Wenn Telefonieren Angst macht |
Für die Heidelberger Psychiaterin Wolf gibt es eine Reihe von Gründen, warum jemand Hemmungen vor dem Telefonieren hat: »Angst, abgelehnt zu werden, Angst davor, sich am Telefon peinlich oder erniedrigend zu verhalten, oder einfach auch davor, dass man am Telefon ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit steht und mit unbekannten Personen spricht.«
Sie sieht Telefonphobie als eine Art der Sozialphobien, die gerade bei jungen Menschen verbreitet sind: »Es gibt Hinweise, dass bis zu 17 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahren darunter leiden.« Junge Frauen mehr als Männer. Von Erröten, Zittern, Stottern bis hin zur Angst vor Erbrechen oder Einnässen – die Symptome vor gefürchteten Situationen können nach Erfahrung der Medizinerin für Betroffene gravierend sein.
Das neue Verhaltensmuster sollte aus Sicht der Medizinerin nicht grundsätzlich pathologisiert werden. Ärztlichen Rat sollte man suchen, wenn die Angst so groß ist, dass es den Alltag einschränkt. »Dann sollte man unter therapeutischer Anleitung Telefonieren wieder neu lernen«, sagt sie. Helfen könnten niedergelassene Psychiater oder Psychotherapeuten – und ergänzend Selbsthilfegruppen, in denen man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann.
Telefonphobie kommt nach Beobachtung von Medienpädagoge Wampfler vor allem im beruflichen und administrativen Bereich oder bei Fremden vor. Doch was macht Telefonieren so schwer? »Hemmungen und Ängste in Bezug auf Telefonieren werden größer, weil die Übung mit dem Umgang der Technik des Telefonierens verloren geht«, vermutet er. Hinzu kommt nach Angaben von Psychiaterin Wolf: »Bei der schriftlichen Kommunikation sind mehr als 90 Prozent der Kommunikationsmuster wie Mimik, Gestik oder Betonung von Aussagen ausgeblendet.« Man ist nicht sichtbar – und so weniger angreifbar.
Beim Telefonat muss dagegen flexibel und spontan reagiert werden. »Das ist eng geknüpft an Sozialkompetenz.« Ihr zufolge ist es zunächst wichtig, dass Betroffene den Teufelskreis durchbrechen, der durch eine ständige Vermeidungsstrategie entstehen kann. Sie empfiehlt, der Angst entgegenzutreten und das Telefonieren bewusst zu üben. »Dazu kann man sich zum Beispiel Stichwörter notieren oder sich einen einleitenden Satz aufschreiben. Und ganz wichtig: Lächeln hilft!«
Wer andere zum Telefonieren vorschickt, handelt nach Meinung der Experten nur auf kurze Sicht clever. Und eigentlich macht Telefonieren ja auch den jungen Leuten Spaß: »Man will noch mit der Freundin quatschen«, sagt Wampfler. »Nur technisch läuft das teils anders ab – über Videotelefonie oder stundenlang per Smartphone mit Kopfhörer.«