Welche Ernährung tut den Nieren gut? |
Juliane Brüggen |
03.08.2023 10:30 Uhr |
Die Nieren übernehmen wichtige Funktionen. Zum Beispiel werden über die paarig angelegten Organe die angefallenen »Abfallstoffe« mit dem Urin ausgeschieden. / Foto: Getty Images/Maryna Terletska
Grundsätzlich ist eine herzgesunde Ernährung auch eine nierengesunde Ernährung, wie Dr. Susanne Fleig deutlich macht. Denn Schäden am Herz-Kreislauf-System haben negative Folgen für die Nieren. »Umgekehrt wächst mit abnehmender Nierenfunktion das kardiovaskuläre Risiko«, so Fleig. Aber nicht nur das Erkrankungsrisiko ist hoch, auch das Risiko, infolge eines Herzinfarkts, Schlaganfalls oder eines anderen kardiovaskulären Ereignisses zu sterben, ist bei Menschen mit einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) erhöht. Das Stadium spielt ebenfalls eine Rolle: »Je schlechter die Nierenfunktion ist, desto höher ist das kardiovaskuläre Risiko.«
Die gute Nachricht: »Mit einer Umstellung der Essgewohnheiten kann das Fortschreiten der Niereninsuffizienz verlangsamt und damit wiederum das kardiovaskuläre Risiko reduziert werden«, so Fleig. Wie so oft steht das Darmmikrobiom im Fokus. »Was wir essen, ist das Substrat für die Bakterien und steuert, welche Populationen sich vermehren können.« Vor allem Ballaststoffe sind wichtig, da sie nützlichen Darmbakterien als »Futter« dienen. Diese stellen daraus kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat, Propionat und Acetat her – »Energielieferanten für die Zellen unserer Darmwand, wir können sie nicht selbst herstellen.«
Nimmt man zu wenige Ballaststoffe auf, können laut Fleig andere Bakterien Überhand nehmen, die beim Eiweißabbau »Urämietoxine« produzieren. »Diese Stoffe reichern sich bei eingeschränkter Nierenfunktion an und fördern die Entstehung von Atherosklerose und anderen gefäßschädigenden Prozessen.«
Man spricht von einer chronischen Nierenerkrankung (CKD), wenn die Nieren länger als drei Monate nur eingeschränkt funktionieren oder auf Dauer geschädigt sind. Häufige Ursachen sind Diabetes mellitus oder Hypertonie.
Laborwerte zur Einschätzung der Nierenfunktion sind unter anderem der Kreatininwert und die glomeruläre Filtrationsrate (eGFR). Auf eine gestörte Filterfunktion weisen außerdem Proteine im Urin hin (Proteinurie).
Das eine Nierengift unter den Lebensmitteln gebe es nicht, so die Fachärztin für Nephrologie – vor allem Arzneimittel schädigten die Niere, zum Beispiel nichtsteroidale Antirheumatika oder Antibiotika. Aufpassen sollten nierenkranke Menschen beim Verzehr der Sternfrucht – sie enthält das Toxin Caramboxin, das über die Nieren ausgeschieden wird. Zudem ist bei manchen Pflanzen und Kräutern Vorsicht geboten. So enthalten Osterluzeigewächse wie Haselwurz den kanzerogenen und nephrotoxischen Inhaltstoff Aristolochia-Säure. Oxalsäure-haltige Lebensmittel sind wiederum ungünstig, wenn eine Neigung zu Nierensteinen besteht.
Nach der Diagnose CKD sei eine Ernährungsberatung immer sinnvoll, so Fleig. Neben den allgemeinen Empfehlungen zur herzgesunden Ernährung (pflanzenbasiert, mediterran, DASH- oder Okinawa-Diät), müsse ein besonderes Augenmerk auf Phosphat, Kalium und Eiweiß liegen. Es habe aber einen Paradigmenwechsel gegeben, die Empfehlungen sind nicht mehr so restriktiv.
Die Empfehlung »wenig Obst und Gemüse, um eine Hyperkaliämie zu vermeiden« sei nicht mehr aktuell. »Man sollte bei Obst und Gemüse differenzieren, wie hoch ist der Anteil an Kalium und wie hoch ist der Ballaststoffanteil, und die Sorten, die verhältnismäßig wenig Kalium und viele Ballaststoffe haben, dann auf alle Fälle weiterhin empfehlen.« Der Einfluss des durch die Ernährung aufgenommenen Kaliums sei viel geringer als oft angenommen. Bei erhöhten Kaliumwerten sollten zunächst andere Ursachen abgeklärt werden, empfiehlt die Ärztin.
Außerdem ist der Phosphatgehalt von Lebensmitteln zu beachten, da dieses unter anderem zur Gefäßschädigung beiträgt. Es kommt allerdings auf die Quelle an: »Als Zusatzstoff in Fertiggerichten wird es zu einem viel höheren Anteil vom Körper aufgenommen als aus natürlichen Quellen wie Salat oder Gemüse.« Hinsichtlich des Kochsalzkonsums gilt, maximal 5 Gramm pro Tag – was der Empfehlung für alle Menschen entspricht.
Kaliumreich sind unter anderem Aprikosen, Bananen, Karotten, Kohlrabi, Avocado und Tomaten, besonders in konzentrierter Form (Tomatenmark, Trockenobst). Ebenso enthalten Haselnüsse, Cashewkerne, Erdnüsse und Mandeln, Bitterschokolade sowie bestimmte Mehlsorten (Dinkel-, Roggen-, Buchweizenvollkornmehl) vergleichsweise viel Kalium.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ernährung
»Auch beim Eiweiß ändert sich im Moment der Trend«, so Fleig. Die Studie, die einen geringen Effekt der proteinarmen Ernährung auf das Fortschreiten der CKD zeigte, stammt aus dem Jahr 1989. Damals gab es noch keine wirksamen, medikamentösen Therapieoptionen. Das ist mittlerweile anders, eine strenge Restriktion sei daher oft nicht mehr erforderlich, betont die Medizinerin. Im Gegenteil: »Mit dem Verzicht auf Eiweiß steigt das Risiko einer Mangelernährung.« Bei einem Mangel kommt es zu Muskel- und Knochenabbau bis hin zur Sarkopenie.
»Der Fokus sollte deshalb darauf liegen, den Muskelzustand mindestens zu erhalten. Dazu sind circa 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht Eiweiß pro Tag notwendig«, so Fleig. Zu beachten sei, dass diese Proteinmenge bei einer normalen Ernährung schnell erreicht ist. »Die Empfehlung kehrt sich nicht ins Gegenteil um: Es wird keine besonders proteinreiche Kost bei CKD empfohlen, es sei denn, es besteht bereits eine Mangelernährung oder eine Sarkopenie, die dies begründet.«
Auch die Leitlinien der Organisation KDIGO (engl. Kidney Disease: Improving Global Outcomes) empfehlen der Medizinerin zufolge nur einer kleinen Patientengruppe eine eiweißreduzierte Ernährung, und zwar den »metabolisch stabilen« CKD-Patienten. »Im Übrigen stehen wir heute therapeutisch wesentlich besser da als zu Zeiten der Studie: wir haben jetzt die SGLT2-Hemmer, die viel besser sind als nur eine eiweißarme Diät.«
Es ist laut Fleig übrigens ein Trugschluss, anzunehmen, dass hochwertiges Protein nur aus Fleisch kommt. »Man weiß inzwischen, dass – wenn man sein Eiweiß aus verschiedenen pflanzlichen Quellen bezieht, Hülsenfrüchten, Körnern und so weiter, man sich also nicht einseitig ernährt – auch alle Aminosäuren enthalten und verfügbar sind, die man braucht.« Und weiter: »Man kann auch mit rein pflanzlichen Eiweißquellen Muskulatur wiederaufbauen; die tierischen Eiweiße sind also nicht ›besser‹!«