die Zulassungsstudien deuteten daraufhin, dass unter Tirzepatid (Mounjaro® von Eli Lilly) mittelfristig ein stärkerer Gewichtsverlust möglich ist als unter Semaglutid (Ozempic® und Wegovy® von Novo Nordisk). Das ist pharmakologisch auch nur plausibel: Während Semaglutid ein reiner Agonist am GLP-1-Rezeptor ist, wirkt das sogenannte Twinkretin Tirzepatid zusätzlich auch am GIP-Rezeptor (GIP steht für glucoseabhängiges insulinotropes Peptid).
Eine vergleichende Studie bestätigt die Unterschiede im Gewichtsverlust nun. Das Nebenwirkungsrisiko beider Substanzen sei dabei vergleichbar, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal »JAMA Internal Medicine«. Aussagen zu Langzeitfolgen sowie zum Erreichen wichtiger Ziele wie einem verringerten Risiko für Herzinfarkte ließen sich aus der Analyse aber nicht ableiten.
Die Forschenden um Nicholas Stucky vom US-Unternehmen Truveta in Bellevue, das auf die Analyse elektronischer Gesundheitsdaten spezialisiert ist, nutzten Daten von mehr als 18.000 Erwachsenen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit, die in den USA mit Semaglutid oder Tirzepatid behandelt wurden. Ihr Durchschnittsalter betrugt 52 Jahre, das mittlere Gewicht zu Beginn der Therapie 110 Kilogramm. Etwa die Hälfte litt zusätzlich zum Übergewicht auch unter Typ-2-Diabetes (52 Prozent). Erfasst wurde, ob ein Gewichtsverlust von mindestens 5, 10 oder 15 Prozent erreicht wurde und wie sich das Gewicht nach drei, sechs und zwölf Monaten Therapie entwickelt hatte.
Insgesamt lässt sich sagen: Patienten, die Tirzepatid erhielten, erreichten merklich häufiger einen Gewichtsverlust. Zudem waren die Veränderungen des Gewichts bei ihnen im Mittel größer. Die Ergebnisse bestätigten Hinweise aus früheren Studien, wie die Forschenden erläutern.
5 Prozent oder mehr Gewichtsverlust innerhalb eines Jahres erreichten etwa vier von fünf der mit Tirzepatid behandelten Männer und Frauen (81,8 Prozent), mit Semaglutid waren es rund jede/r Dritte (66,5 Prozent). Eine Reduktion um 10 Prozent oder mehr verzeichneten 62,1 Prozent unter Tirzepatid und 37,1 Prozent unter Semaglutid. 15 Prozent oder mehr schafften 42,3 Prozent mit Tirzepatid und 18,1 Prozent mit Semaglutid.
Mit Tirzepatid konnten auch größere Abnehmerfolge erzielt werden: Mit dem Twinkretin hatten die Behandelten nach drei Monaten im Schnitt 2,4 Prozent mehr ihres Ausgangskörpergewichts verloren als unter Semaglutid, nach sechs Monaten 4,3 Prozent mehr und nach zwölf Monaten 6,9 Prozent mehr. Im Schnitt wogen Patienten nach zwölf Monaten Tirzepatid-Anwendung 15,3 Prozent weniger als zum Therapiebeginn, während es unter Semaglutid 8,3 Prozent weniger des Ausgangsgewichts waren. Die Rate an Magen-Darm-Problemen wie Übelkeit, Durchfall und Verstopfung als typische Nebenwirkungen war dagegen bei beiden Gruppen ähnlich.
Die Studie bestätigte auch, dass übergewichtige Menschen ohne Typ-2-Diabetes im Mittel mehr Gewicht verlieren als Patienten mit dieser Diagnose. »Die Gründe dafür sind unklar«, so die Forschenden. Eine mögliche Ursache sei eine unterschiedliche Motivation zur Gewichtsabnahme, verbunden damit, stärker nötige Änderungen wie eine andere Ernährung und mehr Bewegung anzugehen. Sprich: Menschen, die damit ihre Kilos purzeln lassen wollen, engagieren sich womöglich mehr als Menschen, für die die Arzneimittel nur Teil der regulären Diabetes-Behandlung sind.
Einschränkend gibt das Team um Stucky zu bedenken, dass für die Studie die Behandlung mit den Präparaten betrachtet wurde, die zum damaligen Zeitpunkt nur zur Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen waren (mit 5,0 mg Tirzepatid als hochdosierter Standarddosis beziehungsweise 0,5 mg Semaglutid jeweils einmal wöchentlich). Mittlerweile sind beide Wirkstoffe auch bei Adipositas ohne Diabetes zugelassen, allerdings in höherer Dosierung (bis zu 15 mg Tirzepatid beziehungsweise 2,4 mg Semaglutid jeweils einmal wöchentlich). »Künftige Studien sind erforderlich, um Versionen zu vergleichen, die zur Gewichtsreduktion zugelassen sind.« Nötig seien zudem Analysen dazu, wie gut die Wirkstoffe im Vergleich Herz-Kreislauf-Probleme und andere Folgen von Übergewicht vermindern.
Erwähnt wird zudem ein auffälliges Detail: Bei mehr als der Hälfte der einbezogenen Frauen und Männer endete die Behandlung, weil sie vom jeweiligen Patienten abgebrochen wurde. Der Anteil unterschied sich zwischen den beiden Medikamenten wenig. Der jeweilige Grund wurde nicht erfasst, erläutern die Forschenden. Denkbar seien unter anderem unerwünschte Nebenwirkungen, die hohen Kosten der selbst zu zahlenden Therapie oder Engpässe bei der Erhältlichkeit der Präparate.
Die hohe Abbruch-Rate ist vor allem deshalb bedenklich, weil mehrere Studien gezeigt haben, dass es dann zum Jo-Jo-Effekt kommt: Das Gewicht steigt nach dem Absetzen wieder deutlich. Die Wirkstoffe müssten für einen anhaltenden Effekt lebenslang verwendet werden – wobei die Langzeitwirkungen noch unklar sind.