Wenn Vitamin D überdosiert wird |
Christina Hohmann-Jeddi |
14.07.2022 14:25 Uhr |
Vitamin D wird durch Sonnenlicht in der Haut gebildet, man kann es aber auch über die Nahrung und über Supplemente aufnehmen. / Foto: Getty Images/Fototocam
»Eine Überdosierung mit Vitamin D ist möglich und schädlich«, schreibt ein Team von Forschenden um Dr. Alamin Alkundi vom East Kent Hospitals University NHS Foundation Trust in Großbritannien. In der Publikation im Journal »BMJ Case Reports« stellen sie den Fall eines mittelalten Manns vor, der mit einer entsprechenden Intoxikation ins Krankenhaus aufgenommen werden musste.
Er litt unter wiederkehrenden Erbrechen, Übelkeit, Unterleibsschmerzen, Beinkrämpfen, Tinnitus und Mundtrockenheit, verstärktem Durst, Durchfall und Gewichtsverlust von etwa 13 kg. Diese Symptome bestanden schon etwa drei Monate, als der Mann von seinem Hausarzt an eine Klinik überwiesen wurde. Die Beschwerden hatten etwa einen Monat nach Beginn eines intensiven Vitaminsupplement-Regimes eingesetzt, zu dem ihm ein Ernährungsberater geraten hatte. Zu den Vorerkrankungen des Patienten zählten eine Tuberkulose, ein Innenohrtumor, der zur Taubheit auf diesem Ohr geführt hatte, sowie ein Hydrocephalus, bakterielle Meningitis und chronische Sinusitis.
Der Patient hatte hohe Dosen von 20 verschiedenen OTC-Supplementen eingenommen. Dadurch nahm er täglich 150.000 IU Vitamin D auf – der tägliche Bedarf liege bei 400 IU, heißt es in dem Fallbericht. Hinzu kamen 100 mg Vitamin K2 (täglicher Bedarf 100 bis 300 μg), Vitamin C, 1000 mg Folat (täglicher Bedarf 400 μg), Vitamin B2, Vitamin B6 und zweimal täglich 2000 mg Omega-3-Fettsäuren (täglicher Bedarf 200 bis 500 mg). Zusätzlich nahm er noch weitere Vitamine, Spurenelemente, Aminosäuren, Probiotika und Mineralstoffe in hoher Dosis ein. Als sich die Symptome entwickelten, brach der Mann das Regime ab, doch die Beschwerden blieben.
An seinen Blutwerten fiel auf, dass die Calcium- und Magnesiumwerte erhöht waren. Der Vitamin-D-Spiegel betrug das Siebenfache des als ausreichend geltenden Werts. In den Tests zeigte sich, dass die Nierenfunktion eingeschränkt, das Organ also akut geschädigt war. Bei seinem achttägigen Krankenhausaufenthalt erhielt der Patient Flüssigkeit intravenös verabreicht, um das System zu spülen, und zusätzlich Bisphosphonate, die normalerweise zur Stärkung der Knochen oder zur Senkung exzessiver Calciumspiegel eingesetzt werden. Zwei Monate nach der Entlassung aus dem Krankenhaus hatte sich der Calciumspiegel wieder normalisiert, der Vitamin-D-Wert dagegen nicht, berichtet das Team.
Weltweit gebe es einen Trend zur Hypervitaminose D, wobei Frauen, Kinder und operierte Patienten das höchste Risiko hätten, schreiben die Autoren. Aufgrund des langsamen Abbaus der Substanz (die Halbwertszeit beträgt zwei Monate), könnten die Symptome einer Überdosierung mit Vitamin D über Wochen anhalten. Eine ganze Bandbreite von Beschwerden könnten hierbei auftreten. Sie reichten von Benommenheit, Verwirrung, Apathie, Psychosen, Depression über Anorexie, Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall, Verstopfung und Pankreatitis bis hin zu Bluthochdruck, Herz-Rhythmus-Störungen, Nierenfunktionsstörungen und Nierenversagen.
Obwohl ansteigend, sei die Zahl solcher Überdosierungen insgesamt noch recht gering, schreiben die Autoren. Trotzdem sei die Einnahme von Vitaminsupplementen beliebt und deren Risiken weitgehend unbekannt. Der Fallbericht zeige, dass sichere Produkte schädigen könnten, wenn sie in unsicheren Dosierungen oder in unsicheren Kombinationen eingenommen würden.