Wenn ASS nicht vertragen wird |
Barbara Döring |
14.11.2023 08:30 Uhr |
Nicht nur Schmerzmittel mit Acetylsalicylsäure, auch NSAR können Symptome einer Salicylat-Intoleranz hervorrufen. / Foto: Getty Images/Tetra Images
Nahrungsmittel-Intoleranzen wie die Fructose-, Gluten- oder Histamin-Intoleranz sind weitgehend bekannt. Seltener ist eine Unverträglichkeit gegenüber Salicylaten, die in Form von Acetylsalicylsäure in einigen Schmerzmitteln enthalten sind, aber auch über zahlreiche Lebensmittel regelmäßig aufgenommen werden. Bei der Einnahme reagieren Betroffene mit Atemwegs- oder Magen-Darm-Beschwerden oder einer Urtikaria. PTA-Forum beantwortet Fragen rund um die Unverträglichkeit, die auch als ASS-Intoleranz bekannt ist.
Was sind die Ursachen der Salicylat-Intoleranz?
Laut der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) und anderen Fachgesellschaften ist die Salicylat-Intoleranz eine nicht IgE-vermittelte Überempfindlichkeitsreaktion. Sie wird nicht als Allergie klassifiziert, sondern als Pseudoallergie bezeichnet. Die Ursachen sind nicht vollständig geklärt. Vermutlich liegt eine genetische Prädisposition vor. Bekannt ist, dass es sich um eine Störung im Stoffwechsel der Arachidonsäure handelt, die bei Entzündungsprozessen eine Rolle spielt. Salicylate wie Acetylsalicylsäure (in Aspirin® und Generika) hemmen die Cyclooxygenasen COX-1 und Cox-2 und verhindern so den Abbau der Arachidonsäure. Dadurch kommt es zu einer erhöhten Produktion von Leukotrienen, die bei Patienten mit erhöhter Empfindlichkeit zu den Symptomen der Salicylat-Intoleranz führen kann. Dabei spielt vor allem die Hemmung von COX-1 eine Rolle. Auch Schmerzmittel aus der Gruppe der nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR), die ebenfalls die Cyclooxygenasen hemmen, aber nicht zu den Salicylaten zählen, wie Ibuprofen oder Diclofenac, können den Abbau der Arachidonsäure stören und die Symptome einer Salicylat-Intoleranz auslösen.
Wie äußert sich eine Salicylat-Intoleranz?
Eine Salicylat-Intoleranz kann sich auf unterschiedliche Art und Weise an verschiedenen Organen äußern. Schon wenige Minuten nach der Einnahme können Symptome wie Niesreiz, Fließschnupfen oder Atemnot auftreten. Auch schwere Asthmaanfälle oder eine anaphylaktische Reaktion sind möglich. Bei manchen Patienten kommt es zu Schleimhautschwellungen, etwa an den Augen oder am Kehlkopf, andere wiederum reagieren mit Symptomen im Magen-Darm-Bereich. Steht eine Nesselbildung auf der Haut im Vordergrund, ist von einer Analgetika-induzierten Urtikaria (AIU) die Rede. Häufig haben Patienten mit Salicylat-Intoleranz ein Asthma bronchiale oder Polypen der Nase oder Nasennebenhöhlen. Treten die drei Beschwerdebilder gleichzeitig auf, ist von der sogenannten Samter-Trias die Rede.
Wie häufig ist eine Salicylat-Intoleranz?
Die Häufigkeit einer Salicylat-Unverträglichkeit wird auf 0,6 bis 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung geschätzt. Patienten mit Asthma bronchiale sind zu 5 bis 10 Prozent davon betroffen. Bei Patienten, die gleichzeitig an Asthma bronchiale, Rhinosinusitis und Nasenpolypen leiden, ist davon auszugehen, dass in 40 bis 75 Prozent der Fälle eine Salicylat-Intoleranz vorliegt. Die Erkrankung tritt meist ab dem dritten oder vierten Lebensjahrzehnt auf und ist bei Kindern selten. Frauen sind häufiger und in einem früheren Alter betroffen als Männer. Laut Allergieinformationsdienst des Helmholtz-Zentrums in München ist die Samter-Trias die häufigste Schmerzmittel-Intoleranz. Etwa jeder zehnte Asthma-Patient ist davon betroffen. Bei Patienten mit rezidivierenden Nasenpolypen liegt in etwa 10 bis 15 Prozent der Fälle eine Samter-Trias vor.
Gibt es einen Test zur Diagnose?
Einen Einzeltest, mit dem sich die Salicylat-Intoleranz sicher feststellen ließe, gibt es nicht. Die Diagnose erfolgt aufgrund von Laboranalysen, Provokationstests und der Betrachtung der Krankheitsgeschichte. Provokationstests werden – je nach Lokalisation der Beschwerden – oral, nasal oder bronchial durchgeführt und sollten idealerweise in spezialisierten Zentren erfolgen. Die Tests können auch dazu dienen, Schmerzmittel zu identifizieren, die vom Patienten vertragen werden.
Wie sieht die Behandlung aus?
Die einzige ursächliche Therapie ist die adaptive Desaktivierung. Durch wiederholte Gabe von Acetylsalicylsäure in steigender Dosierung soll eine Toleranz gegenüber dem Schmerzmittel erreicht werden. Ist die individuelle Dosis gefunden, bei der Symptome auftreten, wird eine dauerhafte ASS-Gabe in einer Erhaltungsdosis eingeleitet. Die Therapie ist mit einem vier- bis fünftägigen stationären Aufenthalt in einer spezialisierten Klinik verbunden.
Was ist bei Einnahme der von Schmerzmitteln zu beachten?
Patienten mit einer Salicylat-Intoleranz, bei denen keine ASS-Desaktivierung durchgeführt wurde, sollen NSAR konsequent meiden. Viele Betroffene wissen allerdings nicht, dass sie ASS oder NSAR nicht vertragen. Gerade wenn ein Asthma bronchiale und zusätzlich Polypen beim Patienten bekannt sind, kann es sinnvoll sein, vor Abgabe entsprechender Schmerzmittel den Kunden zu fragen, ob bereits Atemwegs- oder Magen-Darm-Beschwerden nach der Einnahme aufgetreten sind. Für diese Patienten kommen Analgetika infrage, die nur selten Unverträglichkeiten auslösen. Laut Zentrum für Allergologie und Rhinologie in Wiesbaden sind das Paracetamol und selektive COX-2-Hemmer (Coxibe) wie Celcoxib, Etoricoxib und Parecoxib sowie Opiode.
Was ist bei der Ernährung zu beachten?
Salicylate sind in verschiedenen Lebensmitteln wie Gemüse (zum Beispiel Paprika, Zucchini), Obst (zum Beispiel Orangen, Ananas) und Gewürze, vor allem in Curry, Thymian, Chili und Peperoni enthalten. Auch Nüsse sind tendenziell reich an Salicylsäure, ausgenommen Cashewkerne und Haselnüsse. Salicylate werden allerdings aus Lebensmitteln schlechter vom Körper aufgenommen als aus Medikamenten. Da unklar ist, inwieweit sie die Symptomatik beeinflussen, wird Betroffenen allgemein nicht zu einer salicylat-armen Ernährung geraten. Vielmehr wird eine ausgewogene Ernährung mit Gemüse und Obst empfohlen, die reichlich Antioxidanzien liefert und somit Entzündungen entgegenwirkt. Zudem ist es schwer, für einzelne Lebensmittel genaue Angaben zum Salicylsäuregehalt zu machen, da dieser abhängig vom Anbaugebiet, der Lagerung und Zubereitung stark variieren kann. Allgemein gilt, dass frische Lebensmittel einen geringeren Salicylatgehalt aufweisen als verarbeitete oder Dosenprodukte. So enthält Tomatenketchup die 15-fache Menge Salicylsäure als frische Tomaten. Untersuchungen weisen zudem darauf hin, dass Omega-3-Fettsäuren, etwa aus fettem Fisch, die Symptomatik lindern könnten. Von Alkohol ist abzuraten, wenn dieser die Beschwerden verstärkt. Die Ernährung sollte nicht in Eigenregie umgestellt werden, um einen Nährstoffmangel zu vermeiden. Eine Ernährungsberatung kann bei Unsicherheit helfen. /
Die Unverträglichkeit gegenüber Salicylaten gibt es verschiedene Bezeichnungen. Heute werden häufig die Bezeichnungen aus dem angloamerikanischen Sprachraum bevorzugt verwendet:
Bei den im Rahmen der Saliclyat-Intoleranz häufig auftretenden Asthma-Symptomen beziehungsweise dem Symptomenkomplex spricht man auch von