Weniger ist mehr |
Cremen, cremen, cremen, und zwar besser mit Pflanzenölen als mit Paraffin und Co. / Foto: Getty Images/Hoxton/Sam Edwards
In der Kosmetikbranche gibt es einen neuen Trend: »Frei von …« ist quasi das neue »Bio«. Immer mehr Hersteller deklarieren heute auf der Verpackung, welche als schädlich geltenden Stoffe im Präparat nicht enthalten sind. Ungeliebte Ingredienzien sind etwa Parabene beziehungsweise generell Konservierungsmittel, aber auch synthetische Parfum- und Duftstoffe, Sulfate, Mineralöle wie Paraffin, Silikone, Polyethylenglykol, Mikroplastik und Nanopartikel.
Parabene haben einen schlechten Ruf. Dabei sind die p-Hydroxybenzoesäureester, auch PHB-Ester genannt, die am häufigsten in Kosmetika eingesetzten Konservierungsstoffe. Methyl-, Ethyl-, Butylparaben und Co. können zwar unstrittig Kontaktallergien auslösen. Der Betroffene reagiert dann auch auf andere Substanzen, die im Molekül p-Hydroxygruppen besitzen. Doch in Relation zu ihrem häufigen Einsatz auch in Arzneimitteln, Lebensmitteln oder Kosmetika geschieht dies nicht so oft, wie man aufgrund der häufig geäußerten Kritik vermuten könnte.
Bei Neigung zu allergischer Haut empfiehlt es sich, die Inhaltsstoffliste des Präparats mit den Eintragungen im Allergiepass zu vergleichen. / Foto: Getty Images/Westend61
Zum schlechten Image der Parabene haben auch Studien beigetragen, die einen Zusammenhang zwischen der Entstehung von Brustkrebs und dem Kontakt mit diesen Substanzen herstellen. Parabene haben eine schwache, Estrogen-ähnliche Wirkung, da sie den gleichen Rezeptor aktivieren wie das Hormon Estradiol. Nach Meinung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) lässt sich jedoch aufgrund bisheriger Studienergebnisse kein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Stoffen und der Entstehung von Brustkrebs herstellen. Das Institut sieht deshalb derzeit den generellen Ersatz von Parabenen in kosmetischen Mitteln nicht als sinnvoll an. Viele der gegenwärtig verwendeten anderen Konservierungsstoffe hätten überdies ein deutlich höheres allergenes Potenzial.
Praxistipp: Um auf Nummer sicher zu gehen, sollten Kunden, die zu allergischer Haut neigen, besser kosmetische Zubereitungen verwenden, die frei von Konservierungsstoffen sind. Bei zertifizierten Natur- oder Dermokosmetika wird man oft fündig. Es empfiehlt sich für die Wahl des geeigneten Präparats, die Eintragungen im Allergiepass mit dem Inhaltsstoffverzeichnis zu vergleichen.
Tenside der ersten Generation, allen voran Natriumlaurylsulfat (INCI: Sodium Lauryl Sulfate), haben zwar eine gute reinigende Wirkung, entziehen Haut und Haaren aber viel Feuchtigkeit. Die Haut reagiert mit Rötung und Schuppenbildung, Haare werden spröde. Heute sollte ein empfehlenswertes Präparat zur Gesichts-, Körper- und Haarreinigung kein Natriumlaurylsulfat mehr enthalten. Die Substanz gilt gar als Prototyp eines anionischen Tensids mit hohem Reinigungspotenzial, aber schlechter Hautverträglichkeit. Es wird als »Negativstandard« bei der Beurteilung der Hautverträglichkeit von Tensiden auf die Haut verwendet.
Praxistipp: Schwach saure synthetische Detergenzien (Syndets) bewirken eine viel geringere Störung des Hydrolipidfilms und eine minimale Quellung der Haut. Alkylethersulfate wie Natriumlaurylethersulfat oder Isethionate, wie Natriumcocoylisethionat, gelten als wesentlich mildere Weiterentwicklungen des Natriumlaurylsulfats. Weitere häufig verarbeitete, noch mildere synthetische Tenside der inzwischen dritten Generation sind die Sulfosuccinate oder Kokos- und Zuckertenside.
Paraffinöl (INCI: Paraffinum liquidum), Hartparaffin (INCI: Paraffin) und Vaseline (INCI: Petrolatum) sind als gesättigte Kohlenwasserstoffe die bekanntesten Vertreter in der Kosmetik, die durch Raffinierung, Extraktion und Hydrierung von Erdöl gewonnen werden. Auch wenn die Begriffe Cera microcristallina, Microcristallina wax, Ceresin, Mineral oil oder Ozokerit in der Inhaltsstoffliste auftauchen, enthält das Kosmetikum Mineralöle.
Die Haut als Schutzbarriere: Kosmetika sollten den Hydrolipidmantel möglichst stärken und den transepidermalen Wasserverlust wenig behindern. / Foto: Shutterstock/Solar22
Ihre Verwendung ist nicht unumstritten, da man ihnen nachsagt, durch ihre wachsartige Konsistenz die Haut abzudecken und den transepidermalen Wasserverlust zu behindern. Wenn jedoch die Zubereitung ein gutes Spreitvermögen zeigt – was man etwa durch den Zusatz hoher Konzentrationen von Wachsestern oder verschiedene Emulgatoren erreichen kann – und nicht mehr als 10 Prozent der gesättigten Kohlenwasserstoffe in der Lipidphase enthalten sind, wird ihr Einsatz akzeptiert. Unabhängig davon ist ein gewisser okklusiver Effekt in vielen Fällen erwünscht, so bei trockener, barrieregestörter Haut, in der Babypflege oder bei der Anwendung von Hautschutzsalben.
Praxistipp: Besonders in Zubereitungen für alternde Haut empfiehlt es sich, auf gesättigte Kohlenwasserstoffe zu verzichten. Wissenschaftler vermuten, dass durch das Abdecken der Haut ein unerwünschtes Signal an die Basalschicht gesendet wird, wodurch die ohnehin verminderte Regeneration der Epidermis zusätzlich verlangsamt wird. Dermatologen empfehlen, Pflanzenöle vorzuziehen, da sie den natürlichen Fetten der Haut ähneln und daher besser in den Hydrolipidmantel integriert werden können.
Silikonöle sind hochmolekulare Siliciumverbindungen, die als Lipidkomponenten weit verbreitet sind. Die synthetischen Polymere werden aufgrund ihrer entschäumenden Wirkung bei der Herstellung von O/W-Emulsionen verwendet. Substanzen wie Dimethylpolysiloxan (INCI: Dimethicone) oder
Phenylmethylpolysiloxan (INCI: Phenyl Trimethicone) sind wasserabweisend und verfügen über ein gutes Spreitvermögen. Sie wirken in Cremes und Lotionen wie optische Weichzeichner, weil sie Fältchen vorübergehend auffüllen und ein seidiges Gefühl auf der Haut hinterlassen, ohne den transepidermalen Wasserverlust einzudämmen. In Shampoos und Haarkuren sorgen Silikone für bessere Kämmbarkeit und Glanz, da sie sich wie ein Film um das Haar legen.
Praxistipp: Silikone bleiben auf der Hautoberfläche sitzen, sie besitzen somit keinen regenerierenden Effekt. Achtung auch bei der Verwendung in der Haarpflege: Bei Dauergebrauch können sie das Haar beschweren. Ein Hinweis für Umweltbewusste: Silikone gelten zwar nicht als gesundheitsschädlich, doch belasten sie die Umwelt, da sie nur schwer abbaubar sind.
Polyethylenglykole (INCI: PEG) sind Polykondensationsprodukte des Ethylenoxids. Ihre Konsistenz wird mit steigendem Polymerisationsgrad immer fester. Durch Mischen fester und flüssiger Komponenten erhält man eine salbenartige Konsistenz, die als wasserfreie und mit Wasser abwaschbare Grundlagen eingesetzt werden. Flüssige PEG werden als Verdickungsmittel und Emulgatoren, feste PEG als Konsistenzgeber in zahlreichen Beautyprodukten wie Lippenstiften und Topika eingesetzt.
In die Kritik geraten sind PEG-haltige Zubereitungen wegen ihrer Neigung zur Autoxidation. Unter Einfluss von Licht und Sauerstoff werden sie zu Peroxiden oxidiert, die wiederum unter Radikalbildung zerfallen. Zudem entfetten einige der PEG-Vertreter die Haut und machen sie durchlässiger. Das macht die natürliche Schutzbarriere leichter angreifbar und erhöht die Penetrationsfähigkeit in die Haut – sowohl für wünschenswerte pflegende Substanzen als auch für Schadstoffe. Das kann die Haut irritieren.
Praxistipp: Kunden mit empfindlicher trockener Haut, mit Diabetes, Neurodermitis oder Psoriasis sind PEG-freie Dermokosmetika zu empfehlen.
Zudem ist die Herstellung von Polyethylenverbindungen nicht gerade umweltfreundlich. Die meisten Hersteller sind bemüht, den Einsatz der Verbindungen zu begrenzen oder ganz darauf zu verzichten. Wegen ihrer günstigen technologischen Eigenschaften ist ein völliger Verzicht jedoch momentan schwierig.
Das führt direkt zum neuen Schlagwort: Mikroplastik. So werden feste und unlösliche synthetische Polymere bezeichnet, die kleiner als 5 mm sind. Diese Kunststoffe sind in der Kosmetikindustrie äußerst beliebt, etwa als Schleifpartikel, als Binde- oder Füllmittel oder als Filmbildner, und zwar partikulär als Mikroplastik und auch in flüssiger Form. Die Partikel gelangen über die Abflüsse von Waschbecken und Badewannen in die Kanalisation und schließlich in die Meere. Die Kläranlagen können Kunststoffe meist nicht ausreichend aus dem Abwasser herausfiltern.
Die optimale Hautpflege kommt mit wenigen Zusatzstoffen aus. / Foto: Getty Images/Philipp Nemenz
In Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Kosmetikhersteller angekündigt haben, kein Mikroplastik mehr für die Produktion ihrer Zubereitungen zu verwenden, ist die Liste von Pflegeprodukten, die Mikroplastik enthalten, sehr lang. Das zeigt eine aktuelle Aufstellung des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) unter www.bund.net . Folgende Bezeichnungen in der Inhaltsstoffliste lassen auf Mikroplastik im Produkt schließen: Acrylat Copolymer (AC), Acrylate Crosspolymer (ACS), Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyethylenterephthalat (PET), Nylon-12, Nylon-6, Polyurethan (PUR), Polyacrylat (PA), Polymethylmethacrylat (PMMA), Polystyren (PS) und Polyquaternium (PQ).
Mikroplastik-Teilchen sind nicht mit den ebenfalls winzig kleinen Nanopartikeln zu verwechseln. Nanopartikel sind definitionsgemäß artifiziell hergestellte Teilchen mit einer Größe zwischen 1 und 100 Nanometer. Sie begegnen der PTA und dem Apotheker quasi täglich in Form von Titandioxid und Zinkoxid als physikalische Lichtschutzfilter, die in nanopartikulärer Form in Sonnenschutzmittel eingearbeitet sind. Ihr Einsatz gilt als sicher. Zahlreiche Untersuchungen bestätigen, dass weder ultrafeine Titandioxid- noch Zinkoxid-Partikel die Hornschicht der Haut zu durchdringen vermögen. Die Partikel verbleiben vielmehr in den oberen Schichten des Stratum corneums. In tiefere Hautschichten gelangen sie über die Haarfollikel. Dort verweilen sie eine gewisse Zeit, bevor sie etwa durch das Haarwachstum wieder Richtung Hautoberfläche zurücktransportiert werden. Seit 2013 besteht für Nanopartikel in Kosmetika eine Deklarationspflicht.