Wenn die Augen hervortreten |
Isabel Weinert |
18.07.2023 08:30 Uhr |
Die Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, Morbus Basedow, kann auch das Gewebe der Augen attackieren. / Foto: Adobe Stock/Africa Studio
Die Endokrine Orbitopathie ist autoimmun bedingt. Die entstehende Entzündung sorgt für eine Zunahme des Volumens der Augenhöhle. Das drückt schließlich die Augäpfel hervor. Die Augenmuskeln verdicken sich, die Augen können an Beweglichkeit einbüßen, Doppelbilder sind möglich. In der »Sprechstunde Endokrine Orbitopathie« schreibt die Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde am Uniklinikum Carl Gustav Carus in Dresden, dass Betroffene neben den hervortretenden Augen Schwellungen der Lider beklagen sowie ein Fremdkörpergefühl, ein Druckgefühl an oder hinter dem Auge, Schmerzen bei Blickbewegungen und/oder gerötete Augen. In den meisten Fällen stellen sich nur milde Augenveränderungen ein, ein Teil erleidet jedoch schwere Verläufe. Frauen sind überproportional häufig betroffen.
Meistens ist die Endokrine Orbitopathie mit einer Erkrankung der Schilddrüse vergesellschaftet, dem Morbus Basedow. Dabei bildet das Immunsystem Antikörper gegen TSH-Rezeptoren auf den Zellen der Schilddrüse. Diese Rezeptoren finden sich allerdings auch auf dem Muskel- sowie Fettgewebe der Augenhöhle. Nicht immer ist die Augenerkrankung eine Folge der Schilddrüsenerkrankung. Vielmehr kann sie sich auch vorab eines Morbus Basedow entwickeln. In sehr seltenen Fällen kommt eine Endokrine Orbitopathie auch isoliert vor.
Um die Ursache abzuklären, bedarf es der regelmäßigen Kontrolle der Schilddrüsenwerte. Deren Stoffwechsel müsse normalisiert werden, so die Mediziner aus Dresden. Das sei medikamentös möglich und bei Bedarf mittels Radiojodtherapie, um erkranktes Gewebe der Schilddrüse zu verstrahlen. Eine weitere Möglichkeit besteht in einer Schilddrüsen-Operation. Die Mediziner streben mit jedem Verfahren eine gute Einstellung der Schilddrüsenwerte an.
In einem frühen Stadium der Endokrinen Orbitopathie erfolge die Behandlung mit Tränenersatz-Präparaten und einem Glucocorticoid. Hier käme häufig über drei Tage in einer hohen Dosierung Prednisolon während eines stationären Aufenthalts zum Einsatz. Die Hochdosistherapie verhindert die Notwendigkeit, ein Glucocorticoid über einen längeren Zeitraum in geringer Dosierung einsetzen zu müssen. Das hilft, die Rate an Nebenwirkungen zu verringern. Besteht bereits ein grüner Star, muss dieser selbstverständlich medikamentös behandelt und überwacht werden.
Die Erkrankung zeigt sich in verschiedenen Stadien. Stadium I äußert sich in einer sogenannten Oberlidretraktion, das heißt, das Oberlid ist zurückgezogen, der Betroffene erweckt den Eindruck, starr zu schauen. In Stadium II lässt sich eine Lidschwellung beobachten und ein durch eine Bindehautentzündung verursachtes rotes Auge. In Stadium III schließlich treten die Augen unnatürlich aus dem Augapfel hervor. Stadium IV ist gekennzeichnet durch eine eingeschränkte Beweglichkeit der Augäpfel und das Auftreten von Doppelbildern. In Stadium V entdeckt der Arzt eine Beteiligung der Hornhaut. Stadium VI schließlich äußert sich in einem verminderten Sehvermögen, bedingt durch eine Kompression des Sehnervs, ein grüner Star kann sich entwickeln.
Bilden sich die Symptome einer endokrinen Orbitopathie durch therapeutische Maßnahmen nicht ausreichend zurück, so lassen sich zum Beispiel Doppelbilder mithilfe von Prismen korrigieren, die als Folien auf die Brille geklebt oder – bei stabilem Befund – in das Brillenglas integriert werden, beschreiben die Experten. Operationen werden notwendig, wenn die Augen stark von der parallelen Achse abweichen. Nicht behandelt, kann eine Endokrine Orbitopathie wegen Drucks auf den Sehnerv in einer Erblindung münden.