Wenn sich Mückenstiche entzünden |
Katja Egermeier |
23.08.2023 16:00 Uhr |
Egal, wie sehr es juckt! Das Kratzen sollte man sich verkneifen – aus mehreren Gründen. / Foto: Getty Images/globalmoments
Doch warum juckt es überhaupt? Bei einem Stich oder Biss gelangt immer auch Speichel der Mücke in die Wunde. Dieser enthält Proteine, die dafür sorgen, dass das Blut nicht gerinnt und leichter sowie vom Wirt möglichst unbemerkt in den Rüssel fließen kann. Durch diese körperfremden Stoffe werden Abwehrzellen in der Haut aktiviert, die den Botenstoff Histamin freisetzen. Dieser sorgt für den Juckreiz.
Wie lange und intensiv es juckt, hängt von der Mückenart und der Menge des injizierten Sekrets ab sowie wie stark ein Mensch darauf reagiert. Sicher ist auch: Wer dem Juckreiz nachgibt und kratzt, verlängert diesen nur.
Das Jucken ist unangenehm, aber nicht gefährlich. Allerdings kommt es in den letzten Jahren immer häufiger zu großflächigeren Schwellungen oder sogar Entzündungen an der Einstichstelle – teils offen oder mit Eiter gefüllt. Die Gründe dafür werden in medizinischen Kreisen noch diskutiert. Der Mainzer Dermatologe Dr. Uwe Kirschner schließt eine zunehmende Verbreitung exotischer Mückenarten hierzulande als Ursache nicht aus. Diese könnten andere Gifte oder Giftmengen abgeben, sodass es zu stärkeren Reaktionen kommt.
Als weiterer Verdächtiger gelten Umweltgifte. Auch wenn wissenschaftliche Beweise noch ausstehen, stünden beispielsweise Insektizide im Verdacht, allergische Reaktionen auszulösen und zu Komplikationen zu führen. Die chemischen Substanzen könnten über den Speichel der Mücken in die Haut gelangen – wenn auch nur in geringen Mengen.
Nicht umsonst heißt es »Kratzen verboten!« Stiche entzünden sich meist dann, wenn sie aufgekratzt werden. Durch die verletzte Hautoberfläche können Bakterien, die vom Mundwerkzeug des Insekts zunächst auf die Hautoberfläche gelangt sind, in die Tiefe dringen. Kirschner warnt vor einer Mischinfektion mit Hautbakterien: »Hat die Mücke beispielsweise zuvor auf einem Hundehäufchen gesessen, können Fäkalbakterien wie Streptokokken oder Kolibakterien übertragen werden.« Streptokokken wiederum könnten eine Sepsis verursachen, wenn sie in den Blutkreislauf gelangen oder ein Lymphödem, wenn sie in die Lymphbahn gelangen.
»Bei einer Entzündung wird ein Arzt wahrscheinlich eine kortisonhaltige Salbe verschreiben«, erklärt Kirschner. Bei mehreren Stichen seien auch Antihistaminika oder Cortisontabletten sinnvoll. Liegt eine bereits schwere bakterielle Infektion vor, werde ein Antibiotikum notwendig, um eine Blutvergiftung zu verhindern.
Es gelte daher: Kommt es zu einer sehr starken lokalen Reaktion, beispielsweise indem sich die Haut um den Stich stark rot verfärbt oder flammenförmige Ausläufer zeigt, ist immer ein Arztbesuch notwendig. Erst recht, wenn sich die Rötung, Verfärbung oder Schwellung immer weiter ausweitet und etwa einen Durchmesser von 15 Zentimetern erreicht.
Insbesondere dann, wenn ganze Körperbereiche betroffen seien, zum Beispiel die ganze Hand, der ganze Unterarm oder der gesamte Unterschenkel, sei damit nicht mehr zu spaßen. Ebenso bei Fieber. »Bei solch einer systematischen Reaktion auf einen Stich sollte man nicht zögern, einen Arzt aufzusuchen.«
Auch beim lästigen Jucken gilt: Kratzen verboten! Es komme nur zu einer kurzen Überlagerung des Juckreizes durch das leichte Schmerzgefühl, so Kirchner. Das Problem: Die Linderung hält nicht an, sondern verschlimmert sich noch mit jedem Kratzen.
Er empfiehlt, dem Juckreiz mit anderen Mitteln entgegenzuwirken. Die Einstichstelle beispielsweise mit einem kalten, feuchten Lappen oder einem Coolpack zu kühlen. Das verlangsame den Entzündungsprozess und stoppe die Weiterleitung des Juckreizes über die Nervenbahnen zum Gehirn. »Danach ein – am besten gekühltes – Gel mit dem Wirkstoff Dimetindenmaleat auf die betroffene Stelle auftragen, zum Beispiel Fenistil. Das lindert den Juckreiz und reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass man an der Stelle kratzt.«
Auch das Gegenteil – Hitze – wirke wahre Wunder bei Mückenstichen, so der Dermatologe. Dazu das Gewebe an der Einstichstelle mittels eines speziellen, circa 50 Grad heißen, Mückenstifts kurz aufheizen. »Dies führt dazu, dass die juckreizauslösenden Stoffe des Mückensekrets zerfallen«, erklärt Kirschner. Selbsterhitzte Löffel oder Münzen solle man besser nicht benutzen: hier herrscht Verbrennungsgefahr.
Ist der Juckreiz nicht mehr auszuhalten, könne man schließlich noch auf die Stelle klatschen oder die Haut mit den Fingerkuppen massieren – ohne mit den Nägeln zu kratzen. Allerdings führt jeder manuelle Reiz letztendlich zu einer Verschlimmerung des Juckreizes.
Von vermeintlich wunderwirkenden Hausmitteln wie Zwiebeln, Meerrettich oder Ingwer rät Kirschner ab. »Auch von Teebaumöl, Knoblauch, Quark oder Honig halte ich wenig.« Vor allem bei einem entzündeten Stich solle man keine Experimente machen, da viele Hausmittel die Haut zusätzlich reizten. Ebenso sei ein mit Alkohol getränkter Wattepad wenig geeignet: Zum einen brenne Ethanol oder Isopropanol auf der offenen Hautstelle, zum anderen seien die Dämpfe vor allem bei Kindern schädlich.