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PAVK

Wenn die Beinarterien eng werden

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), im Volksmund auch Schaufensterkrankheit genannt, ist eine schwerwiegende Gefäßerkrankung der Beine. Obwohl die Sterblichkeit höher liegt als bei der koronaren Herzerkrankung, wird die PAVK oft unterschätzt. Denn im Anfangsstadium bereitet sie kaum Beschwerden.
Clara Wildenrath
27.04.2021  12:00 Uhr

Schaufensterkrankheit – hinter diesem eigentlich harmlos klingenden Begriff steckt eine ernst zu nehmendes Gefäßerkrankung. In Deutschland leidet rund ein Fünftel aller Männer und Frauen über 65 Jahren an dieser Durchblutungsstörung der Beine der sogenannten peripheren arteriellen Verschlusskrankheit – mit zunehmendem Alter steigend. Vier von fünf Betroffenen wissen allerdings nichts von ihrer Erkrankung, da sie zu Beginn häufig keine Beschwerden haben. Jedoch ist das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall beträchtlich erhöht.

Ursache der PAVK ist eine zunehmende »Verkalkung« der Arterien (Atherosklerose) in den Extremitäten, vor allem in den Beinen. An der Gefäßinnenwand lagern sich sogenannte Plaques aus Fett- und Eiweißbestandteilen ab, die den Blutfluss behindern. Für PAVK gelten dieselben Risikofaktoren wie für andere atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes, hohe Blutfettwerte, Übergewicht, Bewegungsmangel sowie eine positive Familienanamnese.

Stechende Muskelschmerzen

Im Anfangsstadium bereitet die eingeschränkte Durchblutung noch wenig Probleme. Nimmt die Gefäßverengung (Stenose) weiter zu, tritt ein Sauerstoffmangel in den Muskeln auf. Beim Gehen äußert sich dieser durch stechende, krampfähnliche Schmerzen in den Waden, in den Oberschenkeln oder im Gesäß. Nach einer kurzen Ruhepause bessern sich die Beschwerden meist wieder. Typischerweise bleiben die Betroffenen daher alle paar Meter stehen, als wollten sie sich die Auslage in einem Ladengeschäft ansehen – was den Begriff Schaufensterkrankheit geprägt hat. In der Fachsprache heißt dieses Phänomen Claudicatio intermittens (intermittierendes Hinken). Zusätzlich kann sich die Durchblutungsstörung durch blasse, kühle und trockene Haut, ungewöhnlich langsam wachsende Fußnägel und schlecht heilende Wunden bemerkbar machen.

Verschlechtert sich langfristig die Sauerstoffversorgung weiter, schmerzen die Füße oft schon in Ruhe. Anders als beispielsweise bei einer Venenschwäche werden die Beschwerden durch das Hochlagern der Beine nicht besser, sondern eher schlimmer, weil die Durchblutung dann noch weiter absinkt. Im Endstadium der Erkrankung stirbt das unterversorgte Gewebe ab und es droht eine Amputation der Gliedmaße. Dieses Schicksal erleiden im Schnitt zwei von 100 symptomatischen PAVK-Patienten innerhalb von zehn Jahren. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen bleiben die Beschwerden weitgehend unverändert bestehen, bei einem kleinen Teil verbessern sie sich sogar spontan.

Gefährlicher Gefäßverschluss

Akut lebensbedrohlich kann die Gefäßerkrankung jedoch werden, wenn die Plaques an den Gefäßinnenwänden aufbrechen. Dann lagern sich dort Blutplättchen (Thrombozyten) an und ein Blutgerinnsel entsteht. Ein solcher Thrombus kann die Arterie verstopfen oder mit dem Blutstrom in andere, kleinere Gefäße gespült werden und diese blockieren. Die möglichen Folgen: ein akuter Gefäßverschluss im Bein, ein Herzinfarkt oder Schlaganfall. Bei den meisten PAVK-Patienten findet sich die Atherosklerose zudem nicht nur in den Beinarterien, sondern auch in den herz- und hirnversorgenden Schlagadern. Tödliche kardiovaskuläre Ereignisse sind der Hauptgrund dafür, dass eine PAVK die Lebenserwartung im Schnitt um zehn Jahre verkürzt – unabhängig davon, ob sie Symptome verursacht oder nicht. Das jährliche Sterberisiko liegt mit 2,4 Prozent sogar höher als bei Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung (1,8 Prozent).

Dennoch nehmen viele Menschen die PAVK nicht ernst. Weniger als die Hälfte der über 65-Jährigen, die gelegentlich Beinschmerzen haben, sucht einen Arzt auf. Dabei ist die PAVK relativ leicht zu diagnostizieren. Als wichtigstes Kriterium gilt der sogenannte Knöchel-Arm-Index (ABI, engl.: Ankle Brachial Index): der systolische Blutdruck am Fußknöchel geteilt durch den systolischen Blutdruck am Oberarm. Bei gesunden Gefäßen liegen beide Werte etwa gleich hoch. Beträgt der ABI 0,9 oder weniger, liegt eine PAVK vor – auch wenn der Patient noch keine Symptome spürt.

Je niedriger der Wert, desto stärker sind die Beinarterien verengt. Bei einem ABI zwischen 0,75 und 0,9 spricht der Gefäßmediziner von einer leichten PAVK, bei Werten unter 0,5 besteht bereits eine kritische Minderdurchblutung. Ergänzend führt er oft eine Doppler-Ultraschalluntersuchung durch, mit deren Hilfe er den Blutfluss und die Engstellen sichtbar machen kann. Ist der Befund nicht eindeutig, kann er weitere bildgebende Verfahren anordnen, etwa eine Computer- oder Magnetresonanztomographie mit Kontrastmittel. Um die Beschwerden zu objektivieren, lässt sich mit Hilfe eines Laufbands die schmerzfreie und die absolute Gehstrecke (bis zur Gehunfähigkeit wegen Schmerzen) bestimmen.

Lebensstil anpassen

Die Therapie der PAVK soll unter anderem einer weiteren Gefäßverengung entgegenwirken und so das Risiko für potenziell lebensbedrohliche Blockaden im Herz oder Gehirn verringern. Wichtig für den Patienten ist außerdem, dass sich seine Symptome verbessern oder zumindest nicht verschlechtern. Eine Therapie erfordert in der Regel die aktive Mitarbeit der Betroffenen.

Zunächst gilt es, vorhandene Risikofaktoren so weit wie möglich zu beseitigen. Für den Patienten bedeutet das: Er sollte auf jeden Fall mit dem Rauchen aufhören, Übergewicht reduzieren, sich regelmäßig bewegen und gesund ernähren. Das sind eine ganze Reihe von Lebensstiländerungen, die den wenigsten Menschen leichtfallen. Um das Fortschreiten der PAVK zu verlangsamen, sind diese aber bereits erforderlich, wenn der Betroffene noch keine oder nur wenig Beschwerden hat.

Das Apothekenteam kann seine Kunden dabei mit praktischen Tipps unterstützen. Vielen Rauchern erleichtern – neben Entwöhnungskursen – beispielsweise Nikotinkaugummis oder -pflaster den Verzicht auf die Zigarette. Der Weg zu mehr Sport und gesünderer Ernährung beginnt mit kleinen, überschaubaren Schritten. Das kann je nach den individuellen Voraussetzungen etwa ein vegetarischer Tag in der Woche und/ oder ein Spaziergang nach dem Essen sein.

Erhöhte Cholesterinwerte, Hypertonie und Diabetes fördern das Fortschreiten der PAVK. Diese Risikofaktoren lassen sich medikamentös beeinflussen. Studien belegen, dass Statine wie Simvastatin und Atorvastatin das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls sowie das Sterberisiko bei PAVK-Patienten senken. Auch die schmerzfreie und die absolute Gehstrecke verbessern sich durch die Lipidsenkung. Bei Diabetikern wirkt sich eine strenge Blutzuckerkontrolle positiv aus. Zur Behandlung des arteriellen Bluthochdrucks von PAVK-Patienten empfiehlt die medizinische Leitlinie primär ACE-Hemmer (zum Beispiel Enalapril, Lisinopril) und Calciumantagonisten (zum Beispiel Nifedipin, Amlodipin, Verapamil, Diltiazem). Auch Betablocker (zum Beispiel Metoprolol, Bisoprolol) können eingesetzt werden.

Bereits im Anfangsstadium der Erkrankung verschreibt der Arzt außerdem in der Regel sogenannte Thrombozytenfunktionshemmer, die die Bildung von lebensgefährlichen Blutgerinnseln im Gefäß verhindern sollen. Etabliert hat sich die Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) in einer Dosierung vom 100 mg pro Tag. Bei Hochrisikopatienten oder Kontraindikationen gegen ASS wird auch das neuere Clopidogrel (75 mg/ Tag) eingesetzt. Beide Substanzen konnten in Studien das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse um etwa ein Viertel senken.

Regelmäßig trainieren

Patienten, die bereits an den typischen Schmerzen beim Gehen leiden, profitieren von regelmäßigem Gehtraining – und das in mehrfacher Hinsicht: Zum einen können sie dadurch ihre schmerzfrei zu bewältigende Strecke steigern, zum andern regt das Training die Neubildung kleiner Blutgefäße an, die die Engstelle umgehen. Auch auf die Blutfette, den Blutzucker und den Blutdruck wirkt sich die Bewegung positiv aus. In Studien konnten PAVK-Patienten mit Claudicatio intermittens ihre Gehstrecke durch das Training innerhalb von drei Monaten auf das Dreifache verlängern. Allerdings zeigte sich auch, dass selbständiges Üben deutlich weniger effektiv war als ein strukturiertes, überwachtes Trainingsprogramm. Eine hilfreiche Unterstützung sind Gefäßsportgruppen, die es in vielen Städten gibt. Um eine spürbare Verbesserung zu erzielen, sollten die Patienten mindestens dreimal pro Woche 30 bis 60 Minuten trainieren. Das erfordert ein hohes Maß an Disziplin, hat sich aber in Studien als ebenso effektiv erwiesen wie ein Kathetereingriff.

Wenn die PAVK die Gehfähigkeit und die Lebensqualität bereits stark einschränkt, kann der Arzt zusätzlich symptomatisch wirkende Medikamente verschreiben. Nachweislich verbessern Cilostazol und Naftidrofuryl die Gehstrecke im Vergleich zu Placebo. Allerdings hielt sich der Effekt im Rahmen: Im Mittel verlängerte Naftidrofuryl die schmerzfreie Gehstrecke um knapp 50 Prozent, Cilostazol um 13 Prozent. Das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls scheinen diese durchblutungsfördernden Mittel kaum zu beeinflussen.

Können das Gehtraining und die medikamentöse Therapie die Gehleistung und die Schmerzen nicht in ausreichendem Maß verbessern, raten Gefäßmediziner in der Regel zu einer Katheterbehandlung. Dabei wird ein Ballonkatheter mit Hilfe eines Führungsdrahts über die Leiste in die Beinarterie geschoben (perkutane transluminale Angioplastie, PTA). An der verengten Stelle bläst der Arzt den Ballon auf und weitet so das Gefäß. Wenn notwendig, setzt er zusätzlich ein gitterförmiges Röhrchen als Gefäßstütze (Stent) ein. Dieser relativ risikoarme Eingriff erfordert keine Narkose und nur einen kurzen Krankenhautaufenthalt. Bei Bedarf kann er mehrmals wiederholt werden.

Bei einer weit fortgeschrittenen PAVK, wenn der Patient bereits unter Ruheschmerzen und möglicherweise schlecht heilenden Wunden und Geschwüren leidet, kann eine Gefäßoperation erforderlich sein. Je nach Lage und Ausdehnung der Verengung schält der Operateur das betroffene Gefäßstück aus oder verlegt einen Bypass. Für diese »Umleitung« verwendet er eine körpereigene Vene oder eine Prothese aus Kunststoffmaterial. Auch nach einer erfolgreichen Operation besteht jedoch die Gefahr, dass sich das Gefäß nach einigen Jahren wieder verschließt. Bisher konnte nicht nachgewiesen werden, dass die offene Operation das Amputations- und Sterberisiko stärker senkt als die Katheterbehandlung. In jedem Fall sollte der Patient nach dem Eingriff die medikamentöse Behandlung und das Gehtraining entsprechend der ärztlichen Anweisungen konsequent weiterführen.

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