Wer sollte sich gegen RSV impfen lassen? |
Derweil weisen aktuell elf deutsche medizinische Fachgesellschaften und Institutionen unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in einem gemeinsamen Positionspapier darauf hin, dass RSV-Infektionen nicht nur für Neugeborene und Säuglinge gefährlich werden können, sondern auch für Senioren und chronisch Kranke. Letztere sollten sich mit einer Impfung vor schweren Verläufen der Infektion schützen.
In dem Papier heißt es: »Wir empfehlen eine Anwendung der Impfung bei Personen im Alter ab 60 Jahren. Darüber hinaus empfehlen wir nach individueller Beratung den Einsatz der Impfung bei Erwachsenen jeden Alters mit schweren pulmonalen oder kardiovaskulären Vorerkrankungen und bei Erwachsenen mit einer deutlichen Einschränkung der Immunabwehr.«
Vor allem in den Wintermonaten treten RSV-Infektionen gehäuft auf. »In den Kliniken beobachten wir eine vergleichbare Krankheitslast und Sterberate wie bei Lungenentzündungen nach Influenza- oder Pneumokokken-Infektionen. Besonders gefährdet sind auch Menschen mit bösartigen Blutkrebserkrankungen wie Leukämie oder Multiples Myelom«, erklärt Professor Dr. Martin Witzenrath, federführender Autor des Positionspapiers und Direktor der Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Intensivmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, in einer Mitteilung. Er warnt zudem vor dem Risiko schwerer Folgeerkrankungen, die durch eine RSV-Infektion ausgelöst werden können, wie kardiovaskuläre Ereignisse.
Ohne STIKO-Empfehlung sind die Kosten für die Immunisierung in der Regel privat zu tragen. Eine Kostenübernahme könne aber auch individuell – nach Absprache mit dem behandelnden Arzt – bei der zuständigen Krankenkasse beantragt werden, heißt es.
»Die schwersten Erkrankungen haben sicherlich Säuglinge unter sechs Monaten«, sagte Professor Dr. Bernhard Resch; Neonatologe von der Medizinischen Universität Graz. Er verwies auf die RSV-bedingte Bronchiolitis in den winzigen Atemwegen. Das Risiko für einen schweren Verlauf steige dabei mit vulnerablen Lungen, neonatalem Intensivaufenthalt, chronischen Lungenerkrankungen und Herzfehlern. Bei Hochrisikokindern reiche zudem der Schutz durch die bisherige passive Immunisierungsmöglichkeit im ersten Lebensjahr nicht aus: Frühgeborene und Immunsupprimierte sowie neuromuskulär erkrankten Kindern könnten auch im zweiten Lebensjahr noch schwer an einer RSV-Infektion mit Hospitalisierung erkranken. Pandemiebedingt waren in den vergangenen zwei Jahren gar noch ältere Kinder betroffen.
Zum Schutz von Risikokindern gibt es bereits seit mehr als 20 Jahren den gut wirksamen monoklonalen Antikörper Palivizumab (Synagis®). Allerdings muss er fünfmal während einer Saison (alle vier Wochen) injiziert werden. Hier bietet der neu zugelassene Antikörper Nirsevimab einen großen Fortschritt, da eine Einmalgabe zur Immunisierung ausreicht. Der neue Antikörper ist zudem für alle Säuglinge zugelassen, während Palivizumab nur für Risikokinder indiziert ist.
Noch frühere RSV-Prävention bietet die neue Vakzine Abrysvo, die als Einmalgabe zwischen der Schwangerschaftswoche 24 und 36 verabreicht werden soll. Geimpfte Schwangere geben nach dem Prinzip des Nestschutzes die gebildeten Antikörper an ihr ungeborenes Kind weiter, wodurch dieses nach der Geburt für etwa sechs Monate vor RSV-bedingten Erkrankungen geschützt ist.
Eine maternale Impfung schütze nur reif geborene Kinder, da bei vor der 36. Woche geborenen Kindern der Antikörpertransfer über die Plazenta zu gering ausfalle, gab Reschzu bedenken. Die Bereitschaft für Impfungen sei bei Schwangeren auch nicht stark ausgeprägt. Seiner Ansicht nach könnte es in Zukunft sinnvoll sein, die beiden Prophylaxeansätze, die nicht zu 100 Prozent schützten, zu kombinieren, also Schwangere gegen RSV zu impfen und Frühgeborene zusätzlich mit Antikörpern zu immunisieren.
Warum braucht man überhaupt eine maternale Impfung, wenn man eine passive Immunisierung hat? Laut Resch sei eine maternale Impfung die natürlichste Form, einen Immunschutz bei Neugeborenen zu erreichen. Denn ab etwa der 20. Schwangerschaftswoche gehen eine Reihe von Antikörpern von der Mutter auf das Kind über und erzeugen bei diesem nach der Geburt einen vorübergehenden Nestschutz gegen verschiedene Infektionskrankheiten. Bei Grippe und Pertussis werde das Prinzip der maternalen Impfung schon erfolgreich angewendet. Ein Vorteil sei auch, dass die übertragenen Antikörper polyklonal und nicht monoklonal seien und der erzeugte Schutz etwas besser ausfalle.