Wenn Duftstoffe krank machen |
Ein natürlicher Klassiker betörenden Duftes ist die Rosenblüte. Ihrem Geruch können Duftstoff-Allergiker in der Regel ausweichen. Anders sieht das zum Beispiel bei Raumdüften in Gebäuden aus. / Foto: Adobe Stock/yaroshenko
Duftstoffe sind ein ständiger Begleiter im Alltag. In Parfüms, Deodorants, Cremes, Lotionen und Badezusätzen sind sie entscheidende Faktoren für die Kaufentscheidung. In Putz- und Waschmitteln überdecken Duftstoffe den Eigengeruch der Rohstoffe und haben eine wichtige psychologische Aufgabe. Für viele Verbraucher ist die Sauberkeit der Wäsche, des Fußbodens oder Geschirrs mit einem ganz bestimmten Duft assoziiert und erst erreicht, wenn dieser wahrnehmbar ist. Auch gegen unangenehme Alltagsgerüche gibt es passende Duftstoffe. Sie werden Müllsäcken oder Windelbeuteln zugesetzt, im Auto mit Duftbäumchen bekämpft oder mit Raumerfrischern überdeckt.
Mit Düften kann man schnell in die Gefühlswelt von Menschen vordringen, auch dann, wenn sie gerade auf oder knapp unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen. Das wird in Kaufhäusern und Einkaufszentren genutzt, um die Aufmerksamkeit der Kunden auf das Sortiment zu lenken. In Supermärkten regt der Duft von Zitrusfrüchten oder Kaffee die Kaufbereitschaft an. In Krankenhäusern und Arztpraxen überdecken Duftstoffe gefürchtete »Krankenhausgerüche« und sorgen für eine entspannte und angstfreie Atmosphäre. In Schulen und Unternehmen sollen sie die Motivation und Konzentrationsfähigkeit erhöhen, in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln einen angenehmen Aufenthalt ermöglichen.
Viele Menschen empfinden Duftstoffe als etwas Angenehmes, genießen bestimmte Gerüche und haben auch gegen großflächige Raumbeduftungen nichts einzuwenden. Anders sieht das bei Asthmatikern mit hyperreagiblen Atemwegen aus. Hier können chemische Reizstoffe, zu denen auch Duftstoffe zählen, einen Asthmaanfall provozieren. Menschen mit einer Duftstoffunverträglichkeit reagieren mit Kopfschmerzen oder Unwohlsein auf die reizende Wirkung der eingeatmeten Duftstoffe.
Nach Angaben des Deutschen Allergie- und Asthmabunds (DAAB) berichten Betroffene zudem von Herzrasen, Kreislaufstörungen und Hustenreiz. Die Beschwerden bleiben nach dem Verlassen bedufteter Räume oder dem Entfernen der Duftquelle weiter bestehen und können Stunden bis Tage anhalten. Derzeit ist nicht klar, ob es sich bei den Auslösern der Beschwerden um einzelne, bestimmte Duftstoffe handelt oder die Reaktion allgemein auf Duftstoffe erfolgt. Auch Langzeiteffekte gering dosierter Duftstoffe aus der Luft und Kombinationseffekte zwischen einzelnen Duftstoffen beziehungsweise mit anderen flüchtigen Chemikalien sind bisher nicht untersucht.
Klar ist, dass Duftstoffe häufige Auslöser für Kontaktallergien sind und nach Nickel auf Platz 2 der Ursachen stehen. Derzeit gehen Experten davon aus, dass für das Entstehen der Allergie ein direkter Hautkontakt erforderlich ist und die alleinige Inhalation von Duftstoffen nur in sehr seltenen Fällen ausreicht. Nicht vollständig geklärt ist jedoch, ob allergene Duftstoffe durch das Einatmen zur Entstehung einer Allergie beitragen können.
Aktuell werden 26 Duftstoffe als allergen eingestuft. Als Duftstoffe mit einem hohen Sensibilisierungspotenzial gelten etwa Isoeugenol, Eichenmoos oder Cinnamal. Citral und Farnesol wird ein mittleres Sensibilisierungspotenzial zugesprochen, Benzylalkohol, Citronellol oder Limonen ein geringes. Die Allergenität der Duftstoffe kann zusätzlich durch äußere Einwirkungen beeinflusst werden. So wirken Limonen, Linalool oder Geraniol durch den Kontakt mit Sauerstoff stärker sensibilisierend. Die Oxidationsprodukte von Limonen und Linalool wirken zudem hautreizend. Bei Duftstoffen wie Eichenmoos oder Sandelholzöl kann unter Einfluss von UV-Licht eine photoallergische Kontaktdermatitis entstehen.
Laut einer Studie des Umweltbundesamts leben in Deutschland mindestens eine halbe Million Duftstoff-Allergiker. Gesicherte Zahlen, wie viele Menschen von einer Duftstoffunverträglichkeit oder -empfindlichkeit betroffen sind, gibt es nicht. Die Behandlung beider Gruppen sieht jedoch gleich aus und besteht darin, Duftstoffe so gut wie möglich zu meiden. Für Betroffene bedeutet das, Produktverpackungen und Beschreibungen ganz genau zu lesen. Allergieauslösende Duftstoffe, die in abspülbaren Kosmetika sowie in Reinigungs- und Waschmitteln enthalten sind, müssen auf dem Produkt gekennzeichnet werden, wenn die Konzentration über 0,01 Prozent liegt. Bei Kosmetika, die auf der Haut verbleiben, gilt eine niedrigere Nachweisgrenze von 0,001 Prozent. Duftstoffe ohne allergieauslösendes Potenzial werden unter dem Sammelbegriff »Parfüm« zusammengefasst und in den Inhaltsangaben aufgeführt.
Gar nicht so selten findet sich auf Kosmetikprodukten der Aufdruck »parfümfrei« oder »duftfrei«. Das kann hilfreich sein, blind vertrauen sollte man allerdings nicht. Nach Angaben des DAAB konnten unabhängige Untersuchungen zeigen, dass viele dieser Produkte dennoch Duftstoffe enthalten. Hilfreich kann in diesem Zusammenhang das DAAB-Logo sein. Hiermit werden Produkte gekennzeichnet, die durch den DAAB auf den Inhalt von Duftstoffen und Allergieauslösern überprüft wurden. Über den DAAB sind zudem Listen mit duftstofffreien Produkten erhältlich. Auch in Spielzeugen finden sich mitunter Duftstoffe, was von Experten als besonders problematisch eingeschätzt wird, da diese vielfach in den Mund genommen werden. Die Produktkennzeichnung »Der Blaue Engel« zeichnet duftstofffreie Spielzeuge aus.
Schwieriger gestaltet es sich, luftgetragene Duftstoffe zu vermeiden. Die in »Beduftungsprodukten« enthaltenen Duftstoffe sind in der Regel Kompositionen aus mehreren der derzeit rund 3000 verfügbaren Einzelduftstoffe. Welche das im Einzelfall sind, wissen zumeist nur die Hersteller. Für den Einsatz von Duftstoffen als Raumbedufter gibt es zudem keine speziellen Vorgaben zur Qualität der verwendeten Duftstoffe oder der Kundeninformation. Zwar dürfen Raumsprays, Duftkerzen, Duftspender und so weiter nach dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetz bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine Gefahr für die Gesundheit darstellen, eine Deklaration der Inhaltsstoffe ist aber nicht notwendig. Auch allergieauslösende Duftstoffe müssen nicht gekennzeichnet werden.
Für den Einsatz großflächiger Raumbeduftung im öffentlichen Raum gibt es derzeit keine gesetzliche Regelung. Für Betroffene mit einer Duftstoffunverträglichkeit kann dies die Lebensqualität stark einschränken. Das Umweltbundesamt und der DAAB setzen sich deshalb für den Verzicht auf Raumbeduftung im öffentlichen Raum oder für eine Kennzeichnung bedufteter Räumlichkeiten ein. In einigen Ländern wird bereits in öffentlichen Einrichtungen wieder auf die gezielte Beduftung verzichtet oder Besucher werden darauf sensibilisiert, auf die Verwendung von Duftstoffen beim Besuch zu verzichten. Auch in Deutschland ist das Thema schon politisch aufgegriffen worden. So forderte die Bundestagsfraktion der Grünen im Jahr 2020, die Beduftung von öffentlichen Räumen und Verkehrsmitteln, Kindergärten und Krankenhäusern sowie den Einsatz allergener Duftstoffe in Spielzeug zu verbieten. Umgesetzt wurden die Forderungen bisher nicht.
Liegt der Verdacht auf eine Kontaktallergie vor, sind Allergologen die richtigen Ansprechpartner. Die Diagnose einer Duftstoffunverträglichkeit gegenüber luftgetragenen Duftstoffen ist oft nicht einfach. Der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) empfiehlt Betroffenen, sich an Umweltmediziner zu wenden, die bereits Erfahrung auf dem Gebiet aufweisen. Hilfreich kann auch der Austausch mit anderen Betroffenen sein, die sich oft über soziale Medien zusammenschließen. Auch in Selbsthilfegruppen für Menschen mit multipler chemischer Sensitivität (MCS) werden Duftstoffunverträglichkeiten mitunter thematisiert.