Wer von einer Kreatin-Einnahme profitiert |
Mit Kreatin-Einnahme können Sportler den »Energiepuffer« in den Muskelzellen voll ausnutzen. / Foto: Adobe Stock/NDABCREATIVITY
Schaut man sich in sozialen Netzwerken unter Fitness-Influencern um, gewinnt man den Eindruck, dass ohne ein weißes Pulver namens Kreatin nichts geht. Aber was ist das eigentlich – und ist es sicher? »Kreatin ist erst einmal eine körpereigene Substanz. Anders als Vitamine und Mineralstoffe, die wir mit der Nahrung zuführen müssen, kann Kreatin vom menschlichen Körper selbst gebildet werden«, sagt der Ernährungswissenschaftler Martin Smollich vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Das passiere vor allem in Leber und Niere.
Dann werde es in Muskeln gespeichert, sagt Smollich. »Und hier entfaltet es seine wichtigste Wirkung. Es dient der schnellen Energiebereitstellung in Muskelzellen.« Das sei etwa beim Power-Lifting oder bei Sprints wichtig. Wie der Wissenschaftler erklärt, können sich Muskeln Energie aus verschiedenen Quellen holen, neben Kreatin auch aus Zucker und Fett, dafür brauche der Körper aber mehr Zeit. Dementsprechend helfe das Kreatin zum Beispiel bei einer langen Joggingeinheit eher nicht, so Smollich.
Der Experte für Muskelphysiologie und Stoffwechsel am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (Dife) Maximilian Kleinert erklärt: In den Muskelzellen seien die Kreatinspeicher normalerweise bis zu 80 Prozent gefüllt. Mit der Einnahme versuche man die Speicher auf 100 Prozent zu füllen. »Wahrscheinlich reicht das, was wir sowieso schon haben, aus, aber es gibt eben noch den Tick Luft nach oben.« Durch diesen Energiepuffer könnten Sportler ihre Gewichte ein- bis zweimal mehr heben, sagt Kleinert.
Damit erhöhe das Kreatin nicht nur die Leistung innerhalb kurzer Zeit, sondern auch das Muskelvolumen und die Maximalkraft, sagt Ernährungswissenschaftler Smollich. Ob eine Einnahme im Freizeitsport sinnvoll sei, hänge von den persönlichen Zielen ab – man brauche es nicht. »Aber wenn man sagt: ›Ich möchte durch mein Training eine höhere Maximalkraft und einen dickeren Bizeps haben‹, dann beschleunigt Kreatin diesen Prozess.«
Dife-Experte Kleinert stellt fest, dass sich die Vorteile im unteren einstelligen Prozentbereich bewegen. »Wenn man natürlich bei den olympischen Athleten ist, dann können die ein, zwei Prozent natürlich schon den Unterschied zwischen einer Gold- oder Silbermedaille machen. Aber für den Freizeitsportler ist es, glaube ich, eher wichtig, sich vernünftig zu ernähren.«
Apropos Ernährung. »Man findet Kreatin in relativ hohen Konzentrationen in rotem Fleisch und Fisch, und zusammen mit der körpereigenen Synthese deckt eine ausgewogene Ernährung unseren Kreatinbedarf ab.« Interessant sei, dass Vegetarier oder Veganer teilweise niedrigere Level im Muskel hätten. Allerdings sagt Kleinert auch, dass dies im täglichen Leben nicht weiter schlimm sei. Die Einnahme ist Smollich, Kleinert und der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zufolge generell unbedenklich. Lediglich Menschen etwa mit Vorerkrankungen der Niere sollten vorsichtig sein.
Smollich zufolge gibt es eine Gruppe von Menschen, bei denen eine regelmäßige Kreatineinnahme durchaus auch sinnvoll sei: Ältere Menschen über 55. Denn Ältere bauen Muskeln stärker und schneller ab, und das gehe mit einem Funktionsverlust einher. »Das heißt, ältere Menschen kommen nicht mehr so gut die Treppen hoch, können nicht mehr so gut einkaufen gehen, sind körperlich einfach schwächer. Hier kann Kreatin zusammen mit Krafttraining dazu beitragen, dass die Muskelmasse im Alter länger erhalten bleibt – und damit Funktionalität und Lebensqualität», erläutert Smollich.