Wenn die Schmerztablette nach Essig riecht |
Katja Egermeier |
05.12.2022 16:00 Uhr |
Das Bad ist aus der Sicht von Fachleuten kein geeigneter Ort, um Medikamente aufzubewahren. Feuchte und zu warme Luft kann die Qualität von Arzneimitteln erheblich beeinträchtigen. / Foto: Getty Imagegs/monkeybusinessimages
Prinzipiell beeinflussen drei Faktoren die Haltbarkeit von Medikamenten negativ: zu hohe Temperaturen, zu viel Luftfeuchtigkeit und eventuell Licht. Hinweise, wie ein Arzneimittel jeweils sachgerecht aufbewahrt wird, finden sich auf der Umverpackung und in der Packungsbeilage. Werden die Bedingungen eingehalten, kann dem Bundesgesundheitsministerium zufolge davon ausgegangen werden, dass das Arzneimittel bis zu dem aufgedruckten Verfalldatum qualitativ einwandfrei ist.
In den meisten Haushalten ist der Platz für Medikamente das Badezimmer. Doch gerade da sollte er nicht sein, warnt Ursula Funke, Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen in einer Pressemitteilung. Denn wo es feucht und warm ist, wie im Bad oder in der Küche, nähmen Medikamente leicht Schaden.
Arzneimittel, für die eine Lagerung bei Raumtemperatur vorgesehen ist, werden bei Temperaturen zwischen 15 und 25 Grad auf die Haltbarkeit getestet. Daraus ergibt sich das auf der Packung angegebene Mindesthaltbarkeitsdatum. Wenn im Winter die Heizung im Badezimmer so richtig schön aufdreht und dann heiß gebadet werde, steige die Temperatur schnell auf über 25 Grad, warnt Funke. Zudem werde die Luft für die Lagerung von Medikamenten zu feucht. Auch könne es im Sommer bei Sonneneinstrahlung in Wohnräumen über 25 Grad warm werden.
Die Apothekerin empfiehlt daher Räume mit konstanter Temperatur wie das Schlafzimmer oder der Flur. Es mache auch Sinn, den Medizinschrank dort zu platzieren, wo auch Lebensmittel gelagert werden: in einer kühlen Ecke der Speisekammer oder im Keller. Bei Kindern im Haushalt rät sie zu einem abschließbaren Schränkchen oder einem abschließbaren Arzneikoffer, der sich außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahren lässt.
Eine prinzipielle Lagerung im Kühlschrank ist dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) zufolge nicht zu empfehlen. Das könne zu Qualitätseinbußen führen. Wirkstoffe in Lösungen beispielsweise könnten durch Kälte ausfallen oder die Konsistenz von Salben könne sich nachteilig verändern. Ausgenommen seien natürlich jene Arzneimittel, für welche eine derartige Lagerung ausdrücklich gefordert wird.
Quelle: BMG
Werden gasförmige Moleküle von einem Medikament an die umgebende Luft abgegeben, etwa von einer Tablette an die Luft im Blister, kann ein unangenehmer Geruch entstehen. Diese Luft entweicht beim Öffnen des Blisters dann schlagartig. In der Regel entstehen solche geruchsintensiven Verbindungen, wenn durch eine undichte Verpackung Luftfeuchtigkeit auf das Medikament einwirken kann. Andere Ursachen sind Reste von Lösungsmitteln.
Je nach Wirkstoff können Medikamente unterschiedlich riechen. Funke nennt als Beispiel den Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) gegen Schmerzen als Brausetablette. Bei zu warmer Lagerung blähen diese in der Folie auf und es kommt zu Zersetzung und Gasentwicklung. Man könne das sofort riechen, sobald man eine ASS-Brausetablette aus dem Blister drückt: Riecht sie nach Essig, hat eine Zersetzung stattgefunden.
Weitere Beispiele sind der blutdrucksenkende Wirkstoff Captopril, der kann nach Schwefel riechen kann, sowie verschiedene Wirkstoffe gegen Diabetes oder Bluthochdruck, die muffig werden. Bei dem Antibiotikum Erythromycin kann Fischgeruch vorkommen.
Einige Arzneimittel sind zudem lichtempfindlich. Die Originalverpackung biete einen Lichtschutz, und zwar zum einen durch die direkte Verpackung wie lichtundurchlässige Blister oder braun getönte Glasfläschchen und zum anderen durch die Umverpackung, also die Faltschachtel, erklärt Funke. Beispiele hierfür sind die Blutdrucksenker Amlodipin und Nitrendipin, das Diuretikum Furosemid sowie das Herzmedikament Nifedipin.
Generell sollten Umverpackungen nicht weggeworfen werden, da sie allen Medikamenten als wichtiger Lichtschutz dienen. Wer auf der Packung außerdem vermerke, wofür er ein Präparat benötigt, wann es genommen werden soll und wann es geöffnet wurde, verschaffe sich auch auf längere Zeit einen Überblick.
Müssen Patienten viele Medikamente einnehmen, behelfen sie sich häufig durch Dosierhilfen für eine ganze Woche. Doch nicht alle Darreichungsformen sind dafür geeignet. Bei Brausetabletten, Schmelztabletten oder Weichgelatinekapseln könne schon ein kurzer Kontakt mit Luftfeuchtigkeit die Stabilität negativ beeinflussen, so die Kammerpräsidentin. Zu den Arzneistoffen, die Luftfeuchtigkeit binden, gehören der Cholesterinsenker Fluvastatin und das Antikonvulsivum Natriumvalproat zur Behandlung bei Epilepsie.
Ein weiteres Problem bei Wochendosetten: Bei einfachen Tabletten ohne Überzug kann es in Kontakt mit anderen Medikamenten oder durch das Fach zu Abrieb kommen. Die problematischen Arzneistoffe und Darreichungsformen sollten Funke zufolge erst kurz vor der Einnahme der Verpackung entnommen werden. Entsprechende Hinweise in der Packungsbeilage wie »lichtgeschützt aufbewahren« oder »vor Feuchtigkeit schützen« sollten stets ernst genommen werden – und entsprechende Tabletten bis zur Einnahme im Blister und dieser im Umkarton bleiben.
Folgende Anzeichen können ein Hinweis auf eine Veränderung eines Arzneimittels sein:
Bei derartigen Veränderungen wird empfohlen, in der Apotheke nachzufragen. Da sich Arzneimittel auch ohne sichtbare Anzeichen verändern können, sollten sie nach Ablauf ihres Verfalldatums nicht mehr verwendet werden.
Quelle: BMG
Etwas anspruchsvoller ist in der Regel der Transport und die richtige Aufbewahrung von Medikamenten auf Reisen. Wer in südliche Gefilde reist, sollte laut Funke sicherstellen, dass die notwendigen Arzneien weder Hitze noch Feuchtigkeit ausgesetzt werden.
Das BASG warnt speziell davor, Arzneimittel im Sommer im Auto zu lassen. Hier seien schnell Temperaturen von mehr als 60 bis 70 Grad Celsius erreicht, die nahezu jedes Arzneimittel zerstörten.
Für die richtige Temperatur sind Isoliertaschen in der Apotheke erhältlich. Sie seien in diversen Größen zu haben und können zusätzlich mit einem Kühlelement ausgerüstet werden, so Funke. Am Urlaubsort angekommen, sei die Minibar im Hotelzimmer der richtige Aufbewahrungsort für Medikamente, die kühl gelagert werden müssen. Im Zweifelsfall sollten sich Urlauber vorweg mit dem Hotel abstimmen.